Hepatitis E: Wie das Virus das Immunsystem überlistet
Das Hepatitis-E-Virus (HEV) ist weltweit verbreitet. Hierzulande wird der Erreger immer wieder in Schweinefleischprodukten nachgewiesen. Bislang gibt es kein wirksames Medikament dagegen. Forschende berichten nun, wie das Virus das Immunsystem austrickst.
Laut einer neuen Studie könnten fehlerhafte Viruspartikel ein Täuschungsmanöver sein, um das Immunsystem von der Bekämpfung infektiöser Hepatitis-E-Viren abzulenken. Die Studienergebnisse des Teams aus der Abteilung Molekulare und Medizinische Virologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) um Dr. Toni Meister, Dr. Daniel Todt und Prof. Dr. Eike Steinmann wurden in dem Fachjournal „PNAS“ veröffentlicht.
Verschiedene Mutationen analysiert
Wie es in einer Mitteilung der RUB heißt, infizieren sich jedes Jahr über drei Millionen Menschen mit dem Hepatitis-E-Virus. Bisher gibt es kein spezifisch wirksames Medikament.
Welche Faktoren für das Virus im Laufe seines Vermehrungszyklus wichtig sind und wie es ihm gelingt, die Infektion aufrechtzuerhalten, hat nun ein internationales Forschungsteam untersucht.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten verschiedene Mutationen des Virus und fanden Veränderungen, die es dem Virus möglicherweise erlauben, das Immunsystem zu überlisten.
Wichtiger Abwehrmechanismus gegen virale Infektionen
Ein wichtiger Abwehrmechanismus gegen Virusinfektionen in unserem Körper sind besondere Eiweiße, die Antikörper. Diese binden spezifisch meist an Oberflächenproteine des Virus, um den Erreger unschädlich zu machen.
Doch Viren haben Strategien entwickelt, sich dieser Identifizierung zu entziehen. Während einer Infektion mit dem Hepatitis-E-Virus entstehen durch zufällige Mutationen oft Virusvarianten, die innerhalb einer infizierten Person nebeneinander existieren können.
Der antivirale Wirkstoff Ribavirin, den viele chronisch Infizierte erhalten, kann die Bildung solcher viralen Varianten sogar noch weiter verstärken.
Die Forschenden schauten sich jetzt acht solcher Virusvarianten aus Proben chronisch infizierter und mit Ribavirin behandelter Patientinnen und Patienten genauer an. Sie wollten wissen: Bringen die genetischen Veränderungen Vor- oder Nachteile für das Virus mit sich? Haben sie beispielsweise Einfluss auf die Vermehrungsfähigkeit oder die Infektiosität?
Bei einer Mutation wurden Unterschiede festgestellt
„Während sich sieben der untersuchten Mutationen genauso verhielten wie der Wildtyp, haben wir bei einer Mutante Unterschiede feststellen können“, erklärt Toni Meister. Diese Mutation betrifft das Capsidprotein, das für die Verpackung der Viruspartikel essenziell ist.
„Die Viren mit dieser Mutation werden falsch zusammengesetzt, sind vermutlich kleiner als das Wildtypvirus, und das Capsidprotein reichert sich nicht in der Zelle an“, sagt Daniel Todt. Diese Partikel sind nicht infektiös, werden jedoch von Antikörpern des Immunsystems korrekt erkannt und gebunden.
„Hierin könnte ein Vorteil für das Virus liegen, wenn diese defekten Viren die Antikörper praktisch abfangen, sodass nicht mehr genug vorhanden sind für korrekt zusammengesetzte, infektiöse Viruspartikel“, meint Eike Steinmann.
Jährlich rund 70.000 Todesfälle
Das Hepatitis E-Virus (HEV) ist laut den Fachleuten der Hauptverursacher akuter Virushepatitiden. Rund 70.000 Menschen sterben jährlich an dieser Krankheit.
Normalerweise heilen akute Infektionen bei Patientinnen und Patienten mit intaktem Immunsystem von selbst aus.
Bei Betroffenen mit reduziertem oder unterdrücktem Immunsystem wie Organtransplantatempfängerinnen und -empfängern oder HIV-infizierten kann HEV chronisch werden. Auch für Schwangere ist HEV besonders bedrohlich. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ruhr-Universität Bochum: Wie Hepatitis E das Immunsystem überlistet, (Abruf: 21.08.2022), Ruhr-Universität Bochum
- Toni Luise Meister et al.: A ribavirin-induced ORF2 single-nucleotide variant produces defective hepatitis E virus particles with immune decoy function; in: PNAS, (veröffentlicht: 15.08.2022), PNAS
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.