Erbliche Ursachen der Nahrungsmittelallergie im Kindesalter
Immer mehr Menschen in Deutschland reagieren allergisch auf bestimmte Lebensmittel, unter ihnen auch viele Kinder. Hühnereier, Kuhmilch und Erdnüsse sind hierzulande die häufigsten Auslöser von Nahrungsmittelallergien bei Kindern. Forscher haben nun mehr Klarheit zu den erblichen Ursachen solcher Allergien gewonnen.
Lebensmittelallergien nehmen zu
Nahrungsmittelallergien nehmen seit vielen Jahren zu. Nach Schätzungen des Deutschen Allergie- und Asthmabundes (DAAB) sind hierzulande rund sechs Millionen Menschen betroffen. „Die Hauptauslöser bei Säuglingen und Kindern sind Kuhmilch, Soja, Hühnerei, Weizen, Erdnüsse und Haselnüsse. Jugendliche und Erwachsene reagieren in der Regel häufiger auf rohe Gemüse- und Obstsorten, Nüsse, Fisch, Krebs- und Weichtiere“, heißt es auf der Webseite des DAAB. Forscher haben nun mehr Erkenntnisse dazu gewonnen, welche Rolle Gene für solche Allergien spielen.
Die häufigsten Auslöser von Nahrungsmittelallergien bei Kindern
Etwa fünf bis acht Prozent aller Kinder leiden an Nahrungsmittelallergien. Sie treten zumeist in den ersten Lebensjahren auf und machen sich durch juckenden Hautausschlag und Gesichtsschwellungen kurz nach der Nahrungsaufnahme bemerkbar.
Lebensmittelallergien können aber auch schwere allergische Reaktionen mit Atemnot, Erbrechen oder Durchfall verursachen: Sie sind die häufigste Ursache von Anaphylaxien im Kindesalter. Es handelt sich dabei um die schwerste Form einer allergischen Sofortreaktion, die tödlich verlaufen kann.
In Deutschland sind Hühnerei, Kuhmilch und Erdnuss die häufigsten Auslöser von Nahrungsmittelallergien bei Kindern. Im Gegensatz zu Allergien gegen Kuhmilch und Hühnerei, die oft innerhalb weniger Jahre wieder verschwinden, bleibt die Erdnussallergie meistens bestehen.
Für Betroffene bedeutet das, dass sie ein Leben lang eine strenge Diät einhalten und Notfallmedikamente bei sich tragen müssen.
Erbliche Faktoren spielen eine große Rolle
Die Ursachen von Nahrungsmittelallergien sind komplex und beruhen auf einem Zusammenspiel von Erbgut und Umwelt.
„Aufgrund von Zwillingsstudien vermuten wir, dass das Risiko einer Nahrungsmittelallergie zu etwa 80 Prozent von erblichen Faktoren bestimmt wird“, erklärte Prof. Young-Ae Lee vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin in einer Mitteilung.
„Aber bislang ist noch wenig über die genetischen Risikofaktoren bekannt“, so die Wissenschaftlerin, die auch Leiterin der Hochschulambulanz für Pädiatrische Allergologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, ist.
Studie zeichnet sich durch gesicherte Krankheitsdiagnose aus
In einer genomweiten Assoziationsstudie hat ihr Team rund 1.500 Kinder mit Nahrungsmittelallergien aus Deutschland und den USA untersucht.
Dabei haben die Wissenschaftler mehr als fünf Millionen erbliche Varianten, sogenannte SNPs, bei jedem Studienteilnehmer untersucht und ihre Häufigkeit mit der in Kontrollpersonen verglichen.
An der Studie, die im Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht wurde, waren Wissenschaftler aus Berlin, Frankfurt, Greifswald, Hannover, Wangen und Chicago beteiligt.
Wie es in der Mitteilung heißt, zeichnet sich die wissenschaftlich Arbeit nicht nur durch ihre Größe, sondern auch durch die gesicherte Krankheitsdiagnose aus.
Viele Nahrungsmittelallergien sind keine
Im Gegensatz zu anderen Studien wurde die Diagnose der Nahrungsmittelallergie durch einen Provokationstest bestätigt.
Dabei handelt es sich um ein aufwändiges Verfahren, bei dem der Patient in einer Klinik in Notfallbereitschaft das verdächtige Nahrungsmittel in kleinen Mengen zu sich nimmt, um zu überprüfen, ober er allergisch reagiert.
„Aus der Praxis wissen wir, dass bis zu 80 Prozent der vermuteten Nahrungsmittelallergien keine sind. Oft handelt es sich um Unverträglichkeiten und keine Allergien“, sagte Prof. Lee.
In dieser Studie wurden insgesamt fünf Genorte für Nahrungsmittelallergien gefunden.
Vier von ihnen zeigen eine starke Übereinstimmung mit bekannten Genorten für Neurodermitis und Asthma, aber auch mit anderen chronisch entzündlichen Erkrankungen, wie Morbus Crohn, Schuppenflechte (Psoriasis) sowie mit Autoimmunerkrankungen.
Ausgangsbasis für die Entwicklung besserer diagnostischer Tests
Als spezifischer Genort für Nahrungsmittelallergien identifizierte das Team um Lee das SERPINB-Gencluster auf Chromosom 18. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von zehn Vertretern der „Serinproteasehemmer“.
Die Gene dieser Gruppe werden vor allem in der Haut sowie in der Schleimhaut der Speiseröhre exprimiert. Die Wissenschaftler vermuten daher, dass sie dort für die Intaktheit der epithelialen Barrierefunktion von Bedeutung sind.
Ein weiterer wichtiger Befund der Studie ist, dass vier von fünf identifizierten Genorten mit allen Nahrungsmittelallergien assoziiert sind. Lediglich der für die Erdnussallergie spezifische HLA-Genort scheint hier eine Ausnahme zu bilden.
Die Studie ist laut den Wissenschaftlern eine Ausgangsbasis für die Entwicklung besserer diagnostischer Tests für Nahrungsmittelallergien und für die weitere Erforschung ihrer ursächlichen Mechanismen und möglicher Therapien.
Eltern sollten auf die unbegründete Vermeidung von Nahrungsmitteln verzichten und sich beim Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie an einen Spezialisten wenden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.