Antibiotika-resistente Keime in Bächen, Flüssen und Seen
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hatte im vergangenen Jahr erklärt: „Es kann niemanden kalt lassen, dass immer mehr Menschen weltweit an Keimen sterben, die gegen Antibiotika resistent sind. Wir müssen Antibiotika-Resistenzen entschlossen bekämpfen – national und international.“ Dass hierzulande etwas unternommen werden muss, macht auch eine Recherche von Journalisten des NDR deutlich. Die Reporter stellten fest, dass sich in manchen deutschen Gewässern Antibiotika-resistente Keime befinden.
Gefährliche Zunahme von Antibiotika-Resistenzen
Die Zunahme von Antibiotika-Resistenzen stellt das Gesundheitswesen vor eine immer größer werdende Herausforderung. Erst im vorvergangenen Jahr hat eine EU-Kommission vor massiv zunehmenden Antibiotika-Resistenzen gewarnt. Wenn das Problem nicht bald unter Kontrolle gebracht wird, droht Forschern zufolge ein Schreckensszenario. Laut einer älteren Studie der Berliner Charité könnte es bis 2050 rund zehn Millionen Tote durch multiresistente Keime geben. In den vergangenen Jahren haben immer mehr Regierungen und Experten bekannt gegeben, den Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen verstärken zu wollen. Dass dabei auch in Deutschland einiges passieren muss, macht eine Recherche von Journalisten des Norddeutschen Rundfunks (NDR) deutlich. Sie stellten fest, dass sich in diversen deutschen Gewässern Antibiotika-resistente Keime befinden.
Mann starb nach Infektion mit tödlichem Keim
Im März 2017 stürzte in Frankfurt ein Mann in einen Bach, infizierte sich mit einem tödlichen Keim und verstarb nur kurze Zeit später im Frankfurter Uniklinikum.
Dieser Vorfall war Anlass für eine flächendeckende Untersuchung, bei der verschiedene multiresistente Keime in Frankfurter Gewässern gefunden wurden.
„In fünf Proben wurden Erreger mit Resistenz gegen die Reserveantibiotika Carbapeneme oder Colistin festgestellt“, erklärte die stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes, Prof. Ursel Heudorf damals.
„Darüber hinaus wurden in acht Wasserproben mit einer anderen Methode auch Nukleinsäuren gefunden, die ein bestimmtes, die Antibiotika Carbapeneme abbauendes Enzym, eine Carbapenemase vom Typ OXA-58 bilden können“, so die Expertin.
Die Funde in Frankfurt waren der Anlass für eine monatelange Recherche von Journalisten der NDR Sendung Panorama.
Die Reporter wollten wissen, ob sich möglicherweise auch in Gewässern in Niedersachsen solche Keime finden lassen.
Alarmierende Funde in Gewässern
Wie der NDR auf seiner Webseite berichtet, haben die Journalisten an insgesamt zwölf Stellen Proben genommen: aus Bächen, Flüssen und an zwei Badeseen.
Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden sowie des Universitätsklinikums Gießen haben diese anschließend auf multiresistente Erreger untersucht – und wurden überall fündig.
„Das ist wirklich alarmierend“, sagte der Antibiotika-Experte Dr. Tim Eckmanns vom Robert-Koch-Institut (RKI) gegenüber dem NDR.
„Die Erreger sind anscheinend in der Umwelt angekommen und das in einem Ausmaß, das mich überrascht.“
Dem NDR zufolge handelt es sich bei den gefundenen Keimen um multiresistente gram-negative Bakterien (MRGN).
Diese Erreger können zu schwerwiegenden Erkrankungen führen, die schwer zu behandeln sind.
Bislang gibt es keine systematischen Kontrollen
Der Gewässerforscher Thomas Berendonk von der Technischen Universität Dresden sagte dem NDR ebenfalls, dass ihm die Funde Sorgen bereiten.
Die untersuchten Proben stammen alle aus Niedersachsen, einem Bundesland, das durch intensive Tiermast heraussticht. Problematisch ist dort zudem, dass das Wasser in den flachen Regionen langsamer fließt und sich dadurch Stoffe eher ablagern können.
Obwohl schon länger bekannt ist, dass es in der Umwelt Antibiotika-resistente Erreger gibt, gibt es bislang keine systematische Kontrollen. Die Keime könnten womöglich über die Abwasser von Kliniken in die Umwelt gelangen.
Laut Martin Exner vom Forschungsverbund HyReKa, der die Verbreitung antibiotikaresistenter Bakterien durch Abwasser erforscht, müsse man aber aufgrund der Ergebnisse keine Angst vorm Baden haben. Allerdings solle man sehr genau auf die persönliche Hygiene achten.
„Also sich mit sauberem Wasser abduschen, wenn man draußen zum Baden war. Das sollte man natürlich immer machen“, so Exner, der nicht an der Untersuchung beteiligt war, laut einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa.
Die Keime könnten jedoch für Menschen im Krankenhaus, ältere Personen mit chronischen Wunden und Kleinkinder gefährlich werden.
Das Umweltbundesamt fordert angesichts der Ergebnisse dringend zumindest alle größeren Klärwerke nachzurüsten.
Laut NDR würden die Kosten dafür bei jährlich etwa 1,3 Milliarden Euro liegen. Dies seien „Mittel, die man durchaus in Erwägung ziehen sollte, auch zum Schutz des Einzelnen“, so die Präsidentin des Umweltbundesamts Maria Krautzberger im Interview für die Sendung Panorama. (ad)
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