Bewegungsmangel: Zu viel Sitzen schadet den Gelenken
Gerade während der Corona-Pandemie bewegen sich viele Menschen in Deutschland zu wenig und sitzen zu viel. Ein vorrangig sitzender Lebensstil kann jedoch die Gesundheit gefährden und schadet unter anderem den Gelenken. Zudem kann er Arthrose begünstigen. Fachleute erklären, was dagegen unternommen werden kann.
Die COVID-19-Pandemie geht in den zweiten Winter. Der damit häufig verbundene, betont bewegungsarme sitzende Lebensstil schadet dem Bewegungsapparat: „Durch das stundenlange Verharren in der Sitzposition mit gebeugtem Hüft- und Kniegelenk verspannen und verkürzen sich die beteiligten Muskeln, Sehnen und Faszien“, erklärt Professor Dr. med. Karl-Dieter Heller, Präsident der AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. und Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig in einer aktuellen Mitteilung. Das könne langfristig zu einer Fehl- und Überbelastung der Gelenke und zu Gelenkbeschwerden führen.
Erste Zeichen für Fehlbelastungen
Erste Zeichen für Fehlbelastungen sei beispielsweise eine Verstärkung der natürlichen Krümmung der Lendenwirbelsäule, mit Betonung des Bauches (Hohlkreuz). „Das hat nichts mit ein paar Kilos zu viel zu tun“, sagt Heller. Vielmehr sind hier laut dem Experten die Hüftbeuger durch das ständige Sitzen und Verharren in der Beugeposition im Vergleich zur Gesäß- und Bauchmuskulatur verkürzt.
Weil die Hüftbeuger auch am Becken ansitzen, kippen diese das Becken unnatürlich nach vorne. Gleichzeitig verhindern die verkürzten Hüftbeuger das ausgleichende Überstrecken als natürliche Gegenbewegung zur Gelenkentlastung. Sie führen so zu einer weiteren Verkürzung der Hüftbeuger. Ein Teufelskreis, so Heller.
Das trifft auch auf die Knie zu: durch Dauersitzen verkürzen sich die hinteren Muskelgruppen des Oberschenkels. Wenn dieser Zustand länger anhält, lässt sich das Kniegelenk immer schlechter strecken. Die Entlastung durch eine entsprechende Gegenbewegung sei dann dem Orthopäden zufolge ebenfalls nicht mehr möglich, die Gelenke würden einseitig überlastet.
„Eine Gelenkkontraktur ist neben Vererbung, Unfall, Übergewicht und Fehlstellung ein verstärkender Faktor für Gelenkarthrose“, erklärt Heller. „Eine Kombination dieser Faktoren erhöht das Risiko. Im schlimmsten Fall steht am Ende einer solchen Entwicklung ein Gelenkersatz.“
Muskulatur und Bänder täglich dehnen
Um den gesundheitlichen Beschwerden durch Bewegungsmangel und langes Sitzen entgegenzuwirken, sollten Muskulatur und Bänder täglich mehrmals bewusst gedehnt werden. Zudem gelte es, Sitzgelegenheit und Sitzposition oft zu variieren sowie grundsätzlich viel Bewegung in den Alltag zu integrieren.
„Es geht nicht darum, den perfekten Stuhl zu finden oder die ganze Zeit zu stehen“, sagt Heller. „Keine Position, die wir zu lange einnehmen, ist gut für uns.“ Vielmehr seien Regelmäßigkeit sowie Abwechslung wichtig: „Wir sollten jede kleine Unterbrechung im Büroalltag für Dehn- und Kräftigungseinheiten nutzen. Während Ihr Teewasser kocht, können Sie etwa Ihren Psoas – den größten Beugemuskel in unserer Hüfte -, durch einen Ausfallschritt nach vorne dehnen. Jeweils 30 Sekunden pro Seite, drei Wiederholungen“, so der Mediziner.
„Wir dürfen das Dauer-Sitzen nicht zur Gewohnheit werden lassen“, betont Professor Dr. med. Carsten Perka, Generalsekretär der AE. „Wir sind nicht für ein eingesperrtes Leben wie im Zoo gemacht.“ Auch über die Weihnachtstage sollte man täglich mehrmals rausgehen und sich zwischendurch immer mal wieder dehnen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- AE - Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V.: Zweiter Coronawinter: Sitzender Lebensstil schadet Gelenken und kann Arthrose begünstigen, (Abruf: 15.12.2021), AE - Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V.
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.