Gentherapie verbessert Hörprothesen
26.04.2014
Zehntausende Deutsche haben ein Cochlea-Implantat. Diese Hörprothese hilft Gehörlosen, deren Hörnerv noch funktioniert. Wie Wissenschaftler im australischen Sydney nun herausgefunden haben, könnte eine Gentherapie diese Geräte weiter verbessern.
Hörverlust zählt zu den häufigsten Sinneseinbußen
Hörverlust, bedingt durch Alter, Lärm oder genetische Ursachen, zählt zu den häufigsten Sinneseinbußen. Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sind weltweit rund 360 Millionen Menschen davon betroffen. Wenn der Hörnerv noch intakt ist, kann ein Implantat für die Cochlea, die Hörschnecke, helfen. Dabei wird hinter der Ohrmuschel ein Elektrodenträger in das Innenohr eingesetzt. Bei dem seit mehr als drei Jahrzehnten angewandten Verfahren wird Schall in elektrische Impulse umgewandelt, die der Hörnerv an das Gehirn weiterleitet. Dadurch kann der Träger Geräusche hören und vor allem Sprache verstehen. Allerdings bleiben ihnen akustische Feinheiten verwehrt. Dies soll nun eine neue Gentherapie ändern.
Gehörprothesen-Trägern entgeht die Freude an Musik
Wie Gary Housley von der University of New South Wales in Sydney erklärte, könnten Leute mit Cochlea-Implantaten „Gesprochenes gut verstehen, aber ihre Wahrnehmung von Tonhöhen kann so schlecht sein, dass ihnen die Freude an Musik entgeht.“ Bereits vorher bekannt war, dass der Wachstumsfaktor BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) Nervenzellen dazu anregt, Richtung Cochlea-Implantat zu wachsen. Die Träger der Hörprothesen könnten so akustische Reize in Zukunft sensibler wahrnehmen, etwa bei Musik. Dies berichteten die Forscher in einer Studie im Fachblatt „Science Translational Medicine“, die von dem Implantat-Hersteller Cochlear Limited mitfinanziert wurde.
Meerschweinchen reagierten nach Behandlung empfindlich auf Geräusche
Allerdings konnten Forscher das Gen für die Bildung von BDNF bislang kaum in das Gewebe einschleusen. Housley und seine Kollegen verwendeten dazu nun bei Meerschweinchen die sogenannte Elektroporation, wobei elektrische Impulse die Zellmembran durchlässig machen, so dass das Gewebe neue DNA-Teile aufnehmen kann. Die Tiere reagierten den Wissenschaftlern zufolge nach der Behandlung besonders empfindlich auf Geräusche. Die BDNF-Produktion habe zwar nach drei bis sechs Wochen wieder nachgelassen, Housley glaubt aber, dass sie sich über die Aktivität des Cochlea-Implantats aufrechterhalten ließe. Wie die Forscher betonten, sei die Elektroporation selbst einfach. „Wir halten es für möglich, dass diese Gentherapie die Transplantation in Zukunft nur um ein paar Minuten verlängert“, so Erstautor Jeremy Pinyon. „Der Chirurg, der das Gerät einsetzt, injiziert die DNA-Lösung in die Cochlea und feuert nach dem Einsetzen elektrische Impulse, um den DNA-Transfer auszulösen.“
Noch viele Fragen offen
Andere Wissenschaftler meinen jedoch, dass es noch viele Unklarheiten gebe. So schreiben Robert Shepherd und Andrew Wise von der University of Melbourne in einem Kommentar, dass etwa noch Fragen nach der Dauer der Wirkung oder der optimalen Elektroporation offen seien. Das Verfahren biete sich grundsätzlich aber auch für andere Anwendungen an, beispielsweise um beschädigte Nerven zu stimulieren, bei Netzhautprothesen oder bei der Tiefen Hirnstimulation, welche vor allem gegen die Parkinson-Krankheit angewendet wird. Elektrische Impulse sollen dabei in einer bestimmten Hirnregion verhindern, dass Zellverbände krankhaft im Gleichtakt feuern und so Symptome wie Steifheit oder Zittern auslösen. Es müsse aber zunächst sichergestellt werden, inwiefern die Methode beim Menschen funktioniert.
Hören ist wesentlicher Teil der sozialen Bezüge eines Menschen
Millionen Menschen leiden weltweit an Schwerhörigkeit. Mehr als 320.000 Kinder und Erwachsene mit Innenohrschwerhörigkeit würden es einem Cochlea-Implantat verdanken, das sie die Außenwelt akustisch wahrnehmen können. Einige Zehntausend von ihnen in Deutschland. Wie wichtig dies ist, zeigt sich, wenn man sich vor Augen führt, das Hören einen wesentlichen Teil der sozialen Bezüge eines Menschen einnimmt. So leiden Schwerhörige und Gehörlose häufig an Vereinsamung und Depressionen, da ihnen ein wesentliches Mittel zur Kommunikation fehlt. (ad)
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.