Hartz IV: Schulden durch Krankenversicherung
03.03.2011
Hartz-IV-Empfänger müssen Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen zahlen und Privatversicherte Hilfeempfänger müssen mit Schuldenbergen kämpfen. Schuld daran ist eine unzureichende Gesetzeslage und zahlreiche Lücken im System. Die schwarz-gelbe Bundesregierung macht allerdings kaum Anstalten, diese untragbare Situation zu verändern.
Eigentlich ist die Gesetzeslage eindeutig, wer auf das Arbeitslosengeld II angewiesen ist, muss selbst nicht für die Kosten der Krankenversicherung aufkommen. Die Jobcenter sind dazu verpflichtet, die Krankenkassenbeiträge in voller Höhe zu übernehmen. Eigens dafür bieten die Kassen einen abgesenkten Beitragssatz an. Doch zahlreiche Gesetzeslücken und unzureichende Regelungen versetzen die Betroffenen in die Lage, dennoch Beiträge für den Krankenschutz von den Regelleistungen entrichten zu müssen. Die Bundesregierung sieht bislang keinen Handlungsbedarf und wälzt Unklarheiten weiterhin auf die Sozialgerichte ab.
Privatversicherte Hartz IV Bezieher mit hohen Schuldenbergen
Eben ein solches Urteil sprach das Bundessozialgericht am 18.Januar diesen Jahres. Hier stellten die obersten Hüter des Sozialrechts klar, dass privatversicherte Hartz IV Bezieher einen vollen Anspruch auf die Übernahme eines angemessenen Basistarifs haben. Bis zu diesem Urteil mussten die Betroffenen die Deckungslücke von den Regelleistungen begleichen. Ein fast unmöglicher Kraftakt, den sie bewältigen mussten, denn der ALG II Regelsatz reicht bekanntlich kaum aus, um den täglich Bedarf an Kleidung, Ernährung und kultureller Teilhabe abzudecken. Die Folge: Die meisten Hartz IV Empfänger mit einer privaten Krankenversicherung verschuldeten sich.
Obwohl die Schuldenberge durch die ungenügende Rechtslage verursacht wurden, weigern sich die Jobcenter rückwirkend die PKV Beiträge zu erstatten. Für den Rechtsanwalt Markus Klinder ist der Fall klar: Hier missachtet die Bundesagentur für Arbeit das gefällte Urteil des Bundessozialgerichts. Anscheinend auf Weisung von Seiten der Bundesregierung. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine „Kleine Anfrage“ der Bundestagsfraktion der Linken geht hervor, dass die Beiträge in voller Höhe nur rückwirkend bis zum gefällten Urteil erstattet werden müssen. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Betroffenen allerdings tausende Euro an Schulden angehäuft. Noch hält man sich offen, ob die Beitragsrückstände in voller Höher rückerstattet werden. So heißt es in der vorliegenden Antwort: "Ob und inwieweit das Urteil des Bundessozialgerichts Auswirkungen auf die aufgelaufenen Beitragsschulden hat, kann erst bewertet werden, wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt". Auch die privaten Krankenversicherer fordern eine Begleichung der angehäuften Schulden. Der PKV Verband ließ vermelden, dass man auf die ausstehenden Beiträge nicht verzichten werde. So oder so besteht man auf die Begleichung der ausgebliebenen Beiträge. Nun sorgen sich die Betroffenen, ob die Politik handelt oder sie wieder im Stich lässt. Gesundheitsökonomen gehen davon aus, dass es sich dabei um Summen in vierstelliger Höhe handeln dürfte, die sich in den letzten zwei Jahren bei den Betroffenen angehäuft haben.
Als besonders schwerwiegend erweist sich die Situation, wenn Betroffene wieder aus dem Hartz-IV-Bezug eentrinnen. "Dann wird das Problem akut", sagte Anke Plener, Fachanwältin für Sozialrecht in Berlin gegenüber der „Tageszeitung TAZ“. "Wenn einem Bedürftigen das gelingt, er aber die rückständigen Versicherungsbeiträge in der Privaten Krankenversicherung nicht zahlt, sinkt sein Versicherungsschutz auf eine Notversorgung." Denn der Gesundheitsschutz gilt laut einer Sonderklausel nur bei Hartz IV. Sobald dieser aber die Erwerbslosigkeit überwunden hat und die rückständigen Beiträge nicht zahlen kann, verändert sich der Basisschutz in eine Notversorgung ohne Gesundheitsleistungen.
Zusatzbeiträge trotz Sozialausgleich
Besonders ärgerlich erleben die derzeitige Situation auch gesetzlich Krankenversicherte im ALG II Bezug. Eigentlich sollte laut der verabschiedeten Gesundheitsreform für Geringverdiener eine Sozialausgleich erfolgen, wenn die Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erhebt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Weil momentan nur eine Minderheit der Kassen einen Zusatzbeitrag erhebt, liegt der derzeitige durchschnittliche Zusatzbeitrag bei Null Euro, obwohl 13 der 160 Krankenkassen einen zusätzlichen Obolus von ihren Versicherten erheben. Wenn nun die Krankenkasse ihre Satzung ändert, müssen auch Erwerbslose den durchschnittlichen Zusatzbeitrag von acht Euro zahlen. Das Problem ist größer, als die Bundesregierung zugibt, denn auch große Kassen wie die DAK erheben Zusatzbeiträge. Da die DAK schon seit Frühjahr 2010 einen Zusatzbeitrag verlangt, können die Betroffenen auch nicht von einem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen. Dieses Recht besteht nur, wenn die Kasse unmittelbar einen Zusatzbeitrag erhebt, oder den bestehenden erhöht. Da sich die Jobcenter weigern, die Kosten zu übernehmen und auf das Kündigungsrecht hinweisen, müssen Hartz 4 Bezieher den Zusatzbeitrag aus den Regelleistungen bestreiten. Und acht Euro bedeutet bei Hartz IV etwa 2 Tage ohne Lebensmittel auskommen zu müssen. (sb)
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Bild: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de
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