Gefahr für Stürze und Knochenbrüche: Muskelabbau im Alter wird oft unterschätzt
Ab einem Lebensalter von etwa 30 Jahren beginnt normalerweise langsam der Abbau der Muskeln, bei körperlich wenig aktiven Menschen zum Teil sogar noch früher. Der Rückgang von Muskelmasse und -funktion, die sogenannte Sarkopenie, erhöht die Gefahr für Stürze und Knochenbrüche. Doch man kann etwas dagegen unternehmen.
Muskelabbau beginnt bereits mit 30
30 gilt gemeinhin noch lange nicht als „alt“, dennoch setzt bereits in diesem Alter langsam der Muskelabbau und der damit verbundene Kraftverlust ein. Ab etwa 50 Jahren beschleunigt sich dieser Prozess. Der Rückgang von Muskelmasse und -funktion, die sogenannte Sarkopenie, führt zu Gebrechlichkeit, Schwäche und Balancestörungen. Stürze und Knochenbrüche können die Folge sein. Experten erklären, was man dagegen unternehmen kann.
Muskelerhalt und -aufbau bis ins hohe Alter möglich
Ausreichend trainierte Muskulatur ist eine zentrale Voraussetzung für den Erhalt von Gesundheit, Selbstständigkeit und Lebensqualität bis ins hohe Alter.
Dennoch wirken viele Menschen dem Muskelabbau im Alter nicht entgegen. Die gravierenden Auswirkungen für die Betroffenen werden immer noch unterschätzt.
Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) anlässlich des Internationalen Tages des älteren Menschen am 1. Oktober 2017 hin.
Laut den Experten sei Muskelerhalt und -aufbau bis ins hohe Alter möglich. Ärzte sollten deshalb immer die Muskelmasse ihrer Patienten im Blick haben und gegebenenfalls frühzeitig Bewegung, gezieltes Training sowie eine eiweißreiche Diät verordnen.
Woran erkennt man Sarkopenie?
Etwa ab dem 30. Lebensjahr beginnt ein physiologischer Umbau von Muskulatur in Fettgewebe von 0,3 bis 1,3 Prozent/Jahr.
„Unternimmt man nichts dagegen, gehen so rund 30 bis 50 Prozent der Muskelmasse bis zum 80. Lebensjahr schleichend verloren“, erklärte Professor Dr. med. Cornel C. Sieber, Vorsitzender der DGIM 2017/2018 in einer Mitteilung.
Doch woran erkennt man, dass eine Sarkopenie vorliegt? „Bei Sarkopenie sind Muskelmasse, Muskelkraft – etwa die Greifkraft der Hände – und die Muskelfunktion – zum Beispiel die Gehgeschwindigkeit des Patienten oder die Fähigkeit, vom Stuhl aufzustehen – vermindert.“
„Ein Umfang des Unterschenkels von weniger als 31 cm ist ebenfalls ein Hinweis für das Vorliegen einer Sarkopenie.“
Voraussetzung für körperliche Leistungsfähigkeit
Eine gute Muskulatur ist die Voraussetzung für körperliche Leistungsfähigkeit. „Sie ist auch entscheidend, um alltägliche Aktivitäten wie etwa Aufstehen, Anziehen, Treppensteigen oder Einkäufe selbstständig zu bewältigen“, so der Mediziner.
Zudem helfe eine trainierte Muskulatur, die Sturzgefahr zu vermindern. Sie erhöhe die Widerstandskraft und trage dazu bei, Herz-Kreislauf-System, Stoffwechsel und Gehirnfunktionen aufrecht zu erhalten.
Auch für die Erholung nach einer Operation ist ein gutes Muskelkorsett hilfreich: „Wenn der Patient aktiv mitarbeiten kann, gelingen Frühmobilisation und Rehabilitation besser.“
Körperlich aktiv bleiben
„Dennoch ist das Problembewusstsein für Sarkopenie, auch unter uns Ärzten, bislang eher gering“, sagte Professor Sieber. Dabei könne man den Muskelschwund in gewissen Grenzen entgegenwirken: „Muskelaufbau ist bis ins höchste Alter möglich.“
Deshalb rät er, jede Gelegenheit zu nutzen, um körperlich aktiv zu sein. „Gerade ältere Menschen, die ohnehin viel sitzen, sollten längere Sitzperioden regelmäßig durch Aufstehen und ein paar Schritte Gehen für wenige Minuten unterbrechen.“
Optimal wäre eine gezielte körperliche Aktivität von 150 Minuten pro Woche, aufgeteilt in fünf Einheiten an verschiedenen Tagen.
Auch andere Fachleute weisen immer wieder darauf hin, wie wichtig regelmäßige Bewegung ist, um bis ins hohe Alter fit und gesund zu bleiben.
Eiweißreiche Ernährung
Auch mit guter Ernährung lasse sich die Sarkopenie bremsen. „Im Alter kann der Körper Eiweiß schlechter verwerten. Gleichzeitig benötigt er mehr davon“, erläuterte Professor Sieber.
Proteine sind essentielle Bausteine für Muskelgewebe. „Deshalb sollten ältere Menschen gezielt mehr davon zu sich nehmen.“ Er empfiehlt eine tägliche Proteinzufuhr von 1,0–1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht (bei ausgezehrten Zuständen sogar noch etwas mehr).
Dies ist mehr als die für gesunde Erwachsene empfohlene Menge von 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Häufig sei dies nur durch die zusätzliche Einnahme von proteinreichen Nahrungsergänzungen erreichbar, welche vom behandelnden Arzt verordnet werden können.
Aber auch Buttermilch enthalte in recht hoher Konzentration das Protein Leuzin, das den Muskelaufbau unterstütze.
Hüttenkäse gehört ebenfalls zu den Lebensmitteln die den Muskelaufbau steigern können.
„Eine ausgewogene mediterrane Ernährung ist optimal. Dazu gehören viel Gemüse und Obst, Olivenöl, Eier und Nüsse. Das Eiweiß sollte mehr aus Pflanzen und Fisch stammen, als aus rotem Fleisch“, so der Mediziner.
„Auch ein moderater Weinkonsum ist erlaubt. Eine angemessene Kalorienzufuhr von 25–30 Kcal pro Kilogramm Körpergewicht sowie etwa 1,5 Liter Flüssigkeitszufuhr sind gerade im Alter wichtig.“
Vitamin D zum Muskelerhalt und zur Stärkung der Knochensubstanz
Vitamin D habe sich ebenfalls zum Muskelerhalt und zur Stärkung der Knochensubstanz als wirkungsvoll erwiesen. Hier empfiehlt der Altersmediziner die Einnahme von täglich mindestens 800 Internationalen Einheiten (IE) Vitamin D.
Vor allem in den kalten Wintermonaten mit wenig Sonnenschein kann die zusätzliche Einnahme des Vitamins sinnvoll sein.
Laut DGIM werde aktuell zur Wirkung weiterer Nährstoffgaben zum Aufhalten des Muskelabbaus geforscht. Für eine abschließende Empfehlung sei es jedoch noch zu früh.
„Sarkopenie als Risikofaktor für funktionelle Einbußen sollte angegangen werden, bevor die Patienten irreversible Einschränkungen erleiden“, sagte auch Professor Dr. med. Dr. h. c. Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der DGIM aus Kiel.
Rückwirkend sei es viel schwerer, verlorenes Terrain zurück zu gewinnen. „Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Alterung unserer Gesellschaft ist hier ein Umdenken aller Beteiligten – Ärzte, Pflegekräfte, Physiotherapeuten und Patienten – in Richtung Prävention erforderlich.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.