Warum Herpes eine Gehirnentzündung auslösen kann
Rund zwei Drittel der Weltbevölkerung sollen mit dem Herpes-simplex-Virus 1 (HSV-1) infiziert sein. Die meisten Menschen merken davon nichts oder haben nur leichte Beschwerden. Manche Personen, vor allem Kinder und Immungeschwächte, können jedoch nach der Infektion eine schwere Gehirnentzündung entwickeln, die mitunter lebensbedrohlich sein kann. Ein Forschungsteam identifizierte nun die Ursache für diese Komplikation.
Forschende der Cleveland-Clinic haben gemeinsam mit einer internationalen Arbeitsgruppe herausgefunden, warum das weit verbreitete Herpesvirus HSV-1 in selten Fällen eine Enzephalitis auslösen kann. Offenbar führt eine bestimmte Gen-Mutation zu einer Überreaktion des Immunsystems auf das Virus. Die Ergebnisse wurden nun in dem Fachjournal „Science Immunology“ vorgestellt.
Zwei Drittel der Weltbevölkerung mit HSV-1 infiziert
HSV-1 gehört zu den am weitesten verbreiteten Viren auf der Welt. Etwa 70 Prozent aller Menschen tragen es in sich. Die allermeisten Personen infizieren sich bereits in der Kindheit mit dem Herpesvirus. Das häufigste Symptom einer Infektion sind Fieberbläschen am Mund. Viele Infizierte entwickeln aber überhaupt keine Beschwerden.
Wie äußert sich eine Herpes-Enzephalitis?
In sehr selten Fällen kommt es im Rahmen einer HSV-1-Infektion zu einer sogenannten Herpes-Enzephalitis. Vor allem Kinder und Personen mit einer Immunschwäche sind von dieser Komplikation betroffen. Eine HSV-Enzephalitis äußert sich durch Symptome wie
- Einschränkung der Sprachfunktion,
- Fieber,
- Verhaltensänderung,
- Verwirrtheit,
- Desorientierung,
- Wahrnehmungsstörungen,
- veränderte Geruchsempfindung,
- Nackensteifigkeit,
- Krampfanfälle,
- Koma.
Herpes-Enzephalitis wird durch Gen-Mutation ausgelöst
Im Rahmen der Studie analysierte das Forschungsteam die genetischen Informationen eines jungen Patienten mit Immunschwäche, der im Alter von neun Monaten mit Herpes-Enzephalitis in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Dabei stießen die Forschenden auf die Ursache für die seltene Komplikation: eine Mutation in dem Gen GTF3A beeinträchtigt das angeborene Immunsystem.
Die Mutation könnte der Arbeitsgruppe zufolge als Marker dienen, um Personen mit einem hohen Risiko für Herpes-Enzephalitis zu identifizieren. Das Team gibt aber zu bedenken, dass diese Art der Mutation im Allgemeinen sehr selten ist.
Warum GTF3A-Mutationen Enzephalitis auslösen
Wie die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklären, beeinflussen GTF3A-Mutationen die Art und Weise, wie Zellen auf virale Aktivitäten reagieren. Dies führt zu einer Verkettung von Prozessen, die letztlich eine unkontrollierte Immunreaktion gegen Herpesviren verursachen, wodurch die Gehirnentzündung ausgelöst wird.
„Diese Informationen geben uns einen unschätzbaren Einblick in die grundlegenden molekularen Prozesse, die unsere Immunreaktion steuern, und eröffnen Möglichkeiten für die künftige Erforschung der Folgen schwerer Krankheiten“, kommentiert die leitende Forscherin Dr. Michaela Gack.
Erkenntnisse auch wichtig für andere Viruserkrankungen
Die neu entdeckten genetischen Pfade könnten laut der Studie auch hilfreich sein, um ungewöhnliche Immunreaktionen auf andere Viren wie das Epstein-Barr-Virus zu verstehen, das mit der Entstehung von Krebs und Multipler Sklerose in Verbindung steht.
„Das Verständnis der molekularen Prozesse, die der antiviralen Reaktion zugrunde liegen, ist der Schlüssel zur Behandlung oder möglicherweise zur Vorbeugung schwerer Virusinfektionen, die das Leben von Patienten und Familien verändern“, resümiert Dr. Gack. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Cleveland Clinic Researchers Collaborate with International Team to Uncover How the Body Responds to Life-Threatening Disease from Herpes Simplex Virus 1 (veröffentlicht: 30.11.2022), newsroom.clevelandclinic.org
- Leslie Naesens, Santoshi Muppala, Dhiraj Acharya, et al.: GTF3A mutations predispose to herpes simplex encephalitis by disrupting biogenesis of the host-derived RIG-I ligand RNA5SP141; in: Science Immunology (2022), science.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.