Bis zu 15 000 Tote sind jährlich durch multiresistente Keime wie MRSA oder VRE zu beklagen. Damit liegt die Mortalitätsrate bei resistenten Keimen viermal so hoch, wie bei Verkehrsunfällen. Betroffen sind vor allem Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Das geht aus einer Statistik des Robert-Koch-Instituts hervor, "der wichtigsten Einrichtung zur Seuchenbekämpfung in Deutschland". Dabei zählt die Statistik Fälle pro zehntausend Einwohner in Landkreisen und Städten. Demnach sind "zehn davon seit Jahren konstant immer wieder betroffen, es handelt sich also um Infektions-Hot Spots."
Konkret handelt es sich um folgende Städte und Landkreise: Holzminden, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Goslar, Nienburg (Weser), Northeim, Peine, Mönchengladbach, Hameln-Pyrmont, Höxter, Duisburg. Genauere Daten, wer sich wann wo angesteckt hat, sind jedoch kaum zu bekommen. So sind Informationen, welche Krankenhäuser oder Einrichtungen besonders betroffen waren, Mangelware. Diese wären aber nötig, um zu sehen, ob die Fallzahlen auf Probleme der Institutionen, wie etwa Hygienemängel, hinweisen, oder ob es sich vielleicht um Einrichtungen handelt, die auf die Behandlung multiresistenter Keime spezialisiert sind. Zudem sind derartige Informationen für die Bewohner der Regionen von erheblichem Interesse.
Gesundheitsämter hüllen sich in Schweigen
Konkrete Daten, welche Krankenhäuser in welchen Regionen betroffen waren, waren vom Robert-Koch-Institut (RKI) erhältlich. Ursache dafür ist die Tatsache, dass diese bei den örtlichen Gesundheitsämtern liegen, die die Fälle registrieren und diese dann anonymisiert an das RKI weitergeben.
Eine Anfrage von Zeit-Online nach detaillierten Daten kamen nur die Hälfte der befragten Gesundheitsämter der zehn Infektions-Hot-Spots nach, während die anderen fünf diese Daten schuldig blieben.
Die Gründe hierfür sind recht unterschiedlich. So wurden unter anderem Gründe des Datenschutzes oder Personalmangel vorgeschoben und Zeit-Online indirekt sogar eine Behinderung der Behördenarbeit vorgeworfen: “Im zuständigen Fachbereich sind wir personell (…) sehr eng aufgestellt. Es würde bedeuten, dass eine Kraft sich ihren Beratungs- und Kontrollaufgaben nicht widmen könnte, weil die Daten für Sie herausgesucht werden müssen.“ Zudem blieb die Behörde die Rechtsgrundlage für den angeblichen Datenschutz schuldig: “Informationen, wie von Ihnen gewünscht, unterliegen dem Datenschutz. Daher ist eine Auskunft dazu leider nicht möglich.“ Darüber hinaus wurde Zeit-Online vorgeworfen, Kliniken wirtschaftlich zu schaden und für den Fall der Fälle Regressforderungen angedroht: “So kann unter dem Gesichtspunkt von § 823 BGB, § 1004 BGB (eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb) z.B. eine negative betriebsbezogene Berichterstattung im Sinne einer unerlaubten Handlung zu missbilligen sein und einen entsprechenden Unterlassungsanspruch auslösen, wenn dies zu entsprechenden Vermögensnachteilen führt oder solche zu befürchten (sind).”
Außerdem argumentierte ein Gesundheitsamt, Verstöße gegen die Einhaltung des Infektionsschutzgesetzes würden dazu führen, dass gesetzestreue Krankenhäuser, die der Meldepflicht nachkommen, durch eine Herausgabe der Daten benachteiligt würden, und das, obwohl gerade die Gesundheitsämter dafür verantwortlich sind, die Meldung solcher Fälle durchzusetzen: “Tatsächlich spricht aber gegen eine Einzelmeldung, dass nicht alle Krankenhäuser ihre MRSA-Fälle melden, das heißt, würden wir die meldenden Krankenhäuser benennen, würden diejenigen bestraft, die sich an die Meldepflicht halten. Jene, die der Meldepflicht nicht nachkommen, würden in einem guten Licht da stehen.“ Lediglich ein Gesundheitsamt legte ein sachliches Argument vor: “Es sei erwähnt, dass (…) belegbar ist, dass weit überwiegend bei den gemeldeten Fällen schon bei Aufnahme ein positiver MRSA (…) Befund vorgelegen hat! (…) Eine krankenhausinterne Verursachung ist damit nicht ersichtlich (…).“
Keine Daten zur Herkunft der Keime
Tatsächlich wirft das Argument die Frage auf, wie aussagekräftig die Statistik des RKI ist. Denn sie gibt keinerlei Auskunft darüber, ob Patienten schon mit den Keimen eingeliefert wurden, oder ob sie sich erst im Krankenhaus damit infizierten. Fatal angesichts der jährlich offiziell gemeldeten 15 000 Todesfälle, einer vermutlich deutlich höheren Dunkelziffer und der signifikanten Bedeutung, die resistente Keime und die zunehmende Wirkungslosigkeit von Antibiotika für das Gesundheitswesen haben. Deshalb sollten die Verbreitungswege von resistenten Keimen gut nachvollziehbar sein, um ihrer Ausbreitung entgegenwirken zu können. In Großbritannien hat eine solche Transparenz zu einer deutlichen Senkung der Fälle von MRSA Infektionen geführt und auch in Frankreich sind die Infektionswege für die Bevölkerung nachvollziehbar. Neben der Transparenz der Verbreitungswege der resistenten Keime ist aber auch der verantwortungsvolle Umgang mit Antibiotika wichtig im Kampf gegen die Erreger. So sollten Reserveantibiotika tatsächlich nur als Ultima Ratio angewendet werden. Alternativen gibt es in der Naturheilkunde, z.B. in Form von Korianderöl. Dieses hat bei Tests auf die extrem aggressiven antibiotikaresistenten MRSA Erreger tödlich gewirkt. In jedem Fall sollte die Behandlung von einem Facharzt verschrieben werden.
Nach längerem Tauziehen haben insgesamt neun der Zehn befragten Gesundheitsämter auf die Anfrage von Zeit-Online reagiert. Lediglich das Gesundheitsamt Goslar hat seine Verweigerungshaltung beibehalten und verweigert nach wie vor jede Auskunft. (sb)
Bild: Urs Mücke / pixelio.de
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