Welche Krankheiten hängen mit dem Darmmikrobiom zusammen?
Wie das Mikrobiom im Darm („Darmflora“) die menschliche Gesundheit beeinflusst, ist von hohem Interesse in der aktuellen Medizinforschung. Studien der letzten Jahre haben der Darmflora eine größere Rolle in der Gesundheit des Menschen zugeteilt, als zuvor gedacht. Ein internationales Forschungsteam hat nun analysiert, welche Rückschlüsse sich aus der Zusammensetzung der Darmbakterien auf das Risiko für verschiedene Krankheiten ziehen lassen.
Forschende des Harvard Medical School und des Joslin Diabetes Center konnten genetische Signaturen im menschlichen Darmmikrobiom mit dem Risiko für mehrere Krankheiten in Verbindung bringen. Das Forschungsteam legt mit den Ergebnissen die Grundlage für Tests, die Anhand einer Analyse der Darmbakterien das Risiko für bestimmte Erkrankungen vorhersagen können, darunter koronare Herzkrankheit, Leberzirrhose, entzündliche Darmerkrankungen, Adipositas, Multipler Sklerose, Dickdarmkrebs und Typ-2-Diabetes. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Communications“ präsentiert.
Wir sind nicht allein in unserem Körper
Der menschliche Körper ist Gastgeber für Billionen von Bakterien, Pilzen, Viren und anderen Mikroorganismen. Zusammen ergeben sie das menschliche Mikrobiom. Studien der letzten Jahre brachten bestimmte Krankheiten immer wieder mit einem Ungleichgewicht dieses Mikrobioms in Verbindung.
Krankheitsrisiken an der Darmflora ablesen
Die Forschenden der aktuellen Studie gingen nun einen Schritt weiter und brachten bestimmte bakterielle Gene im Darm mit dem Risiko für bestimmte Krankheiten in Verbindung. Anders ausgedrückt: Menschen die spezielle Kombinationen von Bakterien in ihren Eingeweiden beherbergen, leiden mit höherer Wahrscheinlichkeit an bestimmten Erkrankungen.
Stuhlprobe gibt Aufschluss über zahlreiche Erkrankungsrisiken
Die Arbeit spiegelt den bislang umfassendsten Wissensstand im derzeitigen Verständnis über die Beziehung zwischen Mikroben im menschlichen Darm und der Entstehung spezifischer Krankheiten wider. Das Forschungsteam hält es für möglich, in absehbarer Zeit anhand einer einzigen Stuhlprobe das Risiko für zahlreiche Krankheiten zu bestimmen.
„Dies öffnet ein Fenster für die Entwicklung von Tests, die krankheitsübergreifende, genbasierte Indikatoren für die Gesundheit von Patienten verwenden“, betont Studienerstautor Dr. Braden Tierney. „Wir haben genetische Marker identifiziert, von denen wir denken, dass daraus ein Test entstehen könnte, der vor einer Reihe von Krankheiten warnen kann.“
Rolle des Mikrobioms bei der Krankheitsentstehung unklar
Bislang sei noch unklar, ob bestimmte Bakterien direkt an der Entstehung der Krankheiten beteiligt sind oder ob sich im Zuge des Krankheitsprozesses bestimmte Bakterien eher durchsetzen. Dies müsse in weiteren Studien untersucht werden.
Die wichtigsten Beobachtungen
Für die Studie werten die Forschenden über 2.500 Stuhlproben aus 13 unterschiedlichen Gruppen von Teilnehmenden mit verschiedenen Krankheitsbildern aus. Dabei wurden die Zusammenhänge zwischen sieben Krankheiten und Millionen von mikrobiellen Spezies, Stoffwechselwegen und Genen analysiert. 67 Millionen verschiedene statistische Modelle wurden im Rahmen der Arbeit berechnet. Dabei kristallisierten sich die Kandidaten heraus, die am stärksten mit den Krankheiten assoziiert waren. Einige der wichtigsten Beobachtungen waren:
- Es sind eher Kombinationen von bakteriellen Genen oder genetische Signaturen als einzelne Bakterienarten, die auf verschiedene Arten von Krankheiten hinweisen.
- Koronare Herzkrankheit, entzündliche Darmerkrankungen und Leberzirrhose wiesen ähnliche genetische Signaturen des Darmmikrobioms auf.
- Typ-2-Diabetes zeigte eine Mikrobiom-Signatur, die sich von allen anderen untersuchten Mikrobiomen unterscheidet.
- Das Vorhandensein der Bakterienart Solobacterium moorei sowie einigen Unterarten steht mit Darmkrebs in Verbindung.
Unvorstellbare Anzahl von Mikroorganismen
Die Forschenden weisen darauf hin, dass das kollektive menschliche Mikrobiom möglicherweise mehr Gene beinhaltet, als es bislang beobachtete Sterne im Universum gibt. Angesichts der schieren Anzahl von mikrobiellen Genen, die sich im menschlichen Körper befinden, stellen die neuen Erkenntnisse einen großen Schritt vorwärts im Verständnis der Komplexität des Zusammenspiels zwischen menschlichen Krankheiten und dem menschlichen Mikrobiom dar“, resümieren die Forschenden. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Harvard Medical School: Gut Check (veröffentlicht: 18.05.2021), hms.harvard.edu
- Braden T. Tierney, Yingxuan Tan, Aleksandar D. Kostic, et al.: Gene-level metagenomic architectures across diseases yield high-resolution microbiome diagnostic indicators; in: Nature Communications, 2021, nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.