Die Privaten und Gesetzlichen Krankenversicherungen bereiten sich anscheinend auf eine kommende Bürgerversicherung vor und treten in geheime Verhandlungen.
28.04.2011
Seit der Gesundheitsreform der schwarz-gelben Koalition zum Jahresbeginn ist es für gesetzlich Versicherte einfacher geworden in die Privaten Krankenversicherung (PKV) einzutreten. Wer mindestens über ein Monatsbruttoeinkommen von 4.125 Euro verfügt, kann sich Einkommensunabhängig von den Privaten versichern lassen. Doch wie lange noch wird es zwei unterschiedliche Krankenversicherungssystem noch geben? Während sich GKV und PKV Vorstände in der Öffentlichkeit harte Gefechte liefern, laufen nach Informationen der Wirtschaftswoche (WiWo) bereits hinter verschlossenen Türen erste Verhandlungen für eine zukünftige Zusammenarbeit.
Statt zwei Systeme auf dem Weg zur Bürgerversicherung?
Gewerkschaften, Sozialverbände, Grüne, Linkspartei und SPD fordern schon seit längerer Zeit eine einheitliche solidarische Bürgerversicherung. So betonen alle auf breiter Front, dass bei einer Abwahl der derzeit amtierenden schwarz-gelben Bundesregierung im Jahre 2013 der Privatversicherung der Hahn abgedreht wird. Alle Neuversicherten und demnach auch Selbstständige und Beamte müssten dann in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) einkommensabhängig eintreten. Nur Altkunden dürften nach den Plänen der SPD in der privaten Krankenversicherung verbleiben. Da aber keine neuen, gesunde und junge Kunden dazu gewonnen werden können, würden die PKV Tarife sich mit den Jahren extrem verteuern. Das würde in nur wenigen Jahren der sicher Tod der PKV bedeuten. So sieht das auch der Vorsitzende der Privaten Krankenversicherer in Deutschland, Reinhold Schulte. In einer Erklärung mahnte er: „Unser gut funktionierendes System würde mutwillig zerstört werden.“ Die Altersrückstellungen würden für die Bestandskunden dann kaum mehr ausreichen.
PKV Tarife verteuern sich
Doch ist das private System tatsächlich gut funktionierend? Seit Jahren beschweren sich vor allem ältere und chronisch Kranke im PKV System über stark steigende Tarife. Nach letzten Umfragen ist nur noch jeder Dritte Privatpatient tatsächlich noch zufrieden. Denn während stellenweise die Neutarife extrem günstig sind, verteuern sich die ehemaligen Einsteigertarife mit zunehmendem Alter. Die privaten Anbieter stöhnen seit langem über die stetig steigenden Honorarwünsche der Ärzte und Kliniken. Diese stark steigenden Preise sind kaum mehr haltbar, vor allem wenn man bedenkt, dass der demografische Wandel Versicherte immer älter werden lässt und der medizinische Fortschritt seien Tribun fordert.
Zwei-Säulen-Versorgung auf der Welt beinahe einzigartig
Kaum mehr ein westliches Industrieland gönnt sich ein Zwei-Säulen-Versorgungssystem in Sachen Krankenschutz. Das wissen auch die Vorstände der gesetzlichen und privaten Krankenkassen. Selbst wenn es keinen politischen Wandel nach der Bundestagswahl geben wird, müssten deutliche Veränderungen geschaffen werden. Ob sich die Privaten noch längere Zeit auf Kosten der Gesetzlichen halten können, ist fraglich. Die Bürger von heute lassen noch nicht einmal mehr einen Bahnhof in Stuttgart ohne Proteste bauen. Die Proteste könnten massiv werden.
Gesetzliche und Private beraten über Zukunftsmodelle
So finden sich seit einiger Zeit die Vorstände hinter verschlossenen Türen zusammen, um über eine gemeinsame Zukunft zu debattieren. An die Öffentlichkeit gelangt allerdings von diesen Gesprächen bislang nichts. Im Februar kamen die Spitzen bei einer Zukunftswerkstatt in Bergisch Gladbach zusammen und im Herbst auf einem Symposium der Fachhochschule Köln.
Gewerkschaften kritisieren Kopfpauschale
Neben den Parteien machen auch die Gewerkschaften mobil. Vor allem das Aufbürden der Zusatzbeiträge steht im Fokus der Kritik. So sagte Annelie Buntenbach am Donnerstag in Berlin „Die breite gesellschaftliche Kritik am so genannten Sozialausgleich belegt einmal mehr, dass das Versprechen der Bundesregierung, die 70 Millionen Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung vor finanziellen Überforderungen zu bewahren, reine Makulatur ist. Der Sozialausgleich ist seinen Namen nicht wert, weil die tatsächlichen Belastungen der Versicherten durch die Kopfpauschale nicht ausgeglichen werden. Schon jetzt ist absehbar, dass der versprochene Ausgleich milliardenschwere bürokratische Kosten verursacht, aber viele Millionen Versicherte nichts davon haben und komplett auf den steigenden Belastungen sitzen bleiben.“ Das Problem ist nach Meinung des DGBs nicht nur die Tatsache, dass Zusatzbeiträge erhoben werden, sondern dass diese nun auch quasi als Kopfpauschale ohne Arbeitgeberzuschuss abgeleistet werden müssen. Daher sei es „unverantwortlich, den funktionierenden Solidarausgleich in der GKV aufzukündigen und stattdessen ein hochgradig kompliziertes Berechnungsverfahren einzuführen, das der hohen Flexibilität am Arbeitsmarkt nicht gewachsen ist und die unsozialen Belastungen der Kopfpauschale nicht ausgleicht. Die Finanzprobleme der GKV können nur nachhaltig gelöst werden, wenn alle Bürgerinnen und Bürger leistungsgerecht an der solidarischen Finanzierung der Krankenversicherung beteiligt werden.“
Drastische Beitragerhöhungen in den kommenden Jahren
Werden nicht rasch Reformen umgesetzt, so werden Versicherte in beiden Lagern sehr bald drastisch steigende Versicherungsbeiträge zahlen müssen. So mahnte Eberhard Sautter vom Vorstand der PKV Hanse-Merkur: „Auf immer weniger Beitragszahler kommen immer mehr ältere Patienten zu, die überproportional höhere Kosten verursachen. Pro Krankheitsfall müssen wir mittelfristig mit weniger Geld auskommen. Die Kosten müssen runter, die Effizienz muss steigen.“
SPD, Grüne und Linke halten daher am Modell der Bürgerversicherung fest, die eine einkommensabhängige Krankenversicherung für alle bedeuten würde. Schwarz-Gelb indes will weiterhin am Modell der Gesundheitsprämie (Kopfpauschale) festhalten, die einen Einheitlichen Beitrag für eine minimale Grundversorgung vorsieht. Wer mehr Gesundheit will oder benötigt muss sich zusätzlich privat absichern. Das Modell ist dann trotz bürokratischen Modell des Sozialausgleichs unsozial, könnte aber nach Ansicht der FDP und Unionspolitiker die PKV retten. Über diese beiden Varianten müssen dann die Bürger bei der kommenden Bundestagswahl abstimmen. (sb)
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