Gentests sollen kranken Babys helfen
12.03.2014
In den USA kommen jedes Jahr tausende todkranke Kinder zur Welt. Das Nationale Gesundheitsinstitut unterstützt nun Projekte, um die Chancen und Risiken von Gensequenzierungen von Neugeborenen abzuschätzen. Gentests könnten manchen kranken Kindern helfen.
Gefährlich niedriger Blutzuckerspiegel
Verschiedenen Presseberichten zufolge war Kira Walker gerade drei Wochen alt, als ihre Mutter feststellte, dass etwas mit ihrem Baby nicht stimmt, da es immer hungrig war. Der Kinderarzt diagnostizierte einen gefährlich niedrigen Blutzuckerspiegel, der auf Dauer zu Hirnschädigungen führen könne. Als alle Therapien fehlschlugen, riet der Arzt den Eltern, das Mädchen genetisch untersuchen zu lassen. Das taten sie auch und zwei Tage später lag das Testergebnis des kompletten Genoms vor. Demnach hatte das Mädchen eine Mutation von seinem Vater geerbt, welche die Insulinproduktion beeinträchtigt. Jedoch trugen nicht alle Zellen diese Veränderung. Die Folge war, dass ihr die Hälfte der Bauchspeicheldrüse entfernt wurde und ein halbes Jahr nach dem Eingriff war das Mädchen gesund.
Manchen Kindern hätten eventuell Gentests helfen können
In den USA kommen jährlich tausende todkranke Kinder zur Welt. Viele sterben, bevor Ärzte feststellen konnten, woran sie leiden. Manchen hätte eventuell ein Gentest helfen können. Laut „Die Welt“ hat nun das Nationale Gesundheitsinstitut der USA vier Projekte an zwei Universitäten und zwei Krankenhäusern, darunter auch die Kinderklinik, welche Kira behandelte, mit fünf Millionen US-Dollar (rund 3,6 Millionen Euro) ausgestattet, um die Chancen und Risiken von Gensequenzierungen von Neugeborenen abzuschätzen. In einem Bostoner Krankenhaus etwa sollen 400 Babys genetisch untersucht werden, die anscheinend völlig gesund geboren werden. Die Forscher wollen dann im Alter von fünf Jahren sehen, ob das Wissen um die genetische Veranlagung die Entwicklung und Behandlung der Kinder im Vergleich zu Kindern beeinflusst hat, die nur Routineuntersuchungen unterzogen wurden.
Universitäten wollen sich mit ethischen und juristischen Fragen befassen
In erster Linie wollen sich die Universitäten mit ethischen und juristischen Fragen befassen. Etwa, wie eine umfassende genetische Beratung der Eltern aussehen soll, wer Zugang zu hochsensiblen Daten haben darf oder was Eltern mit dem Wissen anfangen, dass ihre Kinder Genmutationen in sich tragen? Wissen um Defekte, von denen sich nicht alle behandeln lassen oder von denen heute noch niemand weiß, welche Krankheiten sie möglicherweise zur Folge haben werden? Ein Problem dabei sei, dass oft ein Wissen entsteht, welches psychologisch belastet, das aber kein sinnvolles Tun eröffnet.
Humangenetiker warnt vor zu großen Hoffnungen
Laut Presseberichten glaubt der Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin, Hans-Hilger Ropers, dennoch, dass die Genomsequenzierung speziell von Neugeborenen ein richtiger Schritt sei: „Da wird ein Kind mit Fehlbildungen geboren, die zum Teil operativ korrigiert werden. Doch dann kommt es zu extremen Gedeihstörungen, man stellt alles Mögliche an, um das Kind am Leben zu halten, aber schließlich versagt die Leber.“ In einem solchen Fall hätte eine Genanalyse vielleicht geholfen, rascher eine Antwort zu finden. Auch wenn der Humangenetiker gute Gründe für Gentests sieht, so warnt er doch vor zu großen Hoffnungen: „Der Prozentsatz behandelbarer genetischer Defekte ist bis heute gering.“
Einsatz von Gentests in vergangenen Jahren deutlich ausgeweitet
In den vergangenen Jahren wurde der Einsatz von Gentests deutlich ausgeweitet. Der Deutsche Ethikrat hat letztes Jahr in einer Pressemitteilung erläutert: „Durch sinkende Kosten und schnellere Analysen sowie durch Diagnostik-Angebote, die sich über das Internet direkt an den Kunden wenden, haben immer mehr Menschen Zugang zu genetischer Diagnostik.“ Der Sachverständigenrat hat insgesamt 23 Empfehlungen zur Gendiagnostik abgegeben, in denen er unter anderem „Verbesserungen bei der Information der Bevölkerung sowie der Aus-, Fort- und Weiterbildung der im Gesundheitswesen Tätigen zu verfügbaren Gentests, ihrer Bedeutung und Aussagekraft“ fordert. Außerdem seien Änderungen des Gendiagnostikgesetzes erforderlich, „um angesichts der neuen Entwicklungen hohe Standards bei der Aufklärung und Beratung zu garantieren.“ (sb)
Bild: Gabi Schoenemann / pixelio.de
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