Interview: Fahrradfahren hat laut Experten „nichts mit Hodenkrebs zu tun“
Jährlich erkranken in Deutschland rund 4.000 Männer an Hodenkrebs, insbesondere in der Altersgruppe zwischen 20 und 40 Jahren. Auch der italienische Radprofi Ivan Basso erhielt kürzlich die Diagnose. In einem Interview gab ein deutscher Experte Auskunft über Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankung.
Radprofi erhält Diagnose Hodenkrebs
Rund 4.000 Männer in Deutschland erkranken pro Jahr an Hodenkrebs, vor allem in der Altersgruppe zwischen 20 und 40 Jahren. Zwar sind die genauen Ursachen bislang nicht eindeutig geklärt, doch als Hauptrisikofaktor gilt ein Hodenhochstand (Maldescensus testis). Zudem werde das Risiko Experten zufolge durch erbliche Faktoren erhöht. Als in einem ARD-“Tatort“ aus Münster im vergangenen Jahr die Behauptung: Kiffen erhöht das Risiko für Hodenkrebs aufgestellt wurde, haben sich zahlreiche Mediziner zu Wort gemeldet und die Behauptung negiert. Kürzlich wurde bekannt, dass bei dem bekannten italienischen Radprofi Ivan Basso Hodenkrebs diagnostiziert wurde. Seit langem lautet ein weit verbreiteter – und oft widerlegter – Irrtum aus der Urologie, dass Fahrradfahren impotent macht. Manche Menschen bringen diesen Sport auch mit Hodenkrebs in Verbindung. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa erklärte der Hamburger Urologe Professor Dr. Klaus-Peter Dieckmann Wichtiges zu der Erkrankung.
Kein Zusammenhang zwischen Fahrradfahren und Hodenkrebs
Auf die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen Fahrradfahren und Hodenkrebs gibt, erklärte er: „Nein, überhaupt nicht. Fahrradfahren hat definitiv nichts mit Hodenkrebs zu tun. Allerdings zeigt das Beispiel Ivan Basso: Bei Radfahrern herrscht mit der Sturz- und Verletzungsgefahr eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass ein bestehender Hodenkrebs überhaupt erst auffällt.“ Ansonsten ist der Zusammenhang zwischen Radfahren und der Erkrankung eher umgekehrt: Sportliche Betätigung ist ein sogenannter protektiver Faktor, schützt somit vor Krebs.
Verschiedene Risikofaktoren
Zu den Risikofaktoren für die Erkrankung erklärte der Experte, dass sie gehäuft in denselben Familien auftritt. Wenn der Vater Hodenkrebs hatte, liegt das Risiko demnach vier- bis sechsmal so hoch und beim Bruder bereits sechs- bis zehnmal. Besonders Männer mit einer Fehllage des Hodens haben ein erhöhtes Risiko: Prof. Dieckmann erläuterte, dass der Hoden bei einem angeborenen Hodenhochstand nicht in den Hodensack gewandert, sondern in der Leiste hängengeblieben ist. Außerdem haben Hodenkrebs und Unfruchtbarkeit ähnliche Ursachen. Der Mediziner nannte einen vierten Risikofaktor: Die Größe. Demnach haben Männer über 1,95 Meter ein leicht erhöhtes Risiko, an Hodenkrebs zu erkranken. „Wir vermuten, dass das an einer kalorienreichen Ernährung im frühkindlichen Alter liegt“, so der Urologe.
„Heilungschancen insgesamt exzellent“
Mit jährlich rund 4.000 Hodenkrebs-Fällen liegt dieser Krebs unter allen Arten in Deutschland nur an elfter Stelle, im Mittel ist Prostatakrebs der häufigste Krebs. In der Altersgruppe der 20- bis 40-Jährigen ist Hodenkrebs jedoch die mit Abstand häufigste Krebsart. Dem Experten zufolge hängt Hodenkrebs weniger mit dem Lifestyle als mit der erblichen Vorbelastung zusammen. Wahrscheinlich bilden sich Vorstufen von Hodenkrebs schon im Embryohoden und brechen dann meist nach Abschluss der Pubertät aus. Zu den Heilungschancen erklärte der Chefarzt der Urologie am Albertinen-Krankenhaus in Hamburg: „Auch wenn die Prognosen stark mit dem Entwicklungsstadium des Tumors variieren, sind die Heilungschancen insgesamt exzellent: In über 95 Prozent der Fälle kann der Patient geheilt werden.“ Wenn die Metastasen allerdings bereits sehr weit fortgeschritten sind, gibt es manchmal keine Rettung mehr. Wie Prof. Dieckmann gegenüber der dpa erläuterte, wird nach der Diagnose der gesamte Hoden zunächst operativ entfernt, weitere Metastasen müssen ansonsten in einer Chemotherapie zerstört werden. Organerhaltend operieren kann man lediglich in seltenen Ausnahmefällen. Junge Männer, die sich aufgrund ihres Alters oft in Sicherheit wiegen und selten zu Vorsorgeuntersuchungen gehen, sind bei entsprechender Diagnose meist geschockt und fragen sich: „Wie konnte mir das nur passieren?“ (ad)
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