Elektroautos stellen keine Gefahr für Patienten mit Herzschrittmacher dar
Jedes Jahr werden in Deutschland über 100.000 Herzschrittmacher implantiert. Betroffenen Patienten wird dazu geraten, bei bestimmten Elektrogeräten vorsichtig zu sein, da dadurch die Funktion der Schrittmacher gestört werden kann. Elektroautos stellen jedoch keine Gefahr für Personen mit Herzschrittmachern da, wie eine Untersuchung nun zeigte.
Manche elektrische Geräte können Funktion von Herzschrittmachern stören
In der Herzmedizin wurden in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte erzielt. So haben Wissenschaftler aus Großbritannien positive Ergebnisse mit neuen Herzschrittmachern erzielt, die die eigentliche Operation überflüssig macht, da das Gerät über eine Vene bis ins Herz geschoben wird. Und Wissenschaftler aus den USA berichteten über Versuche mit Herzschrittmachern ohne Batterie, die Strom von Organen bekommen könnten. Aber trotz aller Neuerungen müssen Patienten mit einem Herzschrittmacher noch immer bei bestimmten Elektrogeräten vorsichtig sein. So wird beispielsweise häufig dazu geraten, Smartphones von Schrittmachern fernzuhalten. Bei neueren Produkten scheint dieses Problem allerdings nicht mehr zu bestehen. Zu manchen Geräten wie Bohrmaschinen oder Induktionsherden sollte jedoch ein bestimmter Sicherheitsabstand eingehalten werden. Wegen Elektroautos müssen sich Personen mit Herzschrittmachern aber offenbar keine Sorgen machen.
Jährlich werden mehr als 100.000 Herzschrittmacher neu eingesetzt
Wie die Deutsche Herzstiftung in einer Mitteilung berichtet, leiden in Deutschland mehrere Millionen Menschen an Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen.
Viele Betroffene benötigen für die Regulierung ihres Herzrhythmus einen Herzschrittmacher oder Implantierbaren Cardioverter-Defibrillator (ICD/„Defi“).
Laut dem Deutschen Herzbericht werden hierzulande pro Jahr rund 110.000 Herzschrittmacher und ICD neu implantiert.
Beide Herzimplantate können störanfällig auf starke elektromagnetische Felder reagieren, indem die Geräte diese Felder als eigene Herzaktivität des Schrittmacher- bzw. ICD-Trägers fehlinterpretieren (sog. „Oversensing“) und dadurch ein gefährliches Aussetzen der Pumparbeit des Herzens bewirken beziehungsweise ICD-Schockabgaben fälschlicherweise provozieren können.
Elektroautos erzeugen ein elektromagnetisches Feld, so dass auch von diesen Fahrzeugen Störeinflüsse auf Herzschrittmacher und ICD ausgehen könnten.
Da die Verbreitung von Elektroautos und deren Nutzung auch durch Herzpatienten zunehmen dürfte, ist das Interesse der Herzmedizin an Untersuchungen, ob diese Störeinflüsse bedenklich sein können, groß. Allerdings mangelt es dazu bislang an aussagekräftigen Studien.
Verunsicherung bei Herzpatienten
Deswegen hat der Kardiologe Dr. med. Carsten Lennerz, Oberarzt am Deutschen Herzzentrum München (DHM), eine Untersuchung durchgeführt, die klären sollte, ob für Schrittmacher- und Defi-Patienten bedenkliche Störeinflüsse von Elektroautos ausgehen, beim Fahren des Autos und beim Aufladen.
Die Arbeit wurde mit dem August Wilhelm und Lieselotte Becht-Forschungspreis der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) ausgezeichnet.
„Für Ärzte und für Tausende Herzpatienten, die zukünftig immer mehr privat und beruflich Elektroautos nutzen werden, sind die Erkenntnisse dieser Arbeit wichtig“, so der Herzchirurg und Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der DSHF, Prof. Dr. med. Hellmut Oelert.
„Erst belastbare Daten ermöglichen es Ärzten, Empfehlungen an ihre Patienten in diesem Bereich zu geben und Patienten unnötige Ängste zu nehmen.“.
Die Studie wurde im Fachmagazin „Annals of Internal Medicine“ veröffentlicht.
„Viele Schrittmacher- und Defi-Träger reagieren wegen möglicher Störeinflüsse oftmals mit großer Verunsicherung auf neue elektrische Geräte wie Elektroautos“, erläuterte Lennerz.
„Unsere Untersuchung soll Patienten und Ärzten eine verlässlichere Datengrundlage geben, um unnötige Einschränkungen bei der Nutzung von Elektroautos zu vermeiden.“
Studie belegt Unbedenklichkeit von Elektroautos – vorerst
Die Forscher haben vier Elektroauto-Modelle mit dem (bei Untersuchungsbeginn) höchsten Marktanteil bei 108 Probanden mit Herzschrittmacher bzw. ICD aller Hersteller getestet (Schrittmacher/ICDs im Folgenden kurz „CIEDs“: Cardiac Implantable Electronic Devices).
Jeder Studienteilnehmer bekam eines der vier Elektroautos zugeteilt und hat es auf einem Rollprüfstand maximal beschleunigt, bis 120 km/h ausgefahren und das Auto anschließend mit Strom aufgeladen.
Gemessen wurde das elektromagnetische Feld im und außerhalb des Autos beim Fahren und Aufladen. Das Fahrzeuginnere ist sehr gut gegen elektromagnetische Felder abgeschirmt.
Den Angaben zufolge stellt das Aufladen mit Strom, wenn überhaupt, das kritischere Moment dar, weil hier die stärksten elektromagnetischen Felder auftreten.
Während der Fahrt auf dem Rollprüfstand wurde bei den Probanden ein Elektrokardiogramm (EKG) aufgezeichnet, um durch elektromagnetische Felder ausgelöste Störungen der CIED-Funktion zu registrieren.
„Unsere Untersuchungen ergaben keinen Hinweis darauf, dass von den Elektroautos für Herzpatienten bedenkliche elektromagnetische Interferenzen ausgehen, die CIEDs in ihrer Funktion stören könnten“ erklärte Lennerz.
„Fehlfunktionen der Herzimplantate aufgrund der Nutzung von Elektroautos sind somit unwahrscheinlich“, so der Experte.
Eine dauerhafte Entwarnung sei allerdings nicht möglich: „Elektroautos entwickeln sich in Bauweise und Ladetechnik rapide weiter, was zukünftig neue Untersuchungen erforderlich macht.“
Gefürchtete Komplikationen
CIEDs (Herzschrittmacher/ICD) haben die Funktion, elektrische Signale des Herzens aufzunehmen und diese Signale zur Steuerung der CIED-Impulse zu verwenden. Diese Impulse sorgen für eine ungestörte Pumparbeit des Herzens.
CIEDs können in Nähe eines elektromagnetischen Feldes Signale wahrnehmen, die nichts mit dem Herzschlag zu tun haben, diese Signale jedoch als „Herzschlag“ fehlinterpretieren (=elektromagnetische Interferenz).
Laut der Deutschen Herzstiftung würde das Gerät dadurch fälschlicherweise aussetzen und das Herz des Patienten würde dann nicht mehr ausreichend bei seiner Pumparbeit unterstützt.
Defibrillatoren könnten auch fälschlicherweise Schocktherapien abgeben, falls das elektromagnetische Feld als Kammer-Rhythmusstörung fehlinterpretiert würde.
Außerdem wird diskutiert, dass elektromagnetische Felder die implantierten elektrischen Herzgeräte umprogrammieren könnten. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
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