Linkshänderinnen zeigen häufig Anomalien des Geruchssinns
Unser Geruchssinn wird maßgeblich durch den Riechkolben (Bulbus olfactorius) beeinflusst und Störungen des Riechkolbens gelten als mögliche Ursache für Beeinträchtigungen des Geruchssinns, so der bisherige Stand der Forschung. In einer aktuellen Studie hat ein israelisches Forschungsteam jedoch entdeckt, dass manchen Menschen der Riechkolben fehlt und sie dennoch über einen sehr guten Geruchssinn verfügen.
Ist die Gehirnstruktur des Bulbus olfactorius für den Geruchssinn zwingend notwendig? Das Forschungsteam vom Weizmann Institute of Science behauptet: Nein! Denn einige Menschen können auch ohne Riechkolben gut riechen. Dies erschüttert die bisherigen Theorien zur Funktion des Geruchssinns. Die Ergebnisse der Studie wurden in dem Fachmagazin „Neuron“ veröffentlicht.
Fehlende Riechkolben Ursache für Geruchsstörungen
Aus früheren Untersuchungen war bekannt, dass bei einem angeborenen Fehlen des Bulbus olfactorius oftmals auch der Geruchssinn nicht funktioniert. Als Indikation für die Teilnahme an den Studien diente dabei jedoch in der Regel eine vorliegende Geruchsstörung. Menschen ohne Riechkolben, deren Geruchsfähigkeit normal ausgeprägt ist, wurden daher nicht erfasst. In Studien an Nagetieren, deren Bulbus olfactorius entfernt wurde, hatten sich zwar Hinweise darauf ergeben, dass der Geruchssinn dennoch erhalten bleiben kann. Diese wurden in der Fachwelt bis dato jedoch nicht weiter beachtet.
MRT mir überraschenden Untersuchungsergebnissen
Das Forschungsteam um Dr. Tali Weiss, Sagit Shushan und Prof. Noam Sobel von der Abteilung für Neurobiologie am Weizmann Institute of Science hat jetzt anhand von MRT-Untersuchungen die Funktion des Geruchssinns analysiert. Überraschenderweise stellten die Forschenden bei einer 29-jährigen Frau fest, dass diese keinen Bulbus olfactorius aufwies, obwohl ihr Geruchssinn völlig normal funktionierte.
Vier Prozent der Linkshänderinnen betroffen
„Wir haben ihre Riechfähigkeiten in jeder erdenklichen Weise getestet, und sie hatte Recht“, so Prof. Sobel in einer Pressemitteilung des Weizmann Institute of Science. Ihr Geruchssinn war in der Tat überdurchschnittlich und sie hatte keinen Bulbus olfactorius, berichtet Sobel. Das gleiche Phänomen beobachten die Forschenden anschließend auch bei einer 26-jährigen. Sie durchforsteten daher die verfügbaren Daten von mehr 1.100 Teilnehmenden (darunter 606 Frauen) und stellten fest, dass etwa 0,6 Prozent der Frauen – und bis zu vier Prozent der Linkshänderinnen betroffen sind.
Keine Männer zeigten das Phänomen
Die Forschenden konnten allerdings keinen einzigen Mann identifizieren, der sowohl einen intakten Geruchssinn als auch einen fehlenden Bulbus olfactorius aufwies. Erstaunlich sei zudem gewesen, dass unter den identifizierten Frauen zwei linkshändige eineiige Zwillinge waren, die beide in Geruchstests besser abschnitten als ihre Zwillingsschwestern, die normale Riechkolben aufwiesen, berichtet das Forschungsteam.
Bisherige Theorien überholt?
Mit den aktuellen Studienergebnissen gerate die bisherige Vorstellung, dass der Bulbus olfactorius für den Akt des Riechens absolut notwendig ist, stark in Zweifel, betonen die Forschenden. Es sei eindeutig, dass die identifizierten „Frauen die Welt genauso riechen wie der Rest von uns, und wir wissen nicht, wie sie das erreichen“, resümiert Professor Sobel. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Tali Weiss, Timna Soroka, Lior Gorodisky, Sagit Shushan, Kobi Snitz, Reut Weissgross, Edna Furman-Haran, Thijs Dhollander, Noam Sobel: Human Olfaction without Apparent Olfactory Bulbs; in: Neuron (veröffentlicht 06.11.2019), cell.com
- Weizmann Institute of Science: An Exception to the Rule: An Intact Sense of Smell without a Crucial Olfactory Brain Structure (veröffentlicht 06.11.2019), wis-wander.weizmann.ac.il
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