23.06.2012
Das Verfahren hatte für viel Wirbel gesorgt. Der Bundesgerichtshof sollte darüber entscheiden, ob Geschenke von Pharmakonzernen an Ärzte strafbar sind. Viele hatten gehofft, dass das Gericht endlich einen Rigel vor das korrupte Verhalten in der Gesundheitsbranche schiebt. Doch der Bundesgerichtshof kam zu dem Schluss, dass freiberufliche Ärzte nicht wegen Bestechlichkeit verurteilt werden können, da sie weder Angestellte noch Funktionsträger der Krankenkassen seien.
Richter sehen Gesetzgeber in der Pflicht
„Korruptes Verhalten von Kassenärzten und Mitarbeitern von Pharmaunternehmen" sei nach der derzeitigen Gesetzeslage nicht strafbar, erklärte das Gericht. Vielmehr sei der Gesetzgeber in der Verantwortung zu beurteilen, „ob die Korruption im Gesundheitswesen strafwürdig ist und durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung ermöglicht werden soll". Damit brachte die Grundsatzentscheidung (Az.: GSSt 2/11) des Bundesgerichtshofs nicht die von vielen Seiten erhoffte Reglementierung der fragwürdige Vereinbarungen im Gesundheitswesen.
Nach Ansicht der Richter scheide „der § StGB aus, weil Kassenärzte gemäß § Abs. SGB V insbesondere bei der Verordnung von Arzneien nicht als Amtsträger im Sinne von Abs. Nr. 2 StGB handelten.“ Zwar seien die gesetzlichen Krankenkassen Stellen der öffentlichen Verwaltung und erfüllen Aufgaben „nach dem Sozialstaatsgrundsatz im hohen Maße“, dennoch sind Ärzte mit Kassenvertrag jedoch nicht dazu bestellt, „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zu übernehmen.“ Vielmehr sind die Ärzte freiberuflich tätig und keine Angestellten oder Funktionsträger öffentlicher Behörden. Die Versicherten können vielmehr eine freie und individuelle Auswahl treffen. Demnach unterliegen Behandlungen durch die Ärzte einem persönlichen Vertrauen, die der Bestimmung durch die gesetzlichen Krankenkassen entzogen sei.
Für Michael Späth, Vorsitzender der Vertreterversammlung in der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, ist das Urteil jedoch eine Genugtuung: „Wir Ärzte sind Freiberufler, wir tragen das volle Risiko. Wenn man eine volle Unabhängigkeit wie bei Richtern wollte, müsste man den Ärzten Beamtenpensionen zahlen und dürfte sie nicht so gängeln." Hausärzte würden bereits heute regresspflichtig, wenn sie zu teure Medikamente verschrieben.
Hintergrund der Diskussion ist die gängige Praxis von Pharmakonzernen und Medizintechnikherstellern, Ärzte mit mehr oder weniger großzügigen Geschenken, gut dotierten Auftragsstudien oder Einladungen zu Fachkongressen an Urlaubsorten zu bedenken. (ag)
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