Vereinigte Staaten verzeichnen so viele Drogen-Opfer wie seit Jahrzehnten nicht mehr
Die Droge Heroin ist in den USA offenbar so verbreitet wie schon lange nicht mehr. Fast 80 Prozent mehr Abhängige als im Jahr 2007 und täglich 125 Todesopfer zeigen, dass das gefährliche Rauschgift die Vereinigten Staaten wieder voll im Griff hat. Statt den Fokus auf die Strafverfolgung zu richten, will die Regierung nun durch Prävention und Therapie versuchen, den vielen Süchtigen zu helfen.
Heroin-Konsum im Bus kursiert derzeit im Internet
Ein junger Mann sitzt in einem Bus in der US-Großstadt Philadelphia und spritzt sich Heroin. Er wird dabei mit einem Handy gefilmt, doch das hält ihn nicht davon ab, sich den so genannten „Schuss“ zu setzen. Das Video ist derzeit auf Online-Plattformen wie „You Tube“ zu sehen, knapp 120.000 User haben es bereits angeklickt. Das Szenario wirkt verstörend, scheint jedoch leider kein Einzelfall zu sein. Denn Heroin erlebt in den USA derzeit ein trauriges Comeback und zieht so weite Kreise wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Laut der Nachrichtenagentur „dpa“ gibt es heute etwa 290.000 Abhängige landesweit, was einen Anstieg um fast 80 Prozent im Vergleich zum Jahr 2007 bedeutet. Wie aus der Statistik der Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) hervorgeht, sterben aktuell pro Tag 125 Menschen in den USA durch illegale Drogen, 78 davon durch Heroin und andere Opioide. Umgerechnet fielen 2014 demnach knapp 29.000 Konsumenten ihrer Sucht zum Opfer. In Deutschland gab es weniger als 500 Heroin-Tote so die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, in ihrer Jahresstatistik. Damit sind die Todeszahlen in Hinblick auf die Bevölkerungszahlen in den USA fast 60 Mal so hoch wie bei uns.
Großteil der Abhängigen nahm erst Schmerzmittel
Doch warum ist Heroin erneut so verbreitet in den USA? „Die aktuelle Epidemie entstand vor allem aus Schmerzmittelverschreibungen”, erklärt David Rosenbloom von der medizinischen Fakultät der Universität Boston im Gespräch mit der „dpa“. „Bis zu 80 Prozent der Menschen, die heute Opioide missbrauchen, haben vorher Schmerzmittel verschrieben bekommen“, so der Experte weiter. Seit den 1990er Jahren gebe es demnach in den USA mehr Verschreibungen von starken Schmerzmitteln wie Oxycontin oder Vicodin. Da die Wirkstoffe in den Arzneien dem Heroin ähneln, würden die Menschen irgendwann auf dieses umsteigen, „weil es billiger und leichter zu bekommen ist”, führt Rosenbloom fort.
Robert DuPont, Gründer des Nationalen Instituts für Drogenmissbrauch, ist anderer Meinung. „Viele haben bereits Erfahrungen mit Drogen gemacht, bevor sie Schmerzmittel konsumieren”, sagt er. Aus seiner Sicht liege die Hauptursache in der einfachen Verfügbarkeit: Denn während sich Käufer früher in unsichere Stadtviertel begeben mussten, um einen Dealer zu treffen, sei der Zugang heute kein Problem mehr. Vielmehr gebe es mittlerweile sogar eine Art „illegalen Lieferservice“. „Heute kommt das Heroin zu ihnen”, erklärte DuPont laut der Nachrichtenagentur kürzlich auf einer Veranstaltung der Drug Enforcement Agency (DEA).
Heroin überschwemmte schon in den 1970er Jahren das Land
Das Problem mit dem Heroin ist für die Vereinigten Staaten nicht neu. Schon in den 1970er Jahren wurde das Land von der Droge überschwemmt. Bands wie die Rolling Stones und Black Sabbath machten sie in ihren Songs zum Thema, berühmte Punkrock-Musiker wie Sid Vicious von den Sex Pistols starben an einer Überdosis. Damals herrschte in der Öffentlichkeit Einigkeit darüber, dass der Drogenmissbrauch kriminell – und dementsprechend zu bestrafen sei. Nelson Rockefeller als damaliger Gouverneur von New York setzte schließlich 1973 durch, dass auf den Besitz von vier Unzen (ca. 114 Gramm) Heroin mindestens 15 Jahre Gefängnis folgen. Ab Mitte der 1970er Jahre gingen die USA mit drastischen Mitteln gegen die Produzenten und Händler vor, zerstörten Mohnfelder in Mexiko und brachten hunderte Dealer hinter Gitter. In der Folge konnte das Drogen-Problem eingedämmt und die Zahl der Todesfälle durch eine Heroin-Überdosis von 2000 im Jahr 1975 auf 800 im Jahr 1980 minimiert werden, so der Bericht der „dpa“.
Therapie und Vorsorge stehen im Mittelpunkt
Heute bildet die Strafverfolgung jedoch nicht mehr den Mittelpunkt der Bekämpfungs-Strategie. Stattdessen konzentrieren sich die Behörden auf die Prävention und Therapie, um die aktuelle Heroin-Epidemie in den Griff zu bekommen. Damit folgt man der Linie des Präsidenten Barack Obama, der im Januar von den USA als einem “Land der zweiten Chancen” sprach und sich für eine weniger auf Bestrafung ausgerichtete Drogenpolitik aussprach. In diesem Zusammenhang entschied der Senat Anfang März ein Gesetz, welches finanzielle Hilfen zur Therapie und Resozialisierung von Abhängigen sichern soll.
Laut Robert DuPont berge die Konzentration auf die Therapie jedoch eine Gefahr, denn die Programme könnten nur einen kurzfristigen Erfolg bieten. „Die Veränderungen am Gehirn des Süchtigen bleiben aber”, erklärt er. Seines Erachtens müsse man daher vielmehr gegen den Drogenmissbrauch selbst vorgehen, indem die leichte Verfügbarkeit sowie der gesellschaftlich akzeptierte Konsum von Rauschmitteln in der Freizeit unterbunden werde. „Wir können uns nicht aus dieser Krise heraustherapieren“, so der Experte. Doch entgegen DuPont´s Meinung wollen Politik und Verwaltung weiter an der neuen Strategie festhalten. Dementsprechend sollen Ärzte z.B. zukünftig keine große Mengen Schmerzmittel mehr verschreiben dürfen, zudem sind seitens des Präsidenten mehr als eine Milliarde Dollar für zusätzliche Therapieangebote geplant. Doch bis diese Maßnahmen greifen, wird wohl einige Zeit vergehen. „Bisher konnten wir noch keinen Rückgang beobachten”, erklärte der „dpa“ zufolge CDC-Direktor Tom Frieden auf einer Pressekonferenz des Weißen Hauses.
Abhängige verlieren Antrieb und Motivation
Heroin wird synthetisch aus dem Schlafmohn-Inhaltsstoff Morphin hergestellt und mit Essigsäure versetzt. Es ist zwar weniger verbreitet als andere Drogen wie z.B. Kokain, doch es ist extrem gefährlich und kann schon nach dem ersten Konsum zur Abhängigkeit führen. In den meisten Fällen wird das Rauschgift intravenös gespritzt („Fixen“), wobei oft verdeckte Stellen wie die Füße, Armbeugen oder die Leistengegend gewählt werden. Dementsprechend sind die Einstichstellen für Außenstehende normalerweise nicht sichtbar.
Doch der Heroin-Konsum macht sich durch eine Reihe anderer Anzeichen bemerkbar, typisch sind z.B. verengte Pupillen, Atemprobleme, Antriebslosigkeit und schwindendes Interesse für Freunde, Hobbys und Job. Abhängige haben meist keine Motivation mehr für „normale“ Dinge, sondern richten ihren Fokus einzig auf die Beschaffung des nächsten „Schusses“. Davon benötigt ein Süchtiger etwa sechs bis zehn am Tag, was ca. 0,5 bis 3 Gramm des Rauschgifts entspricht. (nr)
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