Immer weniger freiberufliche Hebammen in der Geburtshilfe
Jede freiberuflich tätige Hebamme ist dazu verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen, um gegen Schadensfälle in der Geburtshilfe abgesichert zu sein. Die Versicherungsbeiträge steigen jedoch kontinuierlich, was dazu führt, dass immer weniger freiberufliche Hebammen Haus- oder Beleggeburten anbieten. Zum 1. Juli hat sich der Beitrag zur Haftpflichtversicherung erneut drastisch erhöht. 6.274 Euro jährlich muss nun jede Hebamme berappen, wenn sie Geburtshilfe anbietet. Die Nachrichtenagentur „dpa“ sprach mit den Oldenburger Hebammen Annkatrin Pauli-Glanz und Silke Tapken über ihre Arbeit und die schwierige finanzielle Situation.
Hebamme müssen für Geburtshilfe horrende Haftpflichtprämien zahlen
Hebamme Pauli-Glanz nimmt sich für die Untersuchung einer Hochschwangeren eine Stunde Zeit. Sie arbeitet im Oldenburger Geburtshaus im Ökozentrum. Noch finden dort Geburten statt. In einem Monat legen Pauli-Glanz und ihre drei Kolleginnen jedoch eine Zwangspause ein. Drei Monate lang bieten die Hebammen dann keine Geburten mehr an, um die Kosten für die Haftpflichtversicherung zu sparen. „Diese übersteigt inzwischen unsere Miete”, berichtet Hebamme Tapken, die für die Finanzen des Geburtshauses zuständig ist.
Zum 1. Juli hat sich die Haftpflichtprämie noch einmal kräftig erhöht. Satte 20 Prozent muss jede freiberufliche Geburtshelferin nun jährlich zahlen, insgesamt 6.274 Euro. Zum Vergleich: Für eine Beleggeburt erhält eine Hebamme dem Verein „Hebammen für Deutschland e.V.“ zufolge 237,85 Euro, für eine Hausgeburt 548,80 Euro und für eine Geburt im Geburtshaus 467,20 Euro. Wenn man bedenkt, dass sich eine Geburt häufig über viele Stunden hinzieht und die Hebamme immer auf Abruf bereitstehen muss, sind die Honorare nur schwer als angemessen zu bezeichnen. Die Folge der hohen Haftpflichtversicherungsbeiträge und der geringeren Honorare sind steig sinkende Zahlen bei den freiberuflichen Hebammen in der Geburtshilfe. Von der aktuellen Erhöhung der Versicherungsprämie sind rund 2.500 der insgesamt etwa 18.000 freiberuflichen Hebammen in Deutschland betroffen.
Zwangspause im Geburtshaus, um teuren Haftpflichtversicherungsbeitrag zu sparen
Um die Hohen Versicherungsbeiträge aufbringen zu können, müssen Hebammen viel arbeiten. Mit einer 40-Stunden-Woche kommt kaum eine aus. „Unser Stundenlohn ist ein Witz”, so Pauli-Glanz. „Deshalb ist unser Tag knackevoll mit Terminen.” Hinzu kommen Nachtbereitschaft und dauerhafter Schlafmangel, denn nicht selten werden die Frauen nachts aus dem Bett geklingelt. „Wir gehen auf dem Zahnfleisch”, berichtet Tapken. Auch das ist ein Grund für die Hebammen, nun die Notbremse zu ziehen und eine Zwangspause über den Sommer bei der Geburtshilfe einzulegen. Wie es danach weitergeht, ist noch ungewiss.
Eigentlich findet ein Ausgleich für die gestiegene Haftpflichtprämie durch die Krankenkassen statt. Jedoch scheiterten die Verhandlungen über die Höhe mit dem Hebammenverband. „Die Situation ist außerordentlich schwierig. Zum einen konnten wir mit den Krankenkassen keine Einigung über den Ausgleich der Haftpflichtprämiensteigerungen erreichen. Das bedeutet, dass die Hebammen die Erhöhung zunächst alleine bewältigen müssen. Zum anderen gibt es bislang noch keine Verständigung über die Ausgestaltung des Sicherstellungszuschlages, der auch Hebammen mit wenigen Geburten ermöglichen soll, die Haftpflichtprämie zu bezahlen”, erklärt Katharina Jeschke, die für den Deutschen Hebammenverband mit den Krankenkassen-Spitzenverband GKV verhandelt.
Hebammen mit wenigen Geburten trifft Erhöhung der Haftpflichtprämie besonders hart
Hebammen, die nur wenige Geburten im Jahr betreuen, trifft die Erhöhung des Haftpflichtbeitrags besonders hart. „Es gibt ein Verteilungs- und Gerechtigkeitsproblem zwischen den Hebammen”, berichtet Florian Lanz vom GKV im Gespräch mit der Nachrichtenagentur. „Beim Ausgleich der Haftpflichtprämien werden die einen überbezahlt, die anderen bekommen zu wenig.” Um diese Ungerechtigkeit zu beenden, sieht der Gesetzgeber ab dem 1. Juli einen sogenannten Sicherstellungszuschlag für Hebammen mit wenig Geburten vor. Jedoch streiten der Hebammenverband und die Kassen um dessen Ausgestaltung. So will der GKV jeder Hebamme alle zwei Monate einen Zuschlag zahlen, sofern sie mindestens eine Geburt betreut hat. Der Hebammenverband bewertet diesen Vorschlag jedoch als rechtswidrig. Zudem sei die Summe zu gering. Nun soll eine Schiedsstelle entscheiden, was sich jedoch über Monate hinziehen kann. Eine langfristige Lösung wird aber auch diese Entscheidung nicht mit sich bringen, solange die Prämien für Hebammen kontinuierlich weiter steigen. (ag)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.