Ein ideales Ernährungsmuster für alle gibt es nicht
Frühstücke wie ein Kaiser, iss zu Mittag wie ein König und zu Abend wie ein Bettler: Diesen Spruch haben viele Menschen im Hinterkopf, wenn es um die Zubereitung der täglichen Mahlzeiten geht. Doch trifft diese „goldene Regel“ überhaupt zu? Ist es tatsächlich sinnvoller, wenn zum Abend hin weniger gegessen wird? Nicht immer, denn der ideale Essensrhythmus kann von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich sein. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „dpa“ erklären Experten, wie der Mensch in Hinblick auf die Ernährung „tickt“ und worauf es sich dabei zu achten lohnt.
Wie wichtig sind feste Essenszeiten?
„Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages“ – diese Ansicht ist weit verbreitet und vielen Menschen ist es daher wichtig, morgens nicht mit leerem Magen das Haus zu verlassen. Die Begründung klingt plausibel: Da die Reserven über Nacht aufgebraucht wurden, benötigt der Körper am Morgen neue Nahrung, um für den Tag genug Energie zu haben. Dies spiegelt sich auch in der berühmten Redensart wieder, wenn es heißt, man solle „Frühstücken wie ein Kaiser“. Doch stimmt diese Theorie? Ist es tatsächlich für den Körper das Beste, wenn am Morgen möglichst ausgiebig gefrühstückt wird?
Zum Teil ja, denn offenbar spielt die so genannte „innere Uhr“ des Menschen eine bedeutendere Rolle als bislang angenommen. Dieses komplexe System wird vor allem durch das Licht getaktet und koordiniert neben dem Schlaf-Wach-Rhythmus auch die Aktivität der inneren Organe sowie den Stoffwechsel – und damit auch den Umgang des Körpers mit Nahrung. „So wird die gleiche Mahlzeit morgens schneller verarbeitet als abends. Es ist demnach günstiger, morgens eine größere Mahlzeit zu essen als abends“, erklärt Andreas Pfeiffer von der Charité Berlin. Die Zusammensetzung der Mahlzeit spiele dabei aber keine Rolle, so der Leiter der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin.
Nicht ohne Frühstück aus dem Haus?
Aus Sicht von Hans Hauner, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München, ist es sinnvoll, am Morgen auf gesunde Nahrungsmittel zu achten. Wie umfangreich die frühe Mahlzeit dabei ausfallen sollte, lasse jedoch nicht pauschal beantworten. „Ein gesundes Frühstück ist grundsätzlich gut. Es ist aber fragwürdig, ob es zum Frühstück unbedingt die größte Portion sein muss. Man sollte daher auch individuelle Essensmuster und Vorlieben berücksichtigen“, so der Experte gegenüber der Nachrichtenagentur.
Wer sich nach dem so genannten „stoffwechselbasierten Ansatz“ ernähren möchte, sollte morgens und mittags je eine große Portion und am Abend dann die kleinste Mahlzeit des Tages zu sich nehmen. Diese Abfolge entspreche dem Experten nach den aktiven Zeiten unseres Stoffwechselsystems. Doch bei Berufstätigen sieht der Alltag oft anders aus: „Für viele Menschen ist es Normalität, abends nach der Arbeit die Hauptmahlzeit zu essen. Da macht es keinen Sinn, das Abendessen zu verbieten. Ein solches Essensmuster wäre nicht von Dauer”, sagt Hauner.
Radikale Regeln sind oft sinnlos
Dementsprechend gibt es nicht den einen idealen Ernährungs-Rhythmus, nach dem sich jeder richten sollte. Zu verschieden sind hierfür die Tagesabläufe der Menschen und damit auch die Zeiten, an denen jemand Hunger verspürt. Dies bestätigt auch die Ökotrophologin und Ernährungsberaterin Silke Lichtenstein und rät daher von zu strikten Ernährungsplänen ab: „Wer sich beispielsweise ein striktes Essensverbot nach 18 Uhr auferlegt, der wird um 17 Uhr ohne Hungergefühl anfangen, im Voraus zu essen, damit er später keinen Hunger hat. Das macht dann insgesamt wenig Sinn.”
Wer sich gesund ernähren möchte, sollte jedoch darauf achten, nicht zu häufig am Tag zu essen. Denn das ständige „snacken“ kann schnell zum Problem führen. „Wir neigen heute dazu, acht bis zehn Mal pro Tag zu essen. Durch das häufige Zuführen von Nahrung werden die Energievorräte in den Zellen nicht verbraucht”, erläutert Andreas Pfeiffer weiter. „Alles was weiter zugeführt wird, landet nicht in unseren direkten Energiespeichern, sondern als Fett in der Leber oder den Gefäßen“, so der Experte, der auch die Abteilung Klinische Ernährung am Deutschen Institut für Ernährungsforschung leitet. Zudem hätten Studien gezeigt, dass häufige Zwischenmahlzeiten auch zu einer erhöhten Gesamttagesbilanz führen – daher sollte vor allem nach dem Abendessen nichts mehr gegessen werden, betonen die Ernährungswissenschaftler.
Hunger muss nicht sofort gestillt werden
Demnach sei der Körper nicht generell darauf ausgelegt, häufig und regelmäßig Nahrung aufzunehmen. Der uns bekannte und fest etablierte „Morgens-Mittags-Abends-Rhythmus“ habe sich eher kulturell entwickelt. „Hungerphasen sind durchaus gesund, solange sie nicht in eine Mangelernährung resultieren. Ein Abwechseln zwischen Hunger- und Essensphasen unterstützt die metabolische Flexibilität und wirkt sich langfristig positiv auf die Gesundheit aus”, sagt Pfeiffer. Ein knurrender Magen sollte also nicht gleich als „Warnsignal“ gedeutet werden, ergänzt Lichtenstein: „Wir sollten uns von der Idee trennen, dass Hunger etwas ist, was sofort bekämpft werden muss.” Statt sofort zu einem Snack zu greifen, sollte das Hungergefühl der Expertin zufolge daher ruhig mal ausgehalten werden, um dem Körper später etwas „Gutes“ zu gönnen.
Eine Ausnahme bilden hier jedoch Personen, die von starker Adipositas betroffen sind und daher Hunger und Sättigung nicht mehr richtig einschätzen können. „Feste Essenszeiten können da helfen und Verführungen zwischen den Mahlzeiten reduzieren“, so Hauner. (nr)
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