HPV-Infektion allein verursacht keinen Gebärmutterhalskrebs
Humane Papillomviren (HPV) sind Krankheitserreger, die Entzündungen sowie Hautveränderungen wie (harmlose) Warzen hervorrufen können. Einige Virustypen erhöhen jedoch auch das Risiko für bestimmte Tumore, vor allem Gebärmutterhalskrebs. Doch laut neuen Erkenntnissen verursacht eine HPV-Infektion allein wohl keinen Krebs.
Müssen Viren und Bakterien kooperieren, damit Gebärmutterhalskrebs entsteht? Dieser Frage geht die Infektionsforscherin Dr. Cindrilla Chumduri in einem neuen Forschungsprojekt nach. Die Wissenschaftlerin, die eine Arbeitsgruppe am Lehrstuhl für Mikrobiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) leitet, arbeitet dabei mit künstlichen Gewebemodellen.
Impfung zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs
Laut einer aktuellen Mitteilung der JMU ist Gebärmutterhalskrebs weltweit der vierthäufigste Tumor bei Frauen. Nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft erkranken in Deutschland jedes Jahr rund 4.400 Frauen daran, etwa 1.600 sterben jährlich.
Dass in einem Großteil der Fälle – konkret: in etwa 90 Prozent – Viren zu diesen bösartigen Gewebeneubildungen beitragen, dürfte bereits seit 2007 allgemein bekannt sein.
In diesem Jahr startete in Deutschland eine Impfkampagne für Mädchen im Alter von neun bis 14 Jahren zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs. Der Impfstoff richtet sich gegen den Auslöser: das Humane Papillomvirus (HPV).
Für überwiegenden Teil der Krebserkrankungen verantwortlich
Dass HPV-Infektionen für den überwiegenden Teil der Krebserkrankungen verantwortlich sind, bedeutet aber nicht, dass eine Infektion mit dem Virus zwangsläufig eine Erkrankung nach sich zieht: Aktuelle Statistiken gehen davon aus, dass rund 80 Prozent aller Frauen im Laufe ihres Lebens eine Infektion durchmachen. Dennoch entwickeln lediglich 1,6 Prozent von ihnen Gebärmutterhalskrebs.
„Es ist also klar, dass eine HPV-Infektion allein wahrscheinlich keinen Gebärmutterhalskrebs verursachen kann. Es gibt zwar viele mögliche Kofaktoren, die das Risiko für Gebärmutterhalskrebs erhöhen, einschließlich Koinfektionen mit anderen sexuell übertragbaren Krankheitserregern, aber der relative Beitrag jedes einzelnen ist noch nicht geklärt“, so Dr. Chumduri.
Einen ihrer Forschungsschwerpunkte bilden Gewebeveränderungen nach Infektionen. Dafür entwickelt die Wissenschaftlerin gemeinsam mit ihrem Team unter anderem lebensechte Organnachbildungen – sogenannte 3D-Organoide, an denen sie die Wechselwirkungen zwischen dem Krankheitserreger und den jeweiligen Geweben sowie die Krankheitsprozesse erforscht.
In einem neuen Projekt untersuchen die Forschenden in den kommenden drei Jahren, welche Faktoren noch dazu kommen müssen, damit eine HPV-Infektion Krebs verursacht.
Zusammenhänge zwischen HPV- und Chlamydien-Infektionen
„Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass Patientinnen, die an Gebärmutterhalskrebs erkranken, nicht nur mit dem Humanen Papillomvirus infiziert sind, sondern gleichzeitig auch mit dem bakteriellen Erreger Chlamydia trachomatis“, erklärt Dr. Chumduri.
In früheren Arbeiten konnte die Forscherin bereits nachweisen, dass Chlamydia trachomatis in infizierten Zellen Schäden am Erbgut verursacht, ohne dass deshalb die sonst üblichen Reparaturmechanismen der Zellen starten.
Das Bakterium unterdrückt auch den programmierten Zelltod, mit dem der Organismus normalerweise verhindert, dass entartete Zellen sich unkontrolliert vermehren, erfolgreich.
„Trotz dieser eindeutigen Zusammenhänge zwischen HPV- und Chlamydien-Infektionen und der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs ist deren Rolle bei der Entwicklung von Gewebeneubildungen und den nachfolgenden Schritten der Krebsentstehung bisher nicht untersucht worden“, sagt Chumduri. Das will sie jetzt in ihrem neuen Forschungsprojekt ändern.
Mangel an Studien
Für den Mangel an diesen Studien gibt es ihrer Meinung nach einen einfachen Grund: „Es fehlt an den erforderlichen In-vitro-Infektionsmodellen, die dem natürlichen Gewebe eines Gebärmutterhalses so weit wie möglich entsprechen.“ Zudem würden die meisten Studien auf diesem Gebiet mit Krebszellen durchgeführt, die die physiologischen Interaktionen kaum realistisch widerspiegeln.
Aus diesen Grund hat die Forscherin spezielle 3D-Organoid-Modelle entwickelt und verwendet Mausmodelle, die ein gutes Bild davon vermitteln was passiert, wenn in den verschiedenen Gewebsschichten des Gebärmutterhalses sowohl HPV als auch Chlamydien auftreten.
Bei der Untersuchung dieser Vorgänge setzt die Expertin auf neueste Technologien wie beispielsweise eine genetische Abstammungsanalyse, die Einzelzell-RNA-Sequenzierung und die sogenannte räumliche Transkriptomik.
Auf diese Weise will das Forschungsteam in den kommenden Jahren neue Erkenntnisse über die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs gewinnen und – neben dem Humanen Papillomvirus – weitere Faktoren identifizieren, die zu einer HPV-Infektion hinzukommen müssen, damit das Gewebe tatsächlich entartet. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Julius-Maximilians-Universität Würzburg: Kooperation mit fatalem Ergebnis, (Abruf: 24.10.2021), Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.