BGH macht Ausnahme bei treuewidrigem Verhalten
Karlsruhe (jur). Patienten müssen einen hohen Eigenanteil einer Zahnbehandlung im Einzelfall auch dann bezahlen, wenn sie den Behandlungsvertrag nicht unterschrieben haben. Nach einem am Dienstag, 29. November 2016, veröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe gilt eine solche Ausnahme dann, wenn der Patient die Behandlung gewünscht hat und das Fehlen der Unterschrift in der Praxis nur leicht Fahrlässig nicht bemerkt wurde (Az.: III ZR 286/15).
Im konkreten Fall benötigte die Patientin zahnprothetische Leistungen. Die Zahnärztin besprach mit ihr zwei Behandlungsvarianten und gab der Patientin entsprechend zwei Heil- und Kostenpläne samt Behandlungsvertrag nachhause mit. Der erste Plan sah nur die medizinisch notwendigen Leistungen ohne Eigenanteil vor. Der Zweite berücksichtigte mehrere von der Patientin gewünschte ästhetische Leistungen, insbesondere Keramikverblendungen; der voraussichtliche Eigenanteil sollte hier 6.840 Euro betragen.
Die Patientin reichte nur den teuren Plan bei ihrer Krankenkasse ein und brachte ihn genehmigt in die Praxis zurück. Den beiliegenden Behandlungsvertrag hatte sie nicht unterschrieben, was den Praxismitarbeiterinnen aber versehentlich entging.
Die Zahnärztin behandelte entsprechend dem zweiten Plan; der Eigenanteil lag letztlich bei 3.860 Euro. Auch nach mehrfacher Mahnung bezahlte die Patientin dies nicht. Schließlich habe sie ja den Behandlungsvertrag nicht unterschrieben.
Wie nun der BGH entschied, muss sie die Rechnung dennoch bezahlen.
Zwar betonten die Karlsruher Richter den besonderen Schutzzweck eines Heil- und Kostenplans. Dieser solle zuverlässig über die voraussichtlichen Kosten informieren und Patienten von einer übereilten Honorarvereinbarung abhalten. Zahnärzte könnten sich daher allenfalls in eiligen Notfällen auf eine „Geschäftsführung ohne Auftrag“ berufen, wenn sie ohne Unterschrift eine Behandlung beginnen. Ausnahmen von den geltenden Formvorschriften seien nur ausnahmsweise zulässig.
Im konkreten Fall sah der BGH eine solche Ausnahme gegeben. Die Patientin könne sich nicht auf die fehlende Unterschrift berufen. Damit verstoße sie gegen Treu und Glauben. Nach den unbestrittenen Feststellungen des Amtsgerichts Wuppertal sei die Patientin umfassend beraten worden und habe sich danach bewusst für die teurere Behandlung entschieden. Entsprechend habe sie nur diesen Heil- und Kostenplan bei ihrer Krankenkasse genehmigen lassen und danach in der Praxis eingereicht. Erst nach Abschluss der Behandlung habe sie sich auf die Nichteinhaltung der Schriftform berufen.
Dies sei eine „schwere Treuepflichtverletzung“, betonte der BGH in seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 3. November 2016. mwo
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