Durch Zecken übertragen: Forscher berichten über FSME-Infektionen in Norddeutschland
Im vergangenen Jahr wurden bundesweit bei rund 500 Menschen FSME-Erkrankungen diagnostiziert – so viele wie seit über zehn Jahren nicht mehr. Die gefährliche Krankheit, die durch Zecken übertragen wird, breitet sich laut Forschern immer weiter nach Norddeutschland aus. Eine Infektion ist auch durch Rohmilch möglich.
Überträger gefährlicher Krankheiten
Gesundheitsexperten weisen immer wieder darauf hin, wie wichtig es ist, sich vor Zecken zu schützen. Die kleinen Blutsauger können schließlich gefährliche Infektionskrankheiten wie Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen. Letztere kam in der Vergangenheit fast nur in manchen Regionen Süddeutschlands vor. Doch Forscher weisen nun darauf hin, dass FSME auch immer häufiger im Norden der Republik festgestellt wird.
So viele Erkrankungen wie lange nicht mehr
Im vergangenen Jahr wurde bei fast 500 Menschen eine FSME-Erkrankung diagnostiziert – so viele, wie seit über zehn Jahren nicht mehr. Darauf weist die Universität Hohenheim in einer Pressemitteilung hin.
85 Prozent der Erkrankungsfällen traten demnach in Bayern und Baden-Württemberg auf. Bayern meldete mit 239 Erkrankungsfällen die höchste Zahl seit Einführung der Meldepflicht durch das Infektionsschutzgesetz IfSG im Jahr 2001.
Den deutlichsten Anstieg der Erkrankungsfälle habe es entlang des Alpenkamms gegeben. Dagegen sei die Zahl der Erkrankungsfälle beispielsweise in Unterfranken 2017 deutlich zurückgegangen.
Auch in Baden-Württemberg sei die Zahl der Erkrankungen im Jahr 2017 ungewöhnlich hoch gewesen. Mit 186 Fällen liege sie allerdings noch unter den Rekordjahren von 2011 und 2006 mit über 210 beziehungsweise 288 Fällen.
Krankheit breitet sich nach Norden aus
Gleichzeitig verschöben sich die Hot-Spots, d.h. die Regionen, in denen FSME-Erkrankungen gehäuft auftreten.
„Einige Landkreise, die über Jahre hinweg Erkrankungen meldeten, blieben im vergangenen Jahr völlig unauffällig. In anderen trat die Krankheit erstmals und gleich auch besonders gehäuft auf“, berichtete Prof. Dr. Ute Mackenstedt, Parasitologin der Universität Hohenheim.
Zudem breite sich die Krankheit nach Norden aus. „Die Statistik zeigt uns ganz neue Hot-Spots in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Zum allerersten Mal erhalten wir sogar Erkrankungsberichte aus den Niederlanden“, so Mackenstedt.
Neue Zeckenarten in Deutschland
Den Experten zufolge sei die Gefahr, die von neuen Zeckenarten in Deutschland ausgehe, derzeit noch schwer einzuschätzen.
Parasitologen der Universität Hohenheim und Virologen des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr und der Uni Leipzig stießen 2016 erstmals auf das FSME-Virus in der in Deutschland zunehmend einwandernden Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus).
Im selben Jahr stieß die Zeckenforscherin Dr. Chitimia-Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München, dem Kooperationspartner der Uni Hohenheim auf eine in Deutschland neue Art – Ixodes inopinatus – die wohl aus dem Mittelmeerraum eingewandert ist.
„Noch ist nicht klar, wie lange diese Art schon in Deutschland heimisch ist und ob sie als FSME-Überträgerin in Frage kommt. Wichtig wäre auch abzuklären, ob mit ihr nicht neue Krankheiten nach Deutschland gelangten, wie etwa das Mittelmeerfieber“, so Prof. Dr. Mackenstedt.
Wetter könnte für die hohe Erkrankungszahl mitverantwortlich sein
Ein Grund für die hohe Erkrankungszahl 2017 könnte das Wetter gewesen sein.
„Im Sommer 2017 gab es eine große Kältewelle. Zwei Wochen später wurde es sehr warm und wieder zwei Wochen später gab es einen großen Krankheitsausbruch“, sagte Prof. Dr. Mackenstedt.
„Vermutlich lag das daran, dass es nach den kalten Tagen Menschen gerade zu dem Zeitpunkt massiv ins Freie trieb, als die jahreszeitlich höchste Aktivität von Ixodes ricinus als der am weitesten verbreiteten Zeckenart stattfand.“
Insgesamt stelle die Fülle der Phänomene – neue Arten, wechselnde Hot-Spots und jährlich stark schwankenden Erkrankungszahlen – die Forschung zunehmend vor Rätsel.
Zuverlässiger FSME-Schutz nur durch Impfung
Gegen FSME steht eine Impfung zur Verfügung. Von der Ständigen Impfkommission (STIKO) und anderen Gesundheitsexperten wird Personen, die sich in FSME-Risikogebieten häufig im Freien aufhalten, ein Impfschutz empfohlen.
Auch für in der Natur Berufstätige wie Forstarbeiter oder Landwirte sowie für Urlauber, die in FSME-Risikogebiete im Ausland reisen, ist eine Impfung sinnvoll.
Das Robert Koch-Institut (RKI) bietet auf seiner Internetseite eine Übersicht über FSME-Risikogebiete in Deutschland.
Der Mediziner PD. Dr. Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München und des Nationalen Konsiliarlabors für FSME warnte davor, die Krankheit zu unterschätzen:
„Zu den schweren Krankheitsverläufen gehören Lähmungen, Koma, Krampfanfälle, Defektheilungen und vereinzelt auch Todesfälle.“ Davon seien Erwachsene und Kinder gleichermaßen betroffen.
Dagegen hätte die Impfung gegen FSME fast 100 Prozent Wirkung, Komplikationen seien mit 1,5 Fälle bei einer Million Impfungen extrem selten. Trotzdem seien in Deutschland nur etwa 20 Prozent der Bevölkerung geimpft.
Infizierte Rohmilch birgt besonders hohes Erkrankungsrisiko
Gleichzeitig schütze die Impfung auch vor einer besonderen Art der FSME-Ansteckung: Die durch Rohmilch vor allem von Weidetieren.
„Im Jahr 2016 machte ein Fall Schlagzeilen, bei dem zwei Menschen nach dem Genuss von Rohmilch-Käse aus Ziegenmilch erkrankten“, sagte Prof. Dr. Mackenstedt. „Im vergangenen Jahr erkrankten 8 Personen nach dem Genuss von Ziegen-Rohmilch.“
Die Zecken-Expertin berichtete damals in einer Mitteilung: „Zum ersten Mal konnten wir bei diesem Fall die Überträger (Zecken), die Wirtstiere (Ziegen), befallene Lebensmittel wie Ziegenmilch und Rohmilchkäse und die erkrankten Personen untersuchen.“
Tatsächlich sei das Krankheits-Risiko nach dem Genuss von FSME-infizierter Rohmilch um das Dreifache höher, als nach dem Biss von infizierten Zecken:
„Von 100 Personen, die von infizierten Zecken gebissen werden, bricht die Krankheit bei 30 Personen aus. Bei infizierter Rohmilch beobachten wir den Krankheitsausbruch bei 100 von 100 Personen“, so Prof. Dr. Mackenstedt.
In den 1950er Jahren seien FSME-Erkrankungen durch infizierte Rohmilch deshalb vergleichsweise häufig gewesen. Durch die Pasteurisierung von Milch sei die sogenannte „alimentäre FSME“ heute jedoch eher eine Randerscheinung.
Angesichts der zunehmenden Beliebtheit von Rohmilch betonten die Experten, dass Personen, die Rohmilch-Produkte in einem Risikogebiet für FSME zu sich nehmen, FSME-geimpft sein müssen.
Dies schütze jedoch nicht vor anderen durch Rohmilch übertragene Krankheiten. Die Milch sollte daher vor dem Trinken immer abgekocht werden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.