Gene und Lebensstil: Lebenserwartung steigt
29.12.2014
Die Lebenserwartung der Weltbevölkerung hat deutlich zugenommen. Wie alt ein Mensch wird, hängt von verschiedenen Faktoren, wie etwa dem Lebenswandel oder den Genen ab. Auf ein besonders langes Leben dürfen Menschen hoffen, die in abgelegenen Regionen leben.
Die Menschen leben immer länger
Die Menschen leben weltweit immer länger. Zu diesem Ergebnis kamen kürzlich über 700 Forscher, die eigenen Angaben zufolge die bislang umfassendste und aktuellste Auswertung der jährlichen Sterbefälle für 188 Länder und 240 Todesursachen vorgenommen hatten. Im Fachblatt „The Lancet“ berichteten die Wissenschaftler, dass die Lebenserwartung der Weltbevölkerung in den letzten 15 Jahren insgesamt um gut sechs Jahre von 65,3 auf 71,5 Jahre gestiegen sei. Allerdings gibt es bei diesem Plus regional als auch zwischen den Geschlechtern teilweise gravierende Unterschiede.
Todesfälle durch Durchfall halbiert
„Es ist ein sehr ermutigender Trend, dass die Menschen heute so viel länger leben“, erklärte Christopher Murray von der University of Washington in Seattle, der die „Global Burden of Disease Study“ (GBD) geleitet hat. Insbesondere die Armutsgürtel der Erde würden profitieren. Mittlerweile sterben deutlich weniger Menschen etwa an Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder Masern. Und im Vergleich zu 1990 starben 2013 weltweit 51 Prozent weniger Menschen an Durchfall. „Für die Menschen heutzutage ist es unwahrscheinlicher als für ihre Eltern, an bestimmten Krankheiten zu sterben“, so Murray. Eine Ausnahme stellen jedoch die afrikanischen Länder südlich der Sahara dar, wo die Lebenserwartung in der gleichen Zeit um ca. fünf Jahre sank, hauptsächlich durch die weiterhin starke Verbreitung der Immunschwächekrankheit Aids.
Viele über Hundertjährige in ehemals abgeschotteten Regionen
In einem aktuellen Beitrag wirft die „Welt“ die Frage auf, warum die Unterschiede der gesteigerten Lebenserwartung in den Regionen und zwischen den Geschlechtern unterschiedlich ausfallen. Eine Verbesserung der medizinischen Versorgung und der hygienischen Verhältnisse, die mit einer gesteigerten Lebenserwartung in Zusammenhang stehen, können das Phänomen nicht eindeutig erklären. Denn in Ländern, die Spitzenplätze einnehmen, wie die Schweiz, Andorra oder Japan hat sich in den letzten Jahren nicht so viel verändert. Warum werden also Frauen aus Andorra mit durchschnittlich 86,7 Jahren gut 3,5 Jahre älter als die Frauen in Deutschland? Und warum leben Japaner länger als Deutsche? Wie die „Welt“ schreibt liegt dies nicht an einer besseren Medizin, sondern offenbar treiben andere Faktoren die Lebenserwartung in die Höhe. Es sei bemerkenswert, dass es überall dort viele über Hundertjährige gibt, wo sich Gesellschaften in den vergangenen Jahrhunderten abgeschottet und sich erst in den letzten Jahrzehnten geöffnet haben. Beispielsweise in Andorra oder in Bergdörfern der Schweiz oder auf Inseln wie Sardinien.
Gene spielen eine wichtige Rolle
„Gesundes Altern wird zu einem erheblichen Maße vererbt“, sagte Claudio Franceschi von der Universität in Bologna laut der „Welt“. Isolierte Gesellschaften können nicht nur Krankheitsgene, sondern auch Altersgene anhäufen. In den abgelegenen Regionen wurden diese weniger durch Paarungen mit anderen Menschen, die keine Altersgene hatten, aus den Stammbäumen herausgewürfelt. Demnach spielte die Selektion im Sinne des „survival of the fittest“ hier keine Rolle, da es für den Erhalt der Art ohne Bedeutung ist, ob ein Mensch nach seiner Fortpflanzung 70 oder 90 Jahre alt wird.
Lebensstil wesentlich für Lebenserwartung
Der Lebensstil spielt eine wichtige Rolle bei der Lebenserwartung. Um dies zu verdeutlichen, greift die „Welt“ auf ein skurriles Beispiel aus Großbritannien zurück. Forscher der Universität Bristol hatten herausgefunden, dass "das Sterberisiko für einen Mann, der sich täglich rasiert, um gut ein Drittel sinkt". Das liegt jedoch nicht am Rasieren, sondern daran, dass "die regelmäßigen Rasierer häufiger in festen Beziehungen lebten und seltener rauchten". Routine und Disziplin halten demnach gesund. Der Psychologe Howard Friedman, der über Jahrzehnte hinweg die Persönlichkeitsmerkmale von 1.500 Männern und Frauen mit deren Sterbequoten verglich, kam zu einem ähnlichen Schluss: „Wer sparsam, beharrlich, detailorientiert und verantwortungsvoll ist, lebt am längsten.“
Auf Alkohol, Rauchen und rotes Fleisch verzichten
Wie viel Lebenszeit welcher Lebenswandel kostet, haben vor wenigen Monaten auch Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg in einer Studie errechnet. Wer die Finger von Zigaretten lässt, auf Alkohol und auf rotes Fleisch verzichtet sowie Übergewicht vermeidet, kann bis zu 17 Jahre länger leben, so ihr Fazit. Dies unter anderem deshalb, da Rauchen das Risiko für Krankheiten wie Lungenkrebs, Herzinfarkt und Schlaganfall enorm erhöht, übermäßiger Alkoholkonsum Erkrankungen wie Fettleber oder Gastritis begünstigt und der Verzehr von rotem Fleisch mit erheblichen gesundheitlichen Risiken wie etwa einer Erkrankung an Bauchspeicheldrüsenkrebs, Blasenkrebs oder Diabetes in Zusammenhang gebracht wird. Das Diabetes-Risiko ist zudem bei Menschen mit starkem Übergewicht (Adipositas) deutlich erhöht. Und indem man solche Gefahren minimiert, steigt auch die Lebenserwartung.
Büroalltag nicht in der Evolution vorgesehen
Wie die „Welt“ weiter berichtet, verkürzen auch langes Sitzen und Bewegungsmangel das Leben. Die Zeitung thematisiert dafür eine US-Studie, die zeigte, dass Männer, die täglich sechs Stunden oder mehr saßen, eine um 20 Prozent höhere Sterberate als die Bis-zu-drei-Stunden-Sitzer entwickelten. Bei Frauen stieg die Rate sogar um 40 Prozent.James Levine von der Mayo-Klinik in Rochester meint, dass Sitzen für den Menschen Stress bedeutet. „Wir besitzen schlichtweg nicht die Voraussetzungen dafür.“ Der Büroalltag sei in der Evolution nicht vorgesehen gewesen. Der Experte greift bei der Erklärung auf Steinzeitmenschen zurück, die, wenn überhaupt, nur im Fersensitz gesessen hätten. „Als dann jedoch im Zuge der Zivilisation spezielle Sitzmöbel eingeführt wurden“, so Levine, „konnte er plötzlich extrem lange und extrem passiv sitzen bleiben.“
Skeptisch-pessimistische Einstellung senkt Sterberisiko
Die hohe Zahl der über Hundertjährigen auf Sardinien könnte auch mit deren „pessimistischem Verstand“ zusammenhängen, also einer vorsichtigen Skepsis, die Menschen davor bewahrt, sich in trügerischen Hoffnungen zu verlieren. Wie die „Welt“ schreibt, konnte Frieder Lang von der Universität Erlangen-Nürnberg mit Kollegen aus der Schweiz nachweisen, dass eine solche skeptisch-pessimistische Einstellung das Sterberisiko um zehn Prozent senkt. Demnach ermunterten pessimistische Zukunftserwartungen eher dazu, „noch besser auf die eigene Gesundheit zu achten und sich vor Gefahren zu schützen“, so Lang. Außerdem gingen Pessimisten sparsam mit ihren Kräften um und erschöpften sich nicht im Erreichen unrealistischer Ziele.
Senioren sollten keinen Geburtstag feiern
Ein weiteres skurriles Beispiel zeigt, welchen Einfluss Alltägliches auf die Lebenserwartung haben kann: "Das Geburtstagsfeiern". Demnach haben Forscher der Universität Zürich anhand von Sterbedaten von mehr als zwei Millionen Menschen errechnet, dass das Risiko für das eigene Ableben am Geburtstag um 14 Prozent und bei Frauen über 60 Jahre sogar um 20 Prozent nach oben springt. Als Ursachen werden "Infarkte, Schlaganfälle und Stürze" genannt. Zudem sei die Wahrscheinlichkeit, dass "ein Mensch an seinem Geburtstag Suizid begeht, um 35 Prozent erhöht". Ein Grund dafür könnte Studienleiterin Vladeta Ajdacic-Gross zufolge der erhöhte Alkoholkonsum sein. Zudem sei das Feiern des eigenen Geburtstages für viele Senioren auch ein nervenzehrender Stress. (ad)
Bild: Uschi Dreiucker / pixelio.de
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