Drohende Gesundheitsrisiken durch Röntgenuntersuchungen
12.04.2012
Angesichts einer aktuellen Studie von US-Forschern, die ein erhöhtes Risiko von gutartigen Hirntumoren durch häufige Röntgenuntersuchungen beim Zahnarzt festgestellt hat, ist die Diskussion in um die negativen gesundheitlichen Folgen des Röntgens neu entbrannt.
Röntgen bietet bei vielen möglichen Erkrankungen ein zuverlässiges Verfahren zur Diagnose, doch bringt die hiermit verbundene Strahlenbelastung stets auch ein gesundheitliches Risiko mit sich. Daher sollten Röntgenuntersuchungen nur sparsam und mit Bedacht eingesetzt werden. Doch offenbar tendieren einige Ärzte auch aus Eingeninteresse zu vermehrten Röntgenaufnahmen. Die notwendigen Maschinen sind teuer und müssen sich schließlich amortisieren, so dass häufige eher eine Röntgenaufnahme zu viel, als eine zu wenig angesetzt wird.
Die US-Forscher um Elizabeth Claus vom Brigham und Women’s Hospital in Boston und der Universität Yale berichteten aktuell im Fachmagazin „Cancer“ von einem deutlich erhöhten Risiko gutartiger Hirntumore durch Röntgenuntersuchungen beim Zahnarzt. Die vorgestellte Studie zeigt nicht nur, dass Patienten, die mindestens einmal oder öfter jährlich beim Zahnarzt geröntgt wurden, einem dreifach höheren Risiko eines Meningeoms (spezieller gutartiger Hirntumor) unterlagen, sondern auch, dass trotz der bekannten Gesundheitsrisiken offenbar recht großzügig mit den Röntgenuntersuchungen umgegangen wird. Die Risiken sind dabei laut Aussage der US-Forscher jedoch keineswegs zu unterschätzen. Kinder im Alter unter zehn Jahren seien besonders empfindlich, was bei ihnen zu einem teilweise fünffach höheren Meningeom-Risiko durch die zahnärztlichen Röntgenuntersuchung geführt habe, berichten Claus und Kollegen. Die dentalen Röntgenuntersuchung spielen hier als häufigsten Quellen der Strahlenbelastung für Menschen in den modernen Industrieländern eine wesentliche Rolle. Die aktuellen Studienergebnisse verdeutlichen, dass die Röntgenaufnahmen bei Zahnarztpatienten künftig auf ein absolut notwendiges Mindestmaß beschränkt werden sollten, schreiben die US-Forscher und bringen damit indirekt zum Ausdruck, dass bisher deutlich zu großzügig mit den Röntgenuntersuchungen umgegangen wird.
Die US-Wissenschaftler untersuchten den Zusammenhang zwischen der Entwicklung von gutartigen Hirntumoren und den zahnärztlichen Röntgenaufnahmen anhand von 1.433 Meningeom-Patienten und 1.350 gesunden Probanden der Kontrollgruppe. Sämtliche Teilnehmer gaben an, wie viele dentale Röntgenuntersuchungen bei ihnen durchgeführt wurden, wobei hier drei unterschiedliche Röntgen-Methoden Berücksichtigung fanden: Die sogenannten Mundfilme-Aufnahmen (Patienten beißen hierbei auf ein Stückchen Film), die seitlichen Kieferaufnahmen und die sogenannten Panorex-Aufnahmen (Röntgenkanone rotiert einmal um den Kopf). Anschließend werteten die US-Wissenschaftler die Daten aus, um mögliche Zusammenhänge mit der Bildung von Hirntumoren festzustellen. Alle drei Röntgen-Methoden verursachten ein deutlich erhöhtes Risiko gutartiger Hirntumore, so das Ergebnis der US-Forscher. Am stärksten war der Effekt bei den Panorex-Aufnahmen, die zu einem drei- bis fünfmal höheren Meningeom-Risiko geführt haben, schreiben Claus und Kollegen. Obwohl die Röntgenaufnahmen „ein wichtiges Werkzeug der Diagnose sein können, kommt mehr Zurückhaltung den meisten Patienten zugute“, so das Fazit der US-Wissenschaftler.
Diesen Hinweis sollten sich unter Umständen auch deutsche Mediziner zu Herzen nehmen und in Zukunft mehr Zurückhaltung bei den Röntgenaufnahmen walten lassen. Denn rein statistisch gesehen wird jeder Deutsche mindestens einmal pro Jahr geröntgt. Rund 100 Millionen Röntgenuntersuchungen rechnen die Ärzte hierzulande jedes Jahr ab, wobei nach Einschätzung kritischer Experten längst nicht jede dieser Untersuchungen erforderlich wäre. Die Deutsche Röntgengesellschaft in Berlin kommt zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Röntgenuntersuchungen und Computertomographien auch aufgrund der sogenannten Selbstüberweisungen entsprechend hoch liegt. Damit beziehen sich die Radiologen der 1905 gegründeten medizinischen Gesellschaft auf die Möglichkeit unterschiedlicher Fachärzte, eigene Röntgenuntersuchungen durchzuführen. Professor Norbert Hosten von der Deutschen Röntgengesellschaft erklärte, dass „zum Beispiel Fachärzte, die sich mit Knochenerkrankungen befassen, die Berechtigung erwerben können, bestimmte Körperpartien zu röntgen.“ Die Fachärzte seien „dann Teilgebietsradiologen“, so Hosten weiter.
Im Rahmen der Selbstüberweisung können die Mediziner anschließend Patienten in die eigene Röntgen-Abteilung schicken und dort untersuchen lassen. Dies ist insofern ein Problem, da keine Zweitmeinung eingeholt wird, so die Kritik des Experten von der Deutschen Röntgengesellschaft. Prof. Hosten erklärte: „Wenn sonst eine Röntgenuntersuchung angesetzt wird, gibt es das Vier-Augen-Prinzip“, doch bei der Selbstüberweisung falle die Kontrolle durch die Abstimmung zwischen Arzt und Radiologen weg. Die Abstimmung ist erforderlich, um sicherzustellen, dass mit dem Röntgen auch eine zielführende Diagnose ermöglicht wird., betonte Prof. Hosten. Ist diese nicht gewährleistet würde ein Radiologe in der Absprache mit dem Arzt darauf hinweisen und ein schonenderes Verfahren wie beispielsweise Ultraschall empfehlen, so die Aussage des Experten. Auch Verbraucherschützer mahnen zur Vorsicht bei den Selbstüberweisungen, da hier die Notwendigkeit der Röntgenuntersuchung nicht immer geklärt sei. So verwies Kai Vogel von der Verbraucherzentrale gegenüber „Welt Online“ darauf, dass speziell Privatversicherte hier auf der Hut sein sollten, da unter Umständen der Grund für die Röntgenuntersuchung ein rein finanzielles Interesses des Arztes sei. „Das Gerät ist angeschafft worden, dann soll es auch genutzt werden“, beschreibt der Verbraucherschützer die Problematik.
Von Seiten der Patienten werden die Risiken des Röntgens und der Computertomographie (CT) häufig unterschätzt, da sich keine unmittelbaren gesundheitlichen Folgen aus der Untersuchung ergeben. Denn gesundheitliche Beschwerden „kommen eigentlich nur bei sehr hohen Strahlendosen vor“, die „bei gewöhnlichen Untersuchungen des Skeletts oder der Zähne nicht zu erwarten“ sind, erklärte Prof. Hosten. Eine Strahlenbelastung, die Hautrötungen oder gar die Zerstörung von Hautgewebe und Haarausfall verursachen kann, werde normalerweise nur erreicht, wenn die Bestrahlung zur Therapie angewandt wird. Doch auch die niedrigeren Strahlungen können jedoch bereits zu Gewebeveränderungen führen, wie die Studie der US-Forscher aktuell in Erinnerung ruft. Die Röntgenstrahlen „können Krebserkrankungen auslösen, und das ist von der Dosis unabhängig“, betonte der Experte der Deutschen Röntgengesellschaft. Lediglich ein Treffer eines Röntgenstrahls reiche unter Umständen aus, um das Erbgut einer Körperzelle nachhaltig zu schädigen. Dabei sei Gewebe mit schnell teilenden Zellen, wie beispielsweise die „Darmschleimhaut, Zahnfleisch oder Knochenmark, wo sich die weißen Blutzellen in kurzer Zeit regelmäßig erneuern“, besonders gefährdet, erläutert Prof. Hosten. Allerdings ist das Risiko, nach einer einfache Röntgenuntersuchung an einem Tumor zu erkranken, relativ gering, da die Strahlendosis der modernen Geräten sei äußerst niedrig liege, so die Aussage des Röntgenexperten.
Mit der Anzahl der Röntgenuntersuchungen steigt jedoch das Risiko von Gewebeveränderungen. Daher müssen die Röntgenaufnahmen mit Bedacht durchgeführt werden und es ist „wichtig, dass Untersuchungen nicht unnötig wiederholt werde“, betonte Professor Gunnar Brix vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Hier sind die Betroffenen zur Eigeninitiative aufgeforderte, denn auf die Vermeidung von Doppeluntersuchungen „können auch Patienten selbst achten“, so der BfS-Experte weiter. Professor Brix ist vor allem die wachsende Anzahl von CT-Vorsorgeuntersuchungen ein Dorn im Auge, da hier der Organismus teilweise ohne nachweislichen Nutzen erheblichen Strahlenbelastungen ausgesetzt werde. Dies gelte insbesondere für Untersuchungen des Herzens, bei denen recht hohe Strahlenbelastungen auftreten können, erklärte Prof. Brix und ergänzte, dass zudem „bei vielen Untersuchungen, die oft als Managercheck angeboten werden, der Nutzen nicht nachgewiesen“ sei. „So etwas sollte man nicht machen lassen“, warnte der Experte des Bundesamtes für Strahlenschutz. Insgesamt sind Patienten und Mediziner angesichts der aktuellen Studienergebnisse der US-Forscher dazu aufgefordert, bei den Röntgenuntersuchungen in Zukunft deutlich kritischer hinzuschauen und im Zweifelsfall auf das Röntgen zu verzichten. (fp)
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Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
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