Kann Handy-App Besuch beim Hautarzt ersparen?
21.02.2014
Patienten müssen meist lange Wartezeiten in Kauf nehmen, um einen Termin beim Hautarzt zu bekommen. Eine neue Handy-App soll zukünftig Abhilfe schaffen. Ein mit dem Handy aufgenommenes Foto der Hautprobleme wird dann über die App an einen Hautarzt weitergeleitet. Der Experte gibt spätestens nach zwei Tagen ebenfalls über die App eine Handlungsempfehlung. Unter Medizinern ist das Angebot jedoch umstritten. Viele halten die Handy-App vor allem für Geschäftemacherei, denn die Patienten müssen für ihre Anfragen zahlen.
Handy-App soll Handlungsempfehlungen bei Hautproblemen geben
Wenn die Haut plötzlich zu jucken beginnt und sich ein roter Hautausschlag bemerkbar macht, bleibt meist nur der Gang zum Hautarzt. Dann heißt es erst einmal warten im überfüllten Wartezimmer. In vielen Praxen beträgt die Wartezeit auf einen Termin nicht selten mehrere Monate. Simon Bolz und Simon Lorenz glauben, eine Lösung für das Problem gefunden zu haben. Der Sozialwissenschaftler und der Gesundheitsmanager haben gemeinsam mit Facharzt Johannes Ring von der Technischen Universität München eine Handy-App entwickelt, die ein schnelleren Zugang zu hautärztlichen Handlungsempfehlungen ermöglichen soll. Mit „Goderma“ können Patienten ihre Hautprobleme fotografieren und an einen Hautarzt senden. Dieser begutachtet das Foto und sendet binnen zwei Tagen eine Antwort mit Handlungsempfehlung zurück. Dafür muss der Ratsuchende 29 Euro bezahlen.
Viele Ärzte stehen Handy-App für Anfragen beim Hautarzt skeptisch gegenüber
Die technische Umsetzung ist unproblematisch. Juristisch ist die Telemedizin in Deutschland aber nicht so leicht durchsetzbar. So zeigen sich Fachverbände und Ärztekammern sehr skeptisch. „Berufsrechtlich ist das nicht zulässig, weil es ein Fernbehandlungsverbot für Ärzte gibt", gibt Sascha Rudat, Sprecher der Berliner Ärztekammer, gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“ zu bedenken. Die Qualität der Fotos und die Datensicherheit könnten zu Problemen führen. Zudem sieht der Experte kaum Vorteile für die Patienten durch die Handy-App. „Wenn der Rat lautet: Suchen Sie einen Hautarzt auf – was bringt das dann?" Es soll nun überprüft werden, welche Ärzte in Berlin mit der Firma zusammenarbeiten. „Wir werden ihnen auf die Finger klopfen", mahnt Rudat.
Andere Experten zeigen sich ebenfalls skeptisch. „Das ist ein mutiges Vorhaben, aber medizinisches und juristisches Neuland", erläutert Klaus Strömer, Präsident des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen, gegenüber der Nachrichtenagentur. Die Kollegen, die bei dem Projekt bisher mitmachten, seien zwar seriöse Kollegen, dennoch bleibe die Fachgesellschaft weiter kritisch. Den teilnehmenden Ärzte stehe noch eine Erklärung vor dem Berufsverband bevor. Strömer hofft, dass sie „rechtlich hoffentlich gut beraten" sind. Zudem kann sich der Experte nur schwer vorstellen, wie Diagnosen per Foto gestellt werden. „Ich kann einen Patienten nicht nach der Vorgeschichte fragen", so Strömer. Er wolle Patienten auch nicht mit einer Verdachtsdiagnose beispielsweise bei einer bösartigen Hauterkrankung allein lassen.
Gesundheits-Apps sind bereits in vielen Ländern etabliert
Die beiden Firmengründer wollen die Handy-App dennoch durchsetzen. Sie weisen auf zahlreiche Vorteile für die Patienten hin. So würden lange Wartezeiten beim Hautarzt vermieden und leichte Beschwerden könnten vorab von ernsteren Leiden unterschieden werden. „Wer Fußpilz hat, muss nicht zum Hautarzt", erläutert Bolz gegenüber der Nachrichtenagentur. Anders sei es im Fall einer Gürtelrose, die dringend behandelt werden müsse. Die App sei keine Alternative zu einer Untersuchung beim Hautarzt. Sie biete lediglich eine erste Orientierung für Ratsuchende.
Die Deutsche Gesellschaft für Telemedizin steht der Handy-App der Berliner offenen gegenüber. „Wir sehen viele Gesundheits-Apps kritisch, weil keine medizinische Expertise dahintersteht", erläutert Sprecher Wolfgang Loos gegenüber der Nachrichtenagentur. „Aber solange Ärzte involviert sind, ist das nicht anzufechten". Diese Diensten müssten aber immer selbst bezahlt werden. Ob das deutsche Fernbehandlungsverbot in der Musterberufsordnung für Ärzte noch zeitgemäß ist, würde Loos vermutlich mit „Nein“ beantworten. Selbst die Krankenkassen würden schließlich telefonische Notdienste anbieten. In Skandinavien, den USA und Frankreich gehörten E-Heath-Strategien schon seit längerer Zeit zum Alltag.
In Deutschland beschränkt sich Telemedizin auf wenige Einsatzgebiete
Viele Ärzte und Gesundheitsexperten scheuen sich in Deutschland vor einer Ausweitung der Telemedizin. Derzeit nutzen Kliniken die Technik, um Herzkranke und Diabetiker besser zu überwachen. In Südbrandenburg kommt Telemedizin bereits seit 2010 zur Anwendung. Bernd Richter, Hautarzt in Bad Liebenwerda, wird beispielsweise von Hausärzten über ein sicheres Netz kontaktiert, wenn diese eine Einschätzung des Facharztes benötigen. Häufig ist bereits ein Foto des Hautproblems beigefügt. Kommt Richter zu dem Schluss, dass es sich möglicherweise um Hautkrebs handelt, bekommt der betroffene Patient umgehend einen Termin in seiner Praxis. „Sonst gibt es bis zu einem halben Jahr Wartezeit", erklärt Richter gegenüber der Nachrichtenagentur. Die Handy-App „Goderma“ würde der Hautarzt aber nicht unterstützen. „Ich brauche meine Lichtlupe. Und ich muss die Haut anfassen. Bei allem anderen hätte ich Bauchschmerzen."
Dennoch würde er eine sinnvolle Ausweitung der Telemedizin begrüßen. So könnten Ärzte mit Kollegen und Patienten skypen. Auch Klinikärzte, Chirurgen und andere Fachärzte könnten mit eingebunden werden. Das wäre auch in Pflegeheimen möglich. „Wir haben hier so lange Wege für Patienten. Das könnte ihnen das Leben sehr erleichtern", meint Richter.
In Deutschland gibt es aber neben den juristischen Problemen von Ferndiagnosen weitere Schwierigkeiten. Hierzulande besteht vielerorts keine schnelle Internetverbindung, die eine Grundvoraussetzung für die Telemedizin ist. Vor allem in ländlichen Gebieten ist die Geschwindigkeit zu langsam, um Diagnosen durchgängig und zuverlässig stellen zu können. (ag)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.