Schädigungen des Sehnervs beim Glaukom teilweise reversibel
Kennzeichnend für ein Glaukom (Grüner Star) sind Schädigungen des Sehnervs, die häufig eine Erblindung der Betroffenen zur Folge haben und lange Zeit als irreversibel galten. Mediziner der Universitäten Göttingen und Magdeburg und der Charité-Universitätsmedizin Berlin konnten nun in einer aktuellen Studie nachweisen, dass durch Wechselstrom-Impulse bei teilweise erblindeten Glaukom-Patienten eine signifikante Verbesserungen des Sehvermögens erreicht werden kann.
Nach zehn Tagen Behandlung mit kleinsten Wechselstrom-Impulsen (alternating current stimulation, ACS) zeigte sich in der Studie unter Leitung von Professor Dr. Bernhard A. Sabel, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, eine signifikante Verbesserungen des Sehvermögens bei teilweise erblindeten Patienten. „Die Behandlung führte zu einer Aktivierung von Restsehleistungen und Verbesserungen der Lebensqualität wie Sehschärfe, Lesen, Mobilität und Orientierung im Raum“, so die Mitteilung des Universitätsklinikums Magdeburg. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in dem Fachmagazin „PLOS ONE“ veröffentlicht.
Patienten in drei klinischen Zentren untersucht
An der aktuellen Studie waren 82 Patienten beteiligt, von denen 33 Patienten an Sehverlusten durch grünen Star litten, 32 Patienten an einer anterioren ischämischen Optikusneuropathie (verursacht durch eine Entzündung, Kompressionen des Sehnervs oder angeborene Anomalien wie die Lebersche hereditäre Optikusatrophie) und acht Patienten an einem Sehverlust infolge mehrerer Ursachen. Die Patienten wurden in den klinischen Zentren der Berliner Charité, des Universitätsklinikums Magdeburg und der Universitätsmedizin Göttingen untersucht. Hierfür erfolgte eine Aufteilung auf zwei Gruppen: Eine Versuchsgruppe mit 45 Patienten und eine Kontrollgruppe mit 37 Personen.
Zehntägige Behandlung mit weitreichendem Erfolg
Die Probanden der Versuchsgruppe wurden an zehn Tagen für jeweils 50 Minuten mit der Wechselstromstimulation behandelt und in der Kontrollgruppe erfolgte eine Behandlung mit lediglich sehr geringer Dosis der Stimulation, so die Mitteilung des Universitätsklinikums Magdeburg. In Bezug auf Alter der Läsion und die Sehleistung waren beide Gruppen vor Beginn der Behandlung vergleichbar, berichten die Forscher. Bei der Behandlung wurde durch Platzierung von Elektroden auf der Haut in der Nähe der Augen ein Wechselstrom-Impuls verabreicht. Unmittelbar nach erfolgter Therapie kontrollierten die Forscher die Veränderungen der Sehfähigkeit und überprüften zwei Monate danach in einem weiteren Sehtest die Stabilität der Verbesserungen.
Wiederherstellung von Sehleistungen nach Schädigung des Sehnervs
Die Forscher konnten feststellen, dass die Patienten in der Versuchsgruppe eine signifikant größere Verbesserungen (24 Prozent) in der Erkennung von Sehreizen gegenüber den Patienten in der Vergleichsgruppe (2,5 %) aufwiesen. Dies sei auf Verbesserungen im defekten Sektor des Gesichtsfelds um 59 % in der behandelten Gruppe zurückzuführen. „Der Nutzen der Stimulation war auch zwei Monate nach der Behandlung stabil“, so die Mitteilung des Magdeburger Uniklinikums. „Die Wechselstrombehandlung ist ein sicheres und wirksames Mittel zur Wiederherstellung von Sehleistungen nach Schädigung des Sehnervs“, berichtet Professor Dr. Bernhard A. Sabel. Erstmals sei der Nachweis in einer groß angelegten Studie gelungen, dass mittels geringer elektrischer Ströme klinisch messbare Verbesserungen der Sehfähigkeit erreichbar sind.
Wechselstrombehandlung zur klinischen Anwendung bei Patienten geeignet
Nennenswerte Nebenwirkungen sind laut Aussage der Forscher bei keinen Teilnehmern aufgetreten und nur in wenigen Fällen berichteten die Probanden über vorübergehenden, leichten Schwindel oder Kopfschmerzen. Mit der Studie seien die Ergebnisse von früheren kleineren Untersuchungen bestätigt worden, in denen die Wirksamkeit und Sicherheit der Wechselstromstimulation gezeigt wurde. In diesen Untersuchungen sei bereits deutlich geworden, dass gut funktionierende Hirnnetzwerke für die Verarbeitung von visuellen Informationen von entscheidender Bedeutung sind. Diese lassen sich durch den Wechselstrom wieder synchronisieren, womit die Restsehfähigkeit aktiviert und verstärkt werde, so Prof. Sabel. Nun seien weitere Studien erforderlich, um die Wirkungsmechanismen der Behandlung noch intensiver zu erforschen. Die aktuellen Ergebnisse zeigen jedoch klar, „dass die Nutzung der Wechselstrombehandlung in der klinischen Anwendung bei Patienten mit Sehbeeinträchtigungen geeignet“ ist und zusammenfassend lasse sich sagen, „dass der Verlust der Sehkraft, der lange als irreversibel galt, teilweise reversibel ist“, betont Prof. Sabel. „Es gibt Licht am Ende des Tunnels für Patienten mit Glaukom oder Schädigung des Sehnervs“, so das Fazit des Studienleiters. (fp)
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