Menschlicher Geruchssinn deutlich besser als angenommen
Bisher galt der menschliche Geruchssinn im Vergleich zu Hunden und andern Tieren als eher zurückgeblieben. Doch hat das Fachmagazin „Science“ nun ein Interview mit einem renommierten Neurowissenschaftler veröffentlicht, dem zufolge unser Geruchssinn deutlich besser ist, als vielfach angenommen. John McGann von der Rutgers University in New Brunswick (New Jersey) erklärt in dem Interview, wie es seiner Ansicht nach zu der Fehleinschätzung des menschlichen Geruchssinns kommen konnte.
Die meisten Menschen haben schon einmal gehört, dass ihr Geruchssinn im Vergleich zu Hunden und anderen Tieren nicht überzeugen kann. Wissenschaftlich begründet wurde diese Überlegung ursprünglich anhand der vergleichsweise geringen Größe des sogenannten olfaktorischen Systems in Relation zu der Größe unseres Gehirns insgesamt. Beispielsweise nimmt dies bei Mäusen oder Hunden verhältnismäßig deutlich mehr Raum ein. Doch kann der Mensch laut Aussage von John McGann wesentlich besser riechen, als bisher angenommen.
Ursprünge der Fehleinschätzung des Geruchssinns
Die Annahme, das unser Geruchssinn eher schlecht ist, geht laut Aussage des Experten zurück bis ins 19. Jahrhundert, als der französische Anatom und Anthropologe Paul Broca die Gehirne verschiedener Tiere mit dem menschlichen Gehirn verglich. Dabei zeigte sich der sogenannte olfaktorische Bulbus (Bulbus olfactorius) des Menschen als sehr klein im Vergleich zu der Größe des Gesamtgehirns. Bei einer Maus oder einer Ratte schien der olfaktorische Bulbus hingegen im Verhältnis zur Gesamtgehirngröße wesentlich ausgeprägter, berichtet McGann.
Freier Wille schlägt Geruchssinn
Auch war Broca der Ansicht, dass ein wichtiger Teil des freien Willens nicht durch Gerüche beeinflusst wird, was uns Menschen von Tieren unterscheide, die animalischen Instinkten folgend zu bestimmten Verhaltensweisen wie beispielsweise dem Paarungsverhalten getrieben werden, erläutert McGann. Menschen seien dazu in der Lage, nach freiem Willen zu entscheiden, wie sie auf Gerüche reagieren. Eine Idee, die laut McGann auch von den Überlegungen Sigmund Freuds unterstützt wurde, der den Geruch einem tierischen Ding gleichsetzte, das hinter sich gelassen werden musste, als wir Menschen zu rationalen Wesen wurden.
Menschen als schnüffelnde Spurensucher
Über die Jahrhunderte haben die Psychologie, Philosophie und Anthropologie auf verschiedenen Wegen zu der Vermutung geführt, dass die Menschen keinen guten Geruchssinn haben, erläutert der Experte. Doch neuere Studien kommen laut McGann zu einem anderen Ergebnis. So habe eine Studie vor wenigen Jahren beispielsweise ergeben, dass wir eine Milliarde verschiedene Gerüche auseinander halten können. In einer anderen Studie der Universität von Kalifornien hätten Wissenschaftler eine Geruchsspur auf einem Feld gelegt, der Menschen auf allen Vieren kriechend mit verbundenen Augen folgen sollten. Die teilnehmenden Schüler war dabei sehr wohl in der Lage, dem auf dem Feld angelegten Weg zu folgen, berichtet McGann.
Unterschiedliche Stärken bei der Geruchsunterscheidung
Zwar wurde in der Studie nicht der Geruchssinn von Menschen und Hunden verglichen und McGann vermutet, dass die Hunde – je nach Geruch – gewinnen würden. Doch werde deutlich, dass die Grenzen der Spurensuche mittels des menschlichen Geruchssinns bisher nicht wirklich untersucht sind. „Wenn man auf gewöhnliche Gerüche blickt, die vielleicht sogar sehr ähnlich zueinander sind, werden Sie feststellen, dass die Menschen am empfindlichsten für den einen sind und die Hunde am empfindlichsten auf einen anderen reagieren“, berichtet der Experte weiter.
Blutgeruch nehmen wir besonders intensiv war
Besonders empfindlich reagiert der menschliche Geruchssinn laut McGann zum Beispiel auf eine Komponente des menschlichen Blutgeruchs. Dabei werden Gerüche nicht nur im olfaktorischen Zentrum und sondern auch in Gehirnregionen wie der Amygdala und dem Hippocampus verarbeitet, erläutert der Experte. So seien Gerüche zum Beispiel mit Emotionen und Erinnerungen verbunden. In einer aktuellen Studie hatten Wissenschaftler der Universitäten Bern, Köln und Bochum außerdem festgestellt, dass Duftstoff Hedion Einfluss auf das menschliche Verhalten und die Kooperation hat.
Geruchssinn vielfach vernachlässigt
Der menschliche Geruchssinn verdient laut Aussage des Experten deutlich mehr Aufmerksamkeit. Viele Leute verlieren ihren Geruchssinn und spüren anschließend die Beeinträchtigungen, so McGann. „Wenn Sie Ihren Geruchssinn verlieren, beeinflusst das Ihr gesamtes psychologisches Wohlbefinden“, betont der Neurowissenschaftler. So seien auch Zusammenhänge mit Depressionen und Beeinträchtigungen im sozialen Umgang bei einem Verlust des Geruchssinns nachgewiesen. (fp)
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