Neue Angriffspunkte gegen Grippeviren entdeckt?
Die eingeschränkte Wirksamkeit des verwendeten Grippe-Impfstoffs und die fehlenden Möglichkeiten der medikamentösen Behandlungen wurden auf erschreckende Weise im Zuge der diesjährigen Grippesaison deutlich. Hunderttausende erkrankten und viele Menschen erlagen den Folgen der Infektion. Nun haben Wissenschaftler der Universität Zürich (UZH) einen neuen Mechanismus entdeckt, der möglicherweise auch zur Entwicklung besserer Grippe-Impfstoffe und wirksamerer -medikamente genutzt werden könnte.
Das Forschungsteam der UZH hat in Kooperation mit amerikanischen Wissenschaftlern einen neuen Mechanismus entdeckt, über den Antikörper in der Lunge mit Grippeviren interagieren. Die bisher unbekannte Bindungsart eröffne neue Möglichkeiten, um bessere Impfstoffe und wirksame Medikamente gegen Grippe zu entwickeln, so die Mitteilung der UZH. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in dem Fachmagazin „Cell Reports“ veröffentlicht.
Jährlich Millionen Grippe-Infektionen?
Jahr für Jahr leiden laut Angaben der Forscher weltweit Millionen von Menschen an Grippe, wobei sich die meisten Betroffenen nach einigen Tagen erholen. Doch laut Schätzungen der WHO seien jährlich auch 250.000 bis 500.000 Todesopfer infolge einer Grippeinfektion zu verzeichnen. Da es kaum wirksame Behandlungen gebe, konzentriere sich die Medizin konzentriert bisher auf die Grippeimpfung. Allerdings berge auch diese Unsicherheiten, da sich Influenzaviren und somit auch die Virenstämme, die weltweit kursieren, kontinuierlich verändern. „Die Impfstoffe müssen daher – basierend auf Prognosen – jedes Jahr neu hergestellt werden“, erläutern die Experten.
Welche Arten von Antikörpern sind am effektivsten??
Auf der Suche nach neuen Möglichkeiten zur Bekämpfung der Grippeviren haben die Wissenschaftler in Zellkulturen getestet, welche Arten von Antikörpern am beste gegen die Grippeviren wirken. Dabei zeigten sich die Antikörper des Subtyps IgA1 als effektivster Typ. „Antikörper vom Typ IgA, die häufig auf der Oberfläche von Schleimhäuten vorkommen, können uns auf zwei verschiedene Arten vor Infektionen schützen“, erläutert Lars Hangartner, ehemals Professor am Institut für Medizinische Virologie der UZH und Leiter der Studie.
Antikörper des Subtyps IgA1 besonders wirksam?
Die Experten erklären, dass Grippeimpfstoffe wirken, indem sie dem Immunsystem Antigene präsentieren. Dank dieser könne das Immunsystem lernen, Influenzaviren zu erkennen und Antikörper dagegen zu produzieren, sobald diese Viren erkannt werden. Allerdings werde durch die heutigen Grippeimpfstoffe die Bildung von anderen Antikörpertypen stimuliert – nämlich Immunglobulinen G (IgG). Bei den Tests verschiedener Typen in Zellkulturen haben sich jedoch die Antikörper des Subtyps IgA1, die am einen Ende des Moleküls über einen speziellen Zipfel mit Sialinsäuren verfügen, als effektivste herausgestellt.
Zwei Mechanismen der Antikörper?
Der Spezielle Zipfel dieser Antikörper blockiere jenen Teil des Grippevirus, „der es ihm erlaubt, sich an die Zellen zu binden und sie zu infizieren“, berichtet die UZH. Dies deute darauf hin, dass IgA1-Antikörper über zwei Arten der Immunaktivität verfügen – einerseits die erworbene Immunität, dank der die Antikörper mit ihren klassischen Bindungsstellen die Krankheitserreger spezifisch erkennen, und anderseits die angeborene Immunität über die Sialinsäuren am anderen Molekülende, mit denen die Viren eher unspezifisch und breit angegriffen werden.
Neue Antikörper entwickeln?
Den Angaben der Forscher zufolge heften sich die IgA-Antikörper somit gleichzeitig an zwei Stellen des Grippevirus. Laut Aussage des Studienleiter dürften die Erkenntnisse helfen, die Wirkung von Grippeimpfstoffen und -medikamenten künftig zu verbessern. Allerdings seien Antikörper des Typs IgA schwierig zu handhaben, weshalb neue Antikörper entwickelt werden müssten, die sich einfacher produzieren und an Mäusen testen lassen, so Hangartner. Die Forscher verfolgen daher die Idee, den Zipfel der IgA1 auf einen Antikörper des Typs IgG aufzupfropfen, welche viel einfacher zu handhaben seien. „Damit würden wir die Vorteile der beiden Antikörperarten kombinieren“, betont der Experte. Ein solches Molekül wäre wirksamer und widerstandsfähiger und dürfte für die Grippebekämpfung sehr nützlich sein, betont der Studienleiter. Dank der starken Bindung der Antikörper an die Viren würden bereits geringe Mengen reichen, um einen effektiven Schutz zu verleihen, so der Experte weiter. (fp)
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