Warum der Glaube an den Osterhasen das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kind kein Schaden nimmt
31.03.2012
Am kommenden Wochenende ist Ostern. Millionen von Kinder in Deutschland und in vielen Teilen der Welt suchen am Ostersonntag bunt bemalte Ostereier. In den kleinen Nestern verstecken Eltern allerlei Süßigkeiten. Die meisten Kinder glauben daran, dass der Osterhase in der Nacht „heimlich“ die Eier versteckt, die die Kinder am nächsten Morgen suchen und sammeln können. Lena aus Hannover (5) freut sich schon jetzt auf die Gaben des Osterhasen: „In der Nacht kommt der Osterhase, das haben mir meine Eltern erzählt. Dann suche ich gemeinsam mit meiner Schwerster die Leckereien, die der liebe Hase für uns versteckt hat. Gesehen habe ich den Osterhasen leider noch nicht“. Dürfen Eltern ihre Kinder „belügen“ und von einem Wesen berichten, dass es in Wahrheit nicht gibt? Denn Eltern sind für die Kinder die wichtigsten Wahrheitsquellen. Könnte das Vertrauensverhältnis leiden, wenn sie die Lüge aufdecken? Experten geben auf diese Fragen Antworten.
Astrid Gerber, Mutter von drei Kindern, hält von dem Osterbrauch nichts. „Meine Kinder sollen von Anfang wissen, dass es den Osterhasen nicht gibt. Schließlich möchte ich nicht, dass sie erfahren, ihre Eltern haben sie jahrelang begelogen“. Der Heidelberger Medizinprofessor Georg Franck von Franckenau stellte im Jahre 1682 fest, der Brauch zum Osterfest mache aus den Kindern „Unwissende zum Gelächter der Älteren“. In seinem Buch „De Ovis Paschalibus – Von Oster-Eiern“ schrieb er: „Man macht einfältigeren Leuten und kleinen Kindern weiß, diese Eier brüte der Osterhase aus und verstecke sie im Garten, im Gras, im Gebüsch und so weiter, und man will sie von den Buben suchen lassen zum erheiternden Gelächter der Älteren.“
Sandra Olmützer, Mutter eines vierjährigen Sohnes, sieht das ganz anders: „Meine Kind freut sich so sehr auf den Osterhasen. Seine Augen leuchten, wenn ich ihm davon erzähle. Irgendwann wird er selbst dahinter kommen, dass es den Osterhasen nicht gibt. Und er wird wissen, dass ich ihm damals eine Freude bereitet habe.“.
Sollen Eltern ihre Kinder bewusst täuschen?
Zwei unterschiedliche Positionen in einer heiklen Frage: Sollen Eltern ihre Kinder täuschen oder doch eher die Illusion vom Osterhasen nehmen? Was meinen Experten zu dem Thema? „Der kindliche Glaube an Fantasie-Gestalten ist durchaus gut für die kognitive Entwicklung“, erklärt die Psychologin und Forscherin Dr. Jacqueline Woolley von der US-Universität Texas in Austin. Die Kinderpsychologin forscht seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Hirnentwicklung. Der Glaube an den Osterhasen „regt die Fantasie an und lässt Kinder Möglichkeiten erwägen, die in der realen Welt nicht existieren“, sagt die Wissenschaftlerin.
Gritli Bertram, Sozialpädagogin aus Hannover rät Eltern den kindlichen Glauben an den Osterhasen nicht zu nehmen. „Wenn andere Kinder begeistert vom Osterhasen erzählen, ist das eigene Kind sehr traurig darüber, wenn die eigenen Eltern sagen: Es gibt keinen Osterhasen!“ Es schadet „den Kindern in keinem Fall, an Fabelwesen, Weihnachtsmänner oder Osterhasen zu glauben“, betont die Pädagogin. Im Gegenteil: Jedes Kind malt sich im Inneren ein eigenes Bild über den Hasen. „Das regt die Kreativität an und fördert die geistigen Fähigkeiten“, befindet auch Bertram.
Im Alter von drei Jahren fangen die meisten Kinder an, an Wesen aus der Fantasiewelt zu glauben. Als sehr integer und glaubhaft gelten die Eltern. Wenn diese von dem Christkind, Nikolaus oder dem Osterhasen erzählen, dann nehmen das die Kinder aller Regel ihnen auch ab.
Psychologin Ute Bayen von der Universität Düsseldorf warnt allerdings vor allzu großen Enttäuschungen und des Verlustes des Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kind. „Hier ist das Vertrauensverhältnis gefährdet. Denn die Kinder könnten enttäuscht sein, wenn ihnen klar wird, belogen worden zu sein.“ Daher sollten nach Meinung der Expertin Eltern mit dem Thema sensibel umgehen. Beginnen Kinder an der Existenz des Osterhasen zu zweifeln, sollten Eltern nicht unbedingt dagegen halten. Besser sei es, das kritische Hinterfragen zu unterstützen. Wie zum Beispiel: „Können kleine Hasen wirklich so große Eier tragen?
Kritisches Nachfragen unterstützen
Die US-Amerikanische Psychologin Jacqueline Woolley rät Eltern in solchen Momenten, den Kindern ihre kritischen Fragen zu gestatten und erzählen zu lassen. Die Kinder sollen einfach von sich aus erzählen, an was sie glauben und an was nicht. Ihrer Erfahrung nach nimmt der Osterhase meist eh nie einen so hohen Stellenwert ein, wie das Christkind oder der Weihnachtsmann. Letztere sind eh mehr gesellschaftlich verankert und nehmen für die Kinder einen höheren Stellenwert ein. Aus diesem Grund „kommen bei dem Osterhasen viel früher Zweifel auf“, sagt sie. Es ist daher kein Problem, wenn Eltern „den Osterhasen spielen“, so lange es allen Beteiligten Spaß macht. Wenn das nicht mehr der Fall ist, ist das auch in Ordnung. „Kinder können ihre Fantasie auch auf andere Weise zur Entfaltung bringen.“
Der Kinder- und Jugendpsychiater Gerd Lehmkuhl von der Universitätsklinik Köln sagt, Kinder hören im Laufe der Entwicklung eh von ganz allein auf, an den Osterhasen zu glauben. Das passiert meist, wenn sich Kinder im Kindergarten oder in der Schule über das Thema unterhalten. Kinder merken, dass es ihn nicht gibt und dennoch hoffen sie, „dass der Hase kommt und die Eier bringt.“ Einen psychischen Schaden können die Kinder in keinem Fall erleiden, sagt die Pädagogin Bertram. „Solange alles spielerisch geschieht, können groß und klein an dem Spiel Ostereier verstecken teilnehmen“. Einen Vorwurf werden die Kinder den Eltern später nicht machen. Schließlich wird ihnen irgendwann klar, dass Mutter oder Vater der Osterhase war, der die leckeren Schokoladenhasen versteckte. (sb)
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Bild: Fritz Zühlke / pixelio.de
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