Der vom Robert Koch-Institut (RKI) heute vorgestellte Bericht „Gesundheit in Deutschland“ gibt einen Überblick über den Stand und die Entwicklung der Gesundheit der Menschen. Der Bericht ist Teil der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, die am RKI angesiedelt ist. Eine breite Datenbasis wurde einbezogen, aktuelle Daten und Trendanalysen wurden zusammengestellt. In der
Zusammenschau lassen sich übergreifende Entwicklungen erkennen, die für alle betrachteten Bereiche von Bedeutung sind: vom Erkrankungsspektrum über die Verteilung von Risikofaktoren bis hin zur Prävention und Versorgung.
Wie steht es um unsere Gesundheit?
Die Gesundheit und Versorgung in Deutschland werden derzeit von zwei großen Entwicklungen bestimmt: dem demografischen Wandel und dem starken Einfluss der sozialen Lage auf die Gesundheit. Etwa drei Viertel der Frauen und Männer in Deutschland bewerten ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut. Das ist besonders erfreulich mit Blick auf die Lebenserwartung, die in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen ist: Heute geborene Mädchen können im Mittel mit 82,7, Jungen mit 77,7 Lebensjahren rechnen. In unserer (alternden) Bevölkerung bestimmen chronische Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, muskuloskelettale Erkrankungen und Diabetes zunehmend das Krankheitsgeschehen. Psychischen Störungen kommt heute mehr Aufmerksamkeit zu. In den letzten Jahrzehnten hat es viele gesundheitliche Verbesserungen gegeben, die – je nach Krankheit in unterschiedlichem Maße – auf Prävention und Früherkennung, Fortschritte in der Therapie und eine bessere Versorgung zurückzuführen sind. Chronische Erkrankungen stellen jedoch nicht nur die Betroffenen und ihre Familien, sondern auch das Gesundheitssystem und die Sozialsysteme vor große Herausforderungen.
Die wichtigsten Erkrankungen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sind weiterhin die häufigste Todesursache: 39,7 % aller Todesfälle gehen darauf zurück. In den letzten Jahrzehnten zeichnet sich jedoch eine positive Entwicklung ab: Sowohl bei Herzinfarkt als auch bei Schlaganfall gibt es weniger Neuerkrankungen. Auch die Sterblichkeit an Koronarer Herzkrankheit, Herzinfarkt und Schlaganfall ist deutlich zurückgegangen.
Auch bei vielen Krebsarten sind Erfolge zu verzeichnen. Zwischen 2001 und 2011 kam es zwar zu einem Anstieg der Neuerkrankungen um etwa 16 %, der aber maßgeblich auf den demografischen Wandel zurückzuführen ist. Für die meisten Krebsarten sind die Sterblichkeitsraten in den letzten Jahren zurückgegangen.
Dies wird mit Fortschritten in der Therapie, für einige Krebsarten auch mit einer frühzeitigeren Entdeckung von Erkrankungen erklärt. Allerdings sterben heute mehr Frauen an Lungenkrebs. Krebserkrankungen sind die zweithäufigste Todesursache in Deutschland (25,0 %). Sorge bereitet die weite Verbreitung von Diabetes mellitus. Bei 7,2 % aller Erwachsenen zwischen 18 bis 79 Jahren ist ein Diabetes mellitus bekannt, das sind etwa 4,6 Millionen Menschen. 2,0 % aller Erwachsenen (ca. 1,3 Millionen Menschen) haben einen unerkannten Diabetes mellitus. Steigende Fallzahlen in den letzten Jahren können nur zum Teil durch die demografische Alterung erklärt werden. Zumindest teilweise könnten sie auf eine verbesserte Früherkennung zurückzuführen sein, möglicherweise aber auch auf die Zunahme lebensstilbedingter Risikofaktoren, insbesondere Adipositas. Folgeerkrankungen des Diabetes, wie Erblindungen und Amputationen, gehen jedoch zurück.
Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems gehören weiter zu den häufigsten und kostenträchtigsten Erkrankungen in Deutschland. Während Arthrose, Osteoporose und Rheumatoide Arthritis mit zunehmendem Alter häufiger auftreten, betreffen Rückenschmerzen oft schon jüngere Menschen. Muskuloskelettale Erkrankungen verursachen die meisten Arbeitsunfähigkeitstage und sind, nach psychischen Störungen, der zweithäufigste Grund für gesundheitlich bedingte Frühberentungen. Infektionen verursachen auch heute noch eine hohe Krankheitslast, auch wenn 2013 nur noch eine Infektionskrankheit unter den zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland rangierte: die Lungenentzündung.
Positiv ist, dass die Tuberkulose in Deutschland seit Jahren kontinuierlich zurückgeht – wenn auch nur noch geringfügig in den letzten Jahren. Die Zahl der Hepatitis-C-Erstdiagnosen ist 2013 im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen, auf rund 5.200. Die Zahl der HIV-Neuinfektionen steigt bereits seit der Jahrtausendwende wieder: 2013 gab es in Deutschland rund 3.300. Kritisch ist eine zunehmende Antibiotikaresistenz bei Tuberkulose und anderen Infektionskrankheiten. Ebenfalls problematisch sind
ungenügende Impfquoten: Bei Masern etwa reichen sie in einigen Regionen Deutschlands nicht aus, um einen so genannten Herdenschutz für einen kleinen Teil Ungeimpfter auszubilden. Wichtig sind zudem Infektionen, die sich Patienten im Zusammenhang mit medizinischen Maßnahmen zuziehen (nosokomiale Infektionen). Pro Jahr infizieren sich schätzungsweise 400.000 bis 600.000 Patientinnen und Patienten
im Krankenhaus. Besonders gefährlich sind Infektionen mit sogenannten multiresistenten Keimen, gegen die viele gängige Antibiotika wirkungslos geworden sind (u. a. Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus, MRSA).
Besondere Aufmerksamkeit erfordern psychische Störungen. Auf Bevölkerungsebene lässt sich bei häufigen Diagnosen wie Angststörungen und Depression kein Anstieg beobachten. Allerdings hat die Zahl der Fehltage und Frühberentungen aufgrund psychischer Störungen in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen. Als Gründe werden Veränderungen in der Arbeitswelt, vor allem aber auch die Enttabuisierung psychischer Krankheitsbilder und die damit verbundene verbesserte Diagnostik diskutiert.
Im Jahr 2013 wurden in Deutschland 682.069 Kinder geboren. 93,7 % der Eltern schätzen die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen als gut oder sehr gut ein. Zu den häufigsten Erkrankungen im Kindes und Jugendalter zählen Allergien, die bei einem Viertel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland schon einmal diagnostiziert wurden. Von Unfällen, die ärztlich behandelt werden müssen, sind jährlich 15,5 % der Kinder und Jugendlichen betroffen. Etwa 0,2 % der 7- bis 17-Jährigen leiden an Diabetes mellitus (überwiegend an Typ 1). Besorgniserregend ist, dass ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen psychische Auffälligkeiten zeigt. Bereits im Kindes- und Jugendalter fallen deutliche Unterschiede im Zusammenhang mit der sozialen Lage auf, insbesondere beim Gesundheitsverhalten, bei gesundheitlichen Risikofaktoren wie Übergewicht und bei psychischen Auffälligkeiten. So ist etwa der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit psychischen Auffälligkeiten bei Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status im Vergleich zu Familien mit hohem Sozialstatus deutlich erhöht (33,5 % vs. 9,8 %).
Was beeinflusst unsere Gesundheit?
Der Gesundheitszustand der Deutschen wird wesentlich durch die Lebensbedingungen (soziale Determinanten) und das Gesundheitsverhalten und damit zusammenhängende Risikofaktoren bestimmt. Zwischen der gesundheitlichen und der sozialen Lage der Bevölkerung besteht ein enger Zusammenhang.
Studien belegen, dass Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status häufiger von Krankheiten, Beschwerden und Behinderungen betroffen sind, die eigene Gesundheit schlechter einschätzen und früher versterben. Frauen mit sehr niedrigem Einkommen haben laut Studienergebnissen eine um acht Jahre geringere Lebenserwartung als Frauen mit hohem Einkommen; bei Männern beträgt der Unterschied elf Jahre. Bereits im Kindes- und Jugendalter ist die Gesundheit durch den sozioökonomischen Status ihrer Herkunftsfamilie geprägt.
In der Arbeitswelt hat sich die gesundheitliche Lage in den letzten Jahrzehnten insgesamt verbessert: Krankheitsbedingte Fehlzeiten und tödliche Unfälle sind bei Erwerbstätigen zurückgegangen. Fehlzeiten durch psychische Erkrankungen haben in den letzten Jahren jedoch erheblich zugenommen. Nach wie vor gibt es in der Gesundheit der Beschäftigten große soziale Unterschiede. Die Zahl der Krankheitstage etwa ist bei Beschäftigten mit niedrigem beruflichem Status deutlich erhöht, was auf die Unterschiede in den körperlichen und psychosozialen Arbeitsbelastungen zurückgeführt wird. Arbeitslose sind beinahe doppelt so häufig krank gemeldet wie Erwerbstätige. Studien deuten auch darauf hin, dass Menschen mit Arbeitslosigkeitserfahrung häufiger verhaltensbezogene Gesundheitsrisiken aufweisen und seltener an Präventionsmaßnahmen teilnehmen: Im Arbeitsumfeld wird der größte Teil der Bevölkerung von solchen Maßnahmen erreicht. Die Gesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund wird primär von den gleichen (sozialen) Determinanten beeinflusst wie die der Mehrheitsbevölkerung. Hinzu kommen migrationsspezifische Besonderheiten, etwa das Herkunftsland, der Grund der Migration, der Aufenthaltsstatus, der Grad der Integration und der kulturelle Hintergrund. Bei der körperlichen Gesundheit zeigen sich insgesamt wenige Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Je nach Infektionslage der Herkunftsländer treten spezifische Risiken bei den Infektionskrankheiten Tuberkulose, HIV und Hepatitis B auf. Leistungen der gesundheitlichen Versorgung nehmen sie insgesamt seltener in Anspruch als Menschen ohne Migrationshintergrund.
Gesundheitsverhalten und assoziierte Risikofaktoren
Eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung können dazu beitragen, Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck zu verhindern und so das Risiko für Herz-Kreislauf- und andere chronische Erkrankungen zu reduzieren. Die Ergebnisse des Ernährungsmonitorings zeigen, dass Erwachsene in Deutschland zu wenig Gemüse, Obst und Fisch verzehren. Erwachsene, Kinder und Jugendliche sind im Durchschnitt aber ausreichend mit den meisten Vitaminen und Mineralstoffen versorgt.
Sportlich aktiv sind zwei Drittel der Erwachsenen und drei Viertel der Kinder, allerdings erreicht nur jeder fünfte Erwachsene und jedes vierte Kind das von der WHO empfohlene Aktivitätsniveau (2,5 Stunden pro Woche bzw. eine Stunde pro Tag für Kinder). Seit Ende der 1990er-Jahre hat die sportliche Aktivität vor allem bei älteren Erwachsenen deutlich zugenommen. Erwachsene mit einem niedrigen sozioökonomischen Status treiben weiterhin vergleichsweise weniger Sport.
Ein ungünstiges Verhältnis zwischen Energieaufnahme und Energieverbrauch kann langfristig zu Übergewicht führen. Vor allem starkes Übergewicht (Adipositas) erhöht das Risiko für viele chronische Krankheiten. Bei Erwachsenen hat sich der Anteil Übergewichtiger in den letzten Jahren auf hohem Niveau
stabilisiert, der Anteil Adipöser ist dagegen vor allem bei jungen Männern deutlich gestiegen. Auch bei Kindern und Jugendlichen hat die Zahl der Übergewichtigen seit den 1990er-Jahren zugenommen, der Anteil Adipöser hat sich sogar verdoppelt. Fast 25 % aller Erwachsenen in Deutschland und etwa 6 % der Kinder und Jugendlichen sind adipös. Die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas folgt einem sozialen Gradienten: Je niedriger der soziale Status, desto häufiger treten Übergewicht und Adipositas
auf.
Erhöhter Blutdruck zählt zu den Hauptrisikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, vor allem in Kombination mit anderen Risikofaktoren wie Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Adipositas, Rauchen und Bewegungsmangel. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für Bluthochdruck stark an. Schätzungen zufolge sind etwa ein Drittel aller Männer und Frauen in Deutschland, ca. 20 Millionen Menschen, von Bluthochdruck betroffen. Die meisten werden ärztlich behandelt, der Blutdruck kann mit Medikamenten auf ein normales Niveau abgesenkt werden.
Das Rauchen ist in den Industrienationen die führende Ursache vorzeitiger Sterblichkeit. In Deutschland rauchten im Jahr 2013 etwa 29,0 % der Männer und 20,3 % der Frauen ab 15 Jahren. Seit Anfang der 2000er-Jahre sinken die Quoten, bei Frauen stagniert der Rückgang jedoch seit dem Jahr 2009. Bei Jugendlichen sinken die Rauchquoten seit dem Jahr 2004 kontinuierlich.
Neben Bluthochdruck und Tabak zählt Alkoholkonsum in Europa zu den wichtigsten Risikofaktoren für Krankheit und Tod. Weltweit gehört Deutschland zu den Ländern mit überdurchschnittlich hohem Alkoholkonsum (bezogen auf die Gesamtbevölkerung 9,7 Liter Reinalkohol pro Kopf im Jahr 2013). Positiv anzumerken ist, dass in den letzten 20 Jahren der Anteil von Personen mit einem riskanten Alkoholkonsum und Rauschtrinken abgenommen hat. Auch im Jugendalter ist der Alkoholkonsum rückläufig. Allerdings hat sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die wegen einer akuten Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt werden mussten, zwischen 2000 und 2012 beinahe verdreifacht. Im Jahr 2013 ging sie erstmals zurück.
Wie viel geben die Deutschen für die Gesundheit aus?
2013 beliefen sich die Gesundheitsausgaben auf 314,9 Milliarden Euro. Der größte Posten sind ärztliche gefolgt von pflegerischen Leistungen. Bei den Krankheiten bilden Herz -Kreislauferkrankungen den wichtigsten Kostenfaktor, außerdem Krankheiten des Verdauungssystems, des Muskel-Skelett-Systems, psychische Störungen und Krebs. In Relation zur Wirtschaftsleistung sind die Gesundheitsausgaben zwischen 1992 und 2013 um rund 1,8 Prozentpunkte angestiegen. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit Pro-Kopf-Ausgaben von rund 3.800 Euro pro Jahr für Gesundheit im oberen Mittelfeld
der westlichen Industrienationen.
Wie gesund sind ältere Menschen in Deutschland?
In Umfragen schätzt mehr als die Hälfte der Menschen ab 65 Jahren die eigene Gesundheit als gut oder sehr gut ein. Chronische Krankheiten sind in dieser Bevölkerungsgruppe jedoch weit verbreitet, allen voran Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen, chronische Lungenerkrankungen – die alle drei
zu den führenden Todesursachen zählen – sowie Muskel-Skelett-Erkrankungen und Diabetes. Die Suizidraten steigen besonders bei Männern im höheren Lebensalter stark an; eine depressive Symptomatik wird bei älteren Menschen vermutlich häufig übersehen. Etwa ein Drittel der Menschen ab 65 Jahre nehmen mindestens fünf Arzneimittel gleichzeitig ein, was das Risiko von unerwünschten Neben- und Wechselwirkungen erhöht.
Langfristig zeigt sich, dass schwerwiegende Einschränkungen der Alltagsaktivitäten insgesamt zurückgehen. Leichtere Einschränkungen im Alltag nehmen hingegen zu. Internationale Studien geben Hinweise darauf, dass durch höhere Bildung, besseres Gesundheitsverhalten und den Rückgang kardiovaskulärer Erkrankungen vermutlich weniger Menschen an Demenz erkranken als geschätzt. Wichtige Ressourcen im höheren Lebensalter sind zielgruppengerechte Gesundheits- und Präventionsangebote und die Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe. »Gesund älter werden« ist eines der nationalen Gesundheitsziele, für das bereits wesentliche Einzelziele und mögliche Maßnahmen formuliert sind. Die Anpassung der gesundheitlichen Versorgung an die Belange Älterer stellt gegenwärtig und in Zukunft eine wichtige Herausforderung dar.
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.