Kassenpatienten sollen in Zukunft nicht länger als vier Wochen auf einen Facharzttermin warten
17.12.2014
Die Frage, ob man privat oder gesetzlich krankenversichert ist, war in letzter Zeit zunehmend in den Fokus der Politik geraten. Bei Tests wurde festgestellt, dass gesetzlich Versicherte in der Regel deutlich länger auf einen Facharzttermin warten müssen als Privatpatienten, bis zu 24 Tage. Dem will die Große Koalition in Berlin nun mit dem heute beschlossenen Entwurf zum Versorgungsstärkungsgesetz entgegensteuern.
Künftig sollen Patienten, die eine Überweisung zum Facharzt haben, bei einer Servicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung binnen vier Wochen einen Termin bei einem entsprechenden Facharzt vermittelt bekommen. Klappt dies nicht, sollen sie alternativ in einem Krankenhaus ambulant untersucht und behandelt werden. So soll den Versicherten geholfen werden, ohne den Ärzten die Verantwortung zu entziehen. Dabei sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen in der Rolle der Ärztevertretung Servicestellen einrichten, in denen den Patienten dann die Termine vermittelt werden.
Kritiker befürchten Mehrkosten und Mehrarbeit
Wie erwartet gibt es heftige Kritik an dem Entwurf. "Im Ergebnis werden die Terminservicestellen die Ärzte vor allem Geld und Zeit kosten", sagt Thomas Kriedel, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Und er konkretisiert seine Aussage am Beispiel Westfalen-Lippe, wo pro Quartal rund 1,7 Millionen Facharztüberweisungen ausgestellt werden. "Wenn davon auch nur zehn Prozent über eine Servicestelle vermittelt werden müssen, entsteht uns ein Personal-Mehraufwand von mehr als 3,6 Millionen Euro", rechnet er vor.
Ein großes Problem sieht er auch in der Dokumentationspflicht der „medizinischen Dringlichkeit“ von Überweisungen. Sie würden genau wie die Meldepflicht über freie Kapazitäten der Fachärzte einen deutlichen Mehraufwand für die Mediziner bedeuten. Er geht dabei allein in Westfalen-Lippe von ca. 70 000 Arbeitsstunden Mehrarbeit aus, die durch die Einrichtung des Systems der Servicestellen entstehen.
Freie Arztwahl nicht möglich
Kritik kommt auch von der Verbraucherseite. Grundsätzlich begrüße die Verbraucherzentrale eine kassenübergreifende Koordination von Facharztterminen. "Aber die Patienten müssen sich mit dem Arzt zufriedengeben, der ihnen angeboten wird", erklärt Christiane Grote von der Verbraucherzentrale NRW. Ein Anspruch auf einen bestimmten Facharzt gebe es nicht. Genau hier setzt die Kritik der Verbraucherschützer an: "Viele Patienten haben aber zu ihnen bekannten Ärzten ein besonderes Vertrauensverhältnis", erklärt Grote. Zwar ist die Nutzung der Servicestellen nicht zwangsverpflichtend, Patienten können es immer noch auf eigene Faust versuchen einen Termin beim Facharzt ihres Vertrauens zu bekommen. Wer den Termin aber wirklich schnell brauche, könne nicht wählerisch sein. Ob das Gesetz floppt, hinge auch stark davon ab, wie die Umsetzung im Detail aussieht. So stelle sich z.B. die Frage, wie weit ein vermittelter Facharzt vom Patienten entfernt sei und nach welchen Kriterien die „medizinische Dringlichkeit“ festgestellt werden soll. "Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Terminservicestellen zu Papiertigern werden", sagt Grote.
Gesundheitsminister Gröhe dagegen hatte dazu erwartungsgemäß eine andere Sichtweise. Er sprach im Zusammenhang mit dem Versorgungsstärkungsgesetz von „bestmöglicher Versorgung“. „Dazu zählt auch, dass wir über Terminservicestellen für gesetzlich Versicherte eine zeitnahe Vermittlung eines Facharzttermins sicherstellen“, so Gröhe in einem heute veröffentlichten Statement zum Gesetzesentwurf. Auf die seit Wochen schwelende Kritik an dem Gesetzesentwurf ging er in seiner Rede zur Verabschiedung desselben nicht ein. Auch über die konkrete Umsetzung machte er keine detailliierten Angaben. Man darf also weiter gespannt bleiben. (jp)
Bild: Andrea Damm / pixelio.de
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