Neue Einschätzung durch WHO-Gremium: Glyphosat ohne Krebsrisiko
Kurz vor der bevorstehenden Entscheidung über die Verlängerung der Zulassung für den Unkrautvernichter Glyphosat hat das Gremium „Joint Meeting on Pesticide Residues“ (JMPR) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärt, dass von dem Pestizid keine Krebsgefahr ausgehe. Damit vertritt das JMPR eine gegensätzliche Auffassung zur International Agency for Research an Cancer (IARC), welche ebenfalls eine Institution der WHO bildet.
Mit der neuen Einschätzung des JMPR wird deutlich, wie unterschiedlich die Auffassungen zu dem Krebsrisiko durch Glyphosat in der Fachwelt ausfallen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht sich in seiner bisherigen Haltung bestätigt, „dass beim Menschen bei einer sachgerechten Anwendung in der Landwirtschaft keine krebserzeugenden, erbgutverändernden oder entwicklungsschädigenden Risiken von Glyphosat zu erwarten sind.“ Doch der vielfache Nachweis von Glyphosat-Rückständen in unseren Lebensmitteln sorgt bei Verbraucherinnen und Verbrauchern dennoch für zunehmende Verunsicherung – auch ohne offensichtliches Krebsrisiko.
Glyphosat in zahlreichen Lebensmitteln
Zuletzt hatte eine Untersuchung im Auftrag von Greenpeace ergeben, das Glyphosat-Rückstände sich auch in Wein und Traubensaft aus Deutschland nachweisen lassen. In sieben von elf konventionellen Produkten waren Rückstände des Totalherbizides feststellbar (getestete Bio-Produkte enthielten keine Rückstände), berichtete die Umweltschutzorganisation vergangene Woche. Zwar waren die Rückstände so gering, dass nicht von einem akuten Risiko auszugehen sei, doch grundsätzlich habe „Glyphosat in Wein und Obstsaft nichts verloren“, so die Landwirtschaftsexpertin von Greenpeace, Christiane Huxdorff. Eine Einschätzung, die vermutlich von den meisten Verbraucherinnen und Verbrauchern geteilt wird. Hinzu kommt das vermutete Krebsrisiko, welches auch nach der JMPR-Stellungnahme weiterhin umstritten bleibt.
Krebsrisiko durch Glyphosat umstritten
Geht es nach der Einschätzung des BfR, der European Food Safety Authority (EFSA), der US-amerikanische Umweltbehörde EPA oder dem JMPR entsteht bei einem sachgerechten Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft kein erhöhtes Krebsrisiko. Die IARC-Bewertung steht hierzu in krassem Gegensatz, wobei sich dieser allerdings aus den unterschiedlichen Herangehensweisen begründen lässt. Das IARC hat sich unabhängig von Dosierungen im Alltag mit dem Krebsrisiko durch Glyphosat befasst, während die anderen Institutionen das Krebsrisiko bezogen auf einen Belastungswert abschätzten. Beispielsweise bleibt nach Auffassung des JMPR eine Aufnahme von bis zu 1 mg/kg Körpergewicht pro Tag ohne Folge in Bezug auf das Krebsrisiko. Auch wenn von den geringen Glyphosat-Rückständen in Lebensmitteln kein unmittelbares Krebsrisiko ausgeht, dürfte es den meisten Verbraucherinnen und Verbrauchern jedoch nicht schmecken, dass sie mit Bier, Wein, Saft oder anderen Nahrungsmitteln einen Unkrautvernichter aufnehmen.
Abstimmungsverhalten der Bundesregierung
Bei der anstehenden Entscheidung über eine Verlängerung der Glyphosat-Zulassung kommen ähnlich unterschiedliche Positionen zum Tragen, wie sie auch in der Fachwelt zum Ausdruck kommen. So wird davon ausgegangen, dass die EU-Kommission eine Genehmigung ohne Einschränkung favorisiert, während das Europaparlament bereits deutliche Bedenken geäußert hat und hier zumindest eine verkürzte Zulassungsdauer (sieben statt 15 Jahren) anvisiert. Auch über eine vollständige Ablehnung der Zulassung wird noch diskutiert. Dies gilt ebenso innerhalb der Bundesregierung. Hier hat sich die Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) für deutliche Einschränkungen des Glyphosat-Einsatzes ausgesprochen und versucht den federführende Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) zu einem entsprechenden Abstimmungsverhalten für Deutschland zu bewegen. „Die gesundheitlichen Risiken von Glyphosat sind unklar. Im Sinne des vorsorgenden Verbraucherschutzes muss sich Deutschland daher für ein weitreichendes Verbot aussprechen und gegen die weitere Zulassung von Glyphosat stimmen. Landwirtschaftsminister Schmidt muss jetzt Flagge zeigen“, wird Huxdorff in der Pressemitteilung von Greenpeace zitiert.
Glyphosat weltweit meist eingesetztes Pestizid
Den Angaben der Umweltschutzorganisation zufolge wurden im Jahr 2012 rund 6.000 Tonnen Glyphosat von Landwirten in Deutschland eingesetzt und insgesamt werden pro Jahr 30.000 Tonnen reine Pestizidchemikalie verwendet. Glyphosat, das von dem US-Konzern Monsanto entwickelt wurde und bis heute unter dem Markennamen „Roundup“ verkauft wird, bilde den weltweit am meisten genutzten Wirkstoff in Unkrautvernichtungsmitteln. Im Weinbau werde Glyphosat beispielsweise angewandt, um den Boden der Rebstöcke frei von Unkraut zu halten. Dies geschehe im biologischen Anbau manuell, was allerdings viel aufwendiger sei. Mit dem massenhaften Einsatz des Pestizids ist in den vergangen Jahrzehnten auch der Eintrag in unsere Lebensmittel gestiegen und heute können in vielen Produkten – vom Saft bis hin zum Bier – entsprechende Rückstände nachgewiesen werden. (fp)
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