Gefährliche Vogelgrippe oder harmlos? Tierschützer kritisieren Massentötungen von Tieren aufgrund harmloser Befunde.
Wie bereits berichtet, mussten aufgrund des Verdachts der Vogelgrippe bei einem Geflügelzüchter im Landkreis Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) rund 17.000 Gänse und Enten getötet werden. Die Massentötung der Tiere wurde vom Landeswirtschaftsministerium in Schwerin angeordnet.
Bei dem festgestellten Virus handelt es sich allerdings nicht um den Vogelgrippe-Virus H5N1, sondern um die vergleichsweise harmlose Variante H5N2. Bei einer Routinekontrolle wurden bei einzelnen Tieren Antikörper festgestellt. Daraufhin hat das Ministerium die sofortige und weiträumige Sperrung sowie Tötung der vermeintlich infizierten Tiere angeordnet, um eine mögliche Mutation des gefährlichen Vogelgrippe Virus (H5N1) zu verhindern, wie es aus Behördenkreisen hieß. Der Betrieb erhält für alle getöteten Tiere aus der Seuchen-Kasse eine Entschädigung.
Massenhaftes Töten aufgrund „harmloser Viren“ löst heftige Kritik aus
Unter Tierschützern und Veterinär-Medizinern löst grundsätzlich das massenhafte Keulen von Tieren heftige Kritik aus. Denn bei den eigentlich gesunden Tieren wurden lediglich Antikörper eines an sich harmlosen Influenza-Erregers gefunden. Tierschützer widersprechen der offiziellen Angabe, der Virustyp könne zum gefährlichen Vogelgrippe-Virus H5N1 mutieren. In Massentierhaltungen kann es nach Ansicht der Kritiker durch zahlreiche Tierpassagen der sich im dauerhaften Stress befindenden Tiere zum Auftreten von Krankheitssymptomen kommen. Dieser Umstand resultiere daraus, dass die Tiere in den Ställen nicht entsprechend ihrer Art gehalten werden und die Verhältnisse in den Geflügelanlagen oft unhygienisch seien. Wurden Antikörper bei einzelnen Tieren gefunden, so sei dies lediglich ein natürlicher Vorgang. Denn die Tiere würden an der Art der Haltung leiden. Ob tatsächlich eine nicht-artgerechte Haltung auch in dem Betrieb in Mecklenburg-Vorpommern vorlag, kann derzeit nicht bestätigt werden. Vielmehr geht es hierbei um eine grundsätzliche Kritik an der Geflügelpest-Verordnung.
Bei den nun betroffenen Tieren handelte es sich um Freilandgeflügel. Der Tierschutzverein „Tier und Mensch“ hält es für „völlig ausgeschlossen, dass der harmlose Influenza-Typ H5N2, der im Kreis Parchim bei gesunden Enten und Gänsen gefunden wurde, zu H5N1 mutiert. Gesunde Freilandtiere mit intaktem Immunsystem bilden gegen H5N2 schützende Antikörper. Durch diesen natürlichen Vorgang verschwinden die Viren nach kurzer Zeit aus dem Bestand.“ wie es hieß. Ganz anders bei Massentierhaltungen, denn diese sind nach Ansicht des Vereins, hoch „explosive Brutstätten für Krankheitskeime, in denen selbst harmlose Keime ein Problem werden können: Die enge Aufstallung Tausender kränkelnder und dauerhaft gestresster, überzüchteter Tiere, deren Immunsystem neben den üblen Haltungsbedingungen auch noch durch massive Antibiotika-Gaben geschwächt ist, macht die Tiere äußerst empfänglich für jede Infektion“. Indessen hat der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft gefordert, die Geflügelpest-Verordnung nicht zu lockern. Die Initiative Tier und Mensch sieht allerdings darin einen Versuch der Geflügelwirtschaft, mit „Hilfe harmloser Viren, die bei gesundem Freilandgeflügel im Kreis Parchim gefunden wurden, die Freilandhaltung als Konkurrenz der Massentierhaltung weiter abzuwürgen“.
Die Tierärztin Vorsitzende des Vereins, Dr. Karin Ulich, betonte: „Es ist dringend geboten, vor jeder Aus- und Einstallung das Geflügel in reiner Stallhaltung, also bei den Massentierhaltungen, auf hoch pathogene Vogelgrippe zu untersuchen. Das gilt explizit auch für Geflügel, das in Schlachtstätten geliefert werden soll. Die niedrig-pathogenen aviären Influenzaviren dürfen keine Keulaktionen nach sich ziehen – hier wäre zu überlegen, eventuell eine Wiederholungsuntersuchung nach einigen Tagen vorzuschreiben, sollten Ortswechsel der betroffenen Tiere geplant sein. Bei Freilandhaltungen sind meiner Einschätzung nach niedrig pathogene Keime bedeutungslos und können vernachlässigt werden.“
Geflügelpest-Verordnung im Sinne der Geflügelwirtschaft zur Marktbereinigung?
Tierschützer vermuten, dass die Geflügelpest-Verordnung ganz im Sinne der Geflügelwirtschaft gestaltet wurde. Diese Verordnung erlaubt das sogenannte Keulen (also Töten) ganzer gesunder Bestände, wenn lediglich niedrig-pathogene Viren bei einer Untersuchung festgestellt wurden. Diese Möglichkeit des massenhaften Keulen wird vor allem dazu genutzt, um auf Kosten der Seuchen-Kasse ein Überangebot auf dem Markt zu bereinigen, so die Kritik. Schon oft sei es vorgekommen, dass ganze Tierbestände massenhaft getötet wurden, weil vermeintliche Symptome bei Tieren festgestellt wurden. Nach Angaben der Tierschutzorganisation "Tier & Menschen e.V." wurden im letzten Winter "610.000 Puten in Massentierhaltungen des Landkreises Cloppenburg vergast und vernichtet". Die Behörden hätten damals in 33 Beständen eine "harmlose Verwandte" des Vogelgrippe-Virus gefunden. Hier wurde, so der Verein, "der übersättigte Puten-Markt auf Kosten der Seuchenkasse und damit des Steuerzahlers bereinigt". Außerhalb der nach draußen abgeschotteten "Putenmast-Fabriken" wurden damals keine Viren bei anderen Tieren gefunden. (sb, 14.11.2010)
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Bild: Uschi Dreiucker / pixelio.de
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