Schlechte Erinnerungen an den Kreißsaal können zu Depressionen führen
04.12.2014
Viele Frauen erleben die Geburt ihres Kindes zwar als schmerzhaftes, dennoch aber zutiefst erfüllendes und glücklich machendes Erlebnis. Doch in einigen Fällen kommt es ganz anders und die Erinnerungen an den Geburtstag des Kindes sind von Angst, Trauer und Hilflosigkeit geprägt. In diesem Fall leiden die betroffenen Frauen unter einem sogenannten „Geburtstrauma“, welches verschiedene Ursachen haben kann und daher nicht immer mit einem dramatischen Notfall verknüpft sein muss. Wichtig für die Betroffenen ist in dieser Situation Hilfe und Unterstützung durch enge Angehörige, aber auch durch spezialisierte Fachkräfte wie Hebammen oder Beratungsstellen, um das Trauma überwinden zu können.
Etwa 100.000 Frauen pro Jahr von „peripartalen psychischen Erkrankungen“ betroffen
Ist die Geburt „geschafft“, empfinden die meisten Frauen ein Gefühl der Erleichterung und des tiefen Glücks, unabhängig von den Schmerzen und möglichen Strapazen, die sie währenddessen erlebt haben. Doch in einigen Fällen kommt es ganz anders und die Geburt wird im Nachhinein als regelrechter Albtraum erinnert: „Eigentlich war alles gut an dem Tag, als ich ins Krankenhaus kam. Ich war aufgeregt, aber entspannt und habe mich einfach nur auf mein Kind gefreut. Aber dann ist alles ganz anders gelaufen und die Geburt war einfach nur schrecklich. Ich habe mich so hilflos und ausgeliefert gefühlt“, berichtet Antje R. aus Hamburg. „Ein Geburtstrauma ist kein Massenphänomen", so Jörg Angresius vom Berufsverband der Frauenärzte in München gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Pro Jahr würden laut des Vereins Schatten & Licht etwa 100.000 Frauen unter sogenannten „peripartalen psychischen Erkrankungen“ leiden, womit seelische Störungen zusammengefasst werden, die im Zusammenhang mit der Geburt stehen.
Betroffene Frauen empfinden emotionale Starre, Angst und Überforderung
„Aber für die betroffenen Frauen ist es sehr quälend“, so Jörg Angresius weiter gegenüber der dpa. Viele Frauen würden ein Gefühl der emotionalen Starre empfinden, dabei aber zugleich schnell zu gereizter Stimmung, Angstoder Aggression neigen. Ein Gefühl der Überforderung macht sich breit, häufig werden all die negativen Gefühle nachts dann in Albträume verarbeitet. Die Symptome würden dabei laut der Leiterin des Trauma-Instituts in Weilheim, Astrid Saragosa, einer so genannten „Wochenbett-Depression" ähneln. Doch im Unterschied zu dieser, sei nicht die erste Zeit als Mutter, sondern die Geburt selbst das traumatisierende Erlebnis. „Dies kann zum Beispiel passieren, wenn Hebammen oder Ärzte sich eine geraume Weile nicht kümmern und die Frau mit ihren Schmerzen und Gedanken allein ist", so Viresha Bloemeke vom Deutschen Hebammenverband in Hamburg gegenüber der dpa.
Auch vermeintlich „harmlose“ Ursachen können ein Trauma auslösen
Es müsse sich also nicht immer automatisch um eine gefährliche Situation handeln, damit die Geburt bei der Mutter solch gravierende Spuren hinterlässt. Auch scheinbar harmlose Umstände können bei der Frau für ein bedrohliches Gefühl sorgen. Es breitet sich Angst, Unsicherheit und Hilflosigkeit aus, sodass in der Folge der natürliche Fluchttrieb einsetzt – dem jedoch unter der Geburt nicht nachgegangen werden kann. Stattdessen werde bei der Frau laut Viresha Bloemeke eine Art „Notfallprogramm“ aktiviert, in welchem sie zwar „funktioniert“, aber aufgrund der emotionalen Distanz später nur minimale Erinnerungen haben könne.
Häufig folgt ein Rückzug und die Verdrängung des schlechten Gefühls
Nach der Geburt gehe die nervliche Belastung dann weiter. Kaum Schlaf, die Frau befindet sich jederzeit in „Alarmbereitschaft“ und bekommt daher meist erst nach einiger Zeit Zugang zu sich selbst und dem unbestimmten Gefühl, dass seit der Geburt etwas nicht stimmt. Doch Reaktionen anderer wie "Ist doch alles gut gegangen" oder "Das sind die Hormone" würden laut Astrid Saragosa oft dazu führen, dass die Frauen ihre Gefühle nicht ernst nehmen oder kleinreden würden. Auch Scham spiele eine große Rolle, darüber, mit der "natürlichsten Sache der Welt" nicht klarzukommen, so Saragosa weiter. In der Folge käme es dann dazu, dass sich viele Frauen zurückziehen.
Betroffene sollten sich an ihre Hebamme wenden, um das Erlebte zu verarbeiten
Dabei sei der strenge Umgang mit sich selbst und die Scham vor dem Gefühl der Überforderung in dieser Situation laut Astrid Saragosa nicht sinnvoll. Stattdessen sollten sich betroffene Frauen an ihre Hebamme wenden, auch Selbsthilfegruppen und Schwangerenberatungsstellen könnten eine wertvolle Unterstützung leisten. Astrid Saragosa selbst würde ihren Patientinnen zum Beispiel auch Nachsorgegespräche per Skype anbieten, „oft ist schon ein ruhiges Gespräch hilfreich, in dem die Frau das Geburtserlebnis noch einmal durchgeht", erklärt die Therapeutin. „Ich gehe mit den Betroffenen Schritt für Schritt jeden Moment der Geburt durch, wobei sie nach innen schaut und ausspricht, was sie gefühlt und erlebt hat", Saragosa weiter. Die Erinnerungen könnten dabei für die Frau durchaus schmerzhaft sein, vor allem, weil sich viele Betroffene selbst die Schuld geben oder die Ärzte für das traumatische Erlebnis verantwortlich machen würden. In diesem Fall könnte es laut Viresha Bloemeke unter Umständen sinnvoll sein, das Geburtsprotokoll anzufordern, denn anhand dessen könnten mit fachkundiger Unterstützung die einzelnen Schritte genau nachvollzogen werden.
Erfahrungen und Kritik in einem Brief formulieren
Neben dem könne es hilfreich sein, dem Arzt bzw. dem Krankenhaus einen Brief zu schreiben, in welchem sich die betroffene Frau ihre Kritik oder auch Empfehlungen und Wünsche für die nächste Geburt „von der Seele schreiben kann“, empfiehlt Bloemeke weiter. „Ob sie den Brief dann abschickt oder als Schiffchen auf einen Fluss setzt, bleibt ihr überlassen", so die Expertin vom Deutschen Hebammenverband. Wichtig sei dabei stattdessen, sich mit dem Geschehenen zu versöhnen, indem Klarheit über die vergangene Situation geschaffen und die Emotionen sortiert werden können. Hier seien auch der Partner und andere nahestehenden Personen wichtig, um der Frau Unterstützung zu bieten: „Sie können das Kind betreuen, für die Familie kochen oder Wäsche waschen", empfiehlt Angresius. Dadurch würde die Betroffene entlastet, könne zur Ruhe kommen und das Gefühl entwickeln, dass nun keine „Gefahr“ mehr drohe.
Homöopathie als natürliche Unterstützung bei einem traumatischen Geburtserlebnis
Ergänzend kann in einigen Fällen auch die Homöopathie bei einem traumatischen Geburtserlebnis helfen, denn neben der körperlichen Unterstützung können die entsprechenden Naturheilmittel auch wohltuend bei der Heilung seelischer Wunden sein. Dementsprechend kann beispielsweise in Absprache mit dem Homöopathen direkt nach einem Geburtsschock Aconitum in niedrigen Potenzen (D4, D6) helfen, bei Quetschungen und Hämatomen hat sich hingegen vielfach Arnika bewährt. Bei stärkeren Geburtsverletzungen wie zum Beispiel einer Gesichts- und Armlähmung, kann Hypericum eine positive Wirkung erzielen, bei Knochenbrüchen bzw. einer Schlüsselbeinfraktur empfehlen Experten zu Unterstützung der Heilung hingegen oft Symphytum (Beinwell). Generell sollte hier jedoch vor jedem Einsatz immer mit einem Heilpraktiker oder alternativmedizinisch praktizierenden Arzt gesprochen werden, um Risiken zu vermeiden. (nr)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.