Herpesvirus in seiner genetische Struktur entschlüsselt
Herpesviren des Typ HSV-1 (Herpes-simplex-Virus 1) können nicht nur Lippenherpes, sondern auch deutlich schwerwiegenderen Erkrankungen auslösen. Ist das Virus einmal in den Körper gelangt, bleibt es in einer Art Schlafzustand in den Zellen erhalten und kann theoretisch immer wieder ausbrechen. Einem internationalen Forschungsteam ist es jetzt gelungen, das Erbgut des Virus umfassend zu entschlüsseln und wichtige neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Mit neuen Methoden wurde das Erbgut von HSV-1 entschlüsselt und dabei wurden hunderte bisher unbekannte Genprodukte entdeckt, so die Mitteilung der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg zu den Studienergebnissen. Forschende der JMU, des Max-Delbrück-Zentrums für Molekulare Medizin in Berlin, der Universität Cambridge (England) sowie die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben gemeinsam die neuen Erkenntnisse über das Virus erarbeitet. Veröffentlicht wurden ihre Ergebnisse in dem Fachmagazin „Nature Communications“.
Herpesvirus-Infektionen können lebensbedrohlich sein
Das Herpesvirus HSV-1 tritt meist als Verursacher unangenehm juckender Lippenbläschen in Erscheinung, die Infektion mit diesem Virustyp kann aber auch weit gravierendere Folgen haben, berichtet die JMU. So könne das Virus beispielsweise bei Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen lebensbedrohliche Lungenentzündungen auslösen und auch bei Gesunden zu Gehirnentzündungen führen, die oft bleibende Gehirnschäden nach sich ziehen.
Virus verbleibt im Körper
Nach der ersten Infektion mit HSV-1 nisten sich die Viren dauerhaft in Körperzellen ein und bleiben dort oftmals für lange Zeit unauffällig, bis sie unter besonderen Umständen wie etwa einer Schwächung des Immunsystems wieder aktiv werden, erläutert das Forschungsteam. „Wer sich einmal mit dem Virus infiziert hat, behält es für den Rest seines Lebens“, so die Forschenden weiter.
Neue Erkenntnisse über HSV-1
Bislang galt die Annahme, dass es im Erbgut von HSV-1 rund 80 sogenannte offene Leseraster gibt, jene Stellen, an denen die Informationen der DNA abgelesen und in Proteine übersetzt werden. In der aktuellen Untersuchung sei jedoch deutlich geworden, dass insgesamt 284 solche Leseraster bei HSV-1 vorliegen, berichtet die JMU. Übersetzt und gebildet werden diese Leseraster von hunderten viraler Transkripte, die ebenfalls identifiziert werden konnten, so die Mitteilung der Universität.
„Die neuen Erkenntnisse machen es möglich, die einzelnen Gene des Virus noch viel präziser als bisher zu untersuchen“, so Professor Lars Dölken, Leiter des JMU-Lehrstuhls für Virologie und gemeinsam mit JMU-Juniorprofessor für Systemvirologie Florian Erhard federführend bei dem Projekt. Für die Studie sei ein breites Spektrum neuester systembiologischer Methoden eingesetzt worden.
Zur Verbesserung der Krebstherapie nutzen
Von den gewonnen Erkenntnissen erhoffen sich die Forschenden nicht nur ein besseres Verständnis des Virus selbst, sondern auch konkrete Auswirkungen, zum Beispiel auf die Entwicklung von HSV-1-basierten onkolytischen Viren. Diese Viren kommen zum Beispiel bei immunologischen Therapien bestimmter Tumorerkrankungen zum Einsatz wie etwa beim Malignen Melanom (Hautkrebs). Das Wissen über die genaue genetische Struktur der Viren könnte hier für weitere Verbesserungen dieser Therapieansätze genutzt werden. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Adam W. Whisnant, Christopher S. Jürges, Lars Dölken, et al.: Integrative functional genomics decodes herpes simplex virus 1; in: Nature Communications (veröffentlicht 27.04.2020), nature.com
- Julius-Maximillians-Universität Würzburg (JMU): Herpesvirus entschlüsselt (veröffentlicht 27.04.2020), uni-wuerzburg.de
Wichtiger Hinweis:
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