Urteil: Zusatzbeitrag trotz Sozialhilfe
06.08.2011
Auch wer Sozialhilfe (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit) bezieht, muss den Zusatzbeitrag der gesetzlichen Krankenkassen bezahlen. Das ergeht aus einem aktuellen Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) in Darmstadt.
Im konkreten Fall klagte ein Mann, der Grundsicherung aufgrund einer Erwerbsunfähigkeit (umgangssprachlich Sozialhilfe) bezieht, gegen seine Krankenkasse. Diese erhebt aktuell einen Zusatzbeitrag von acht Euro je Monat. Zusatzbeiträge verlangen Kassen, wenn sie mit den Zuwendungen aus dem Gesundheitsfonds finanziell nicht mehr auskommen. Betroffen davon sind nach der Schließung der City BKK momentan 11 Krankenkassen. Im Zuge der Gesundheitsreform wurde die zuvor festgelegte Grenze des maximalen Zusatzbeitrages aufgehoben. Der Grund: Die Krankenkasse sollen nach Meinung der schwarz-gelben Koalition stärker in Konkurrenz treten und Beitragseinnahmen auch Einkommensunabhängig erheben.
Die Zahlung des Zusatzbeitrages ist nach Ansicht des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt auch dann zulässig, wenn der Versicherte nur über ein sehr geringes Einkommen verfügt. Der Kläger hatte argumentiert, dass es gegen die deutsche Verfassung verstößt, wenn die Krankenkasse von einem erwerbsunfähigen Versicherten, der nur über ein geringes Einkommen auf Hartz-IV Niveau verfügt, einen Zusatzbeitrag verlangt. Die Kasse setzte sich zur Wehr und machte auf die Möglichkeit des Sonderkündigungsrechts aufmerksam.
Der Kläger hätte die Kasse wechseln können
Die Richter sahen es aber als erwiesen an, dass der Versicherte nach der Erhebung des zusätzlichen Beitrages von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen hätte können. Denn bevor die Kasse einen zusätzlichen Beitrag erhebt, werden Mitgliedsbriefe mit der Ankündigung des Zusatzbeitrages versendet, in denen auch auf das Sonderrecht auf Kündigung aufmerksam gemacht wird. Nur wenn dieser Hinweis fehlt, können sich Versicherte nachträglich gegen die Erhebung wehren, wie dies zuletzt bei der geschlossenen City BKK der Fall war. Die Landessozialrichter konnten demnach keinen Verstoß gegen die bundesdeutsche Verfassung ausmachen. "Jeder Versicherte hat das Recht die Krankenkasse zu kündigen" hieß es im Urteil. Dieses Prinzip entspricht auch dem Konzept der umgesetzten Gesundheitsreform. Demnach müssen auch Hartz IV Bezieher, Bezieher der Grundsicherung und weitere Sozialleistungsempfänger grundsätzlich den Zusatzbeitrag zahlen. Die Richter wiesen im weiteren daraufhin, dass der Gesetzgeber einen sogenannten Sozialausgleich geschaffen hat. Damit sollen untere Einkommensgruppen entlastet werden. Der Kläger muss nun weiterhin den Zusatzbeitrag von acht Euro ableisten oder von dem regulären Kündigungsrecht Gebrauch machen und die Kasse wechseln. Aktenzeichen: L 1 KR 24/11. (sb)
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