Deutsche Forscher erkennen Sprache aus Hirnströmen
Deutschen Forschern ist es gelungen, direkt aus Gehirnströmen Laute, Wörter und ganze Sätze zu rekonstruieren. Menschen mit Locked-in-Syndrom könnte dies in Zukunft eine „sprachliche Kommunikation“ ermöglichen, so die Wissenschaftler. US-Forscher kamen vor Jahren zu ähnlichen Ergebnissen.
Ganze Sätze aus Gehirnströmen rekonstruiert
Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) konnten direkt aus Gehirnströmen Laute, Wörter und ganze Sätze rekonstruieren. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, wurden dabei Daten der Gehirnströme von sieben Epilepsiepatienten in den USA ausgewertet: Während des Sprechens lag ihnen ein Elektrodennetz direkt auf der Großhirnrinde des für ihre Epilepsie-Behandlung ohnehin freigelegten Gehirns. Den Angaben zufolge sind solche spezifischen Aufzeichnungen derzeit mit Elektroden, die von außen auf den Kopf angelegt werden und so die elektrische Aktivität des Gehirns messen, noch nicht möglich.
„Das Gehirn beim Sprechen beobachten“
Die Informatik-Professorin Tanja Schultz sagte: „Zum ersten Mal können wir das Gehirn beim Sprechen beobachten.“ Jetzt können die Wissenschaftler praktisch zusehen, wie das Gehirn den Sprechvorgang plant und dann die Muskeln der Artikulationsorgane mittels der Neuronen in der Großhirnrinde aktiviert, und zwar bevor die eigentliche Sprache hörbar wird. Mit Hilfe von Farben wurden die Aktivitäten sichtbar gemacht: „Je höher die Aktivität, umso heißer die Farbe“, erläuterte Schultz. Die Forscher veröffentlichen ihre Ergebnisse im Fachmagazin „Frontiers in Neuroscience“.
Verstehen ohne zu hören
Zuvor waren die Patienten gebeten worden, bestimmte Texte zu sprechen, beispielsweise eine Rede des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy oder auch einfache Kinderreime. Die Wissenschaftler wussten also zunächst nicht, welche Laute wann gesprochen wurden. Mit Hilfe der dabei gemessenen Hirnströme legten sie Datenbanken mit Prototypen von etwa 50 verschiedenen Lauten an. Anschließend gelang es auf Basis von Algorithmen, allein anhand der Gehirnströme zu verstehen, was gesagt wurde. Laute werden dazu im Kontext von Wörtern und ganzen Satzphrasen betrachtet. „Wir bekommen damit schöne Ergebnisse, die in der Qualität zwar noch weit von der akustischen Spracherkennung entfernt, aber schon deutlich besser sind, als wenn man rät“, so Schultz.
Hoffnung für Patienten mit Locked-in-Syndrom
Die geringe Datenbasis von lediglich sieben Patienten, von denen jeweils maximal fünf Minuten Sprache vorliegen, ist bislang jedoch ein Knackpunkt der vierjährigen Forschung. Die Analysen sollen daher ausgeweitet werden. Wie es heißt, könnte neben einem bessern Verständnis der Sprachprozesse, der sogenannte Brain-to-Text auch „ein Baustein sein, um Locked-in-Patienten zukünftig eine sprachliche Kommunikation zu ermöglichen“. Menschen mit Locked-in-Syndrom sind zwar bei Bewusstsein, körperlich aber fast vollständig gelähmt und somit unfähig, sich der Außenwelt sprachlich oder durch Bewegungen verständlich zu machen.
Wird dadurch auch Gedankenlesen möglich?
Ein US-Forscherteam um Brian Pasley vom Helen Wills Neuroscience Institute an der University of California in Berkeley kam vor Jahren zu ähnlichen Ergebnissen wie die Karlsruher Kollegen. Im Jahr 2012 berichteten sie auf dem Portal „PloS Biology“, gehörte Sprache anhand von Hirnwellen erkennen zu können. Sie gewannen Ihre Erkenntnisse damals ebenfalls mit Hilfe von im Gehirn von Epilepsiepatienten platzierten Elektroden. Die Wissenschaftler hatten erklärt, dass auch wenn nicht jedes Wort exakt identifiziert werden konnte, die Sprach-Erkennung doch deutlich über einer zufällig erwartenden Wahrscheinlichkeit lag. Sie hatten damals darauf hingewiesen, dass es vorstellbar sei, dass sich mit einem vergleichbaren Verfahren möglicherweise auch Gedanken mithören ließen. (ad)
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