Deutsche Kraftwerke stoßen tonnenweise gesundheitsgefährdendes Quecksilber aus
Den Ergebnissen einer neuen Studie zufolge müssten alle deutschen Kohlekraftwerke vom Netz genommen werden, wenn hier strengere Quecksilber-Grenzwerte gelten würden. Insbesondere Braunkohlemeiler stoßen riesige Mengen des gesundheitsgefährdenden Schwermetalls aus. Die Grünen setzen sich für strengere Obergrenzen ein.
Hoher Quecksilber-Ausstoß deutscher Kraftwerke
Geplanter Atomausstieg, nachhaltige Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen, leuchtendes Vorbild im weltweiten Solarmarkt: Häufig wird der „grüne“ Ruf Deutschlands hervorgehoben. In manchen Bereichen sind gibt es jedoch erhebliche Defizite. So stoßen Deutschlands Kohlekraftwerke jedes Jahr rund sieben Tonnen Quecksilber aus. Das geht aus einem neuen Gutachten des Hamburger Instituts für Ökologie und Politik (Ökopol) im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion hervor. Darüber berichten verschiedene Medien, denen die Studie eigenen Angaben zufolge vorliege.
Gesundheitsgefährdendes Schwermetall
Quecksilber gehört zu den sechs gefährlichsten Schadstoffen, die im Giftreport der Schweizer Umweltorganisation Green Cross und Organisation Pure Earth aus New York aufgelistet werden. Vor allem für Schwangere und Kleinkinder stellt Quecksilber eine Gefahr dar. So kann das Schwermetall bei Ungeborenen und Kleinkindern zu Schäden bei der Gehirnausbildung führen. Bei Erwachsenen können Vergiftungen mit Quecksilber unter anderem zu Nieren-, Leber- und Nervenschäden führen. Zudem steht das giftige Schwermetall im Verdacht, die Risiken für Herzinfarkt und Alzheimer-Erkrankungen zu erhöhen. Auch ein erhöhtes Krebsrisiko durch Quecksilber wird angenommen.
Großteil der Emissionen könnte vermieden werden
Deutschland ist den Angaben zufolge zusammen mit Griechenland und Polen Spitzenreiter bei der Freisetzung von Quecksilber in Europa. Laut der Ökopol-Studie tragen die Kohlekraftwerke mit 70 Prozent am meisten zum Quecksilberausstoß bei. Trotzdem wird die größte Menge Strom in Deutschland noch immer in Kohlemeilern produziert: Laut „Spiegel Online“ liegt ihr Anteil an der Elektrizitätsversorgung bei mehr als 40 Prozent. Der größte Teil der ausgestoßenen Quecksilberemissionen im Jahr 2013 stammte laut „Welt am Sonntag“ (WamS) aus den 16 Braunkohlekraftwerken, der Rest aus den 37 Steinkohlemeilern. „85 Prozent der Quecksilberemissionen hätten durch quecksilberspezifische Techniken vermieden werden können“, so Studienautor Christian Tebert. Die Kosten für die Unternehmen würden laut einer Kurzstudie der Forscherin Barbara Zeschmar-Lahl zwar je nach Kraftwerksgröße und gewählter Technologie nur im niedrigen einstelligen Millionen-Euro-Bereich liegen, doch bislang haben die Energieversorger offenbar keinen Anlass, ihre Kraftwerke nachzurüsten.
Nach US-Richtlinien müssten deutsche Meiler dicht machen
Wenn hierzulande schärfere Richtwerte gelten würden, müssten die Kraftwerke abgeschaltet werden. Selbst in den USA gelten deutlich schärfere Quecksilbergrenzwerte als in der EU und in Deutschland. Auch nach einer Verschärfung der Grenzwerte, die im Jahr 2019 in Kraft treten soll, werden sie in der EU um das 2,5- bis 6,7-Fache höher liegen. „Wir fordern Union und SPD auf, endlich strengere Grenzwerte wie in den USA auch in Deutschland einzuführen“, sagte Grünen-Vizefraktionschef Oliver Krischer der WamS zufolge. Und Peter Meiwald, Sprecher für Umweltpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, meinte: „Die USA – wahrlich kein Hort des Umweltschutzes – haben strengere Quecksilbergrenzwerte als Deutschland: Das ist ein Armutszeugnis für die schwarz-rote Bundesregierung, die hier auf Kosten der Gesundheit von Mensch und Natur nicht handelt.“ Nur eins der 53 Kohlekraftwerke in Deutschland würde derzeit den US-Grenzwert zum Quecksilberausstoß einhalten, schreiben die Forscher. Dabei handle es sich um das mittlerweile stillgelegte Kraftwerk Datteln.
„Von der Kohleenergie verabschieden“
Von der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wurde die Kritik zurückgewiesen. Gegenüber der „Welt“ sagte sie, Deutschland gehöre weltweit zu den wenigen Ländern, die schon seit längerer Zeit Quecksilbergrenzwerte haben. „Deutschland hat sich bei der Neuregelung für niedrige EU-Grenzwerte eingesetzt, auch gegen die Vorbehalte unserer EU-Partner, die nicht alle bereit waren, die Quecksilberemissionen zu senken und zu überwachen.“ Bereits ergriffene Maßnahmen hätten in den vergangenen Jahren zwar Wirkung gezeigt, nichtsdestotrotz seien aber „weitere Minderungsmaßnahmen erforderlich“, so Hendricks. „Die Quecksilberbelastung muss dauerhaft niedrig bleiben und möglichst weiter gesenkt werden, in der Luft, im Boden und im Wasser.“ Der Streit über den Quecksilberausstoß von Kraftwerken wird sich laut der Ministerin ohnehin bald erledigt haben. „Wenn wir unsere langfristigen Klimaziele einhalten wollen, müssen wir uns von der Kohleenergie verabschieden“, erläuterte die Politikerin. „Und damit verschwindet dann auch eine wichtige Quecksilberquelle.“ (ad)
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