Neuer Behandlungsansatz für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wie die koronare Herzerkrankung zählen zu den häufigsten Krankheiten und sind nicht nur in Deutschland die Todesursache Nummer Eins. Forschende berichten nun über einen neuen Therapieansatz für solche Krankheiten.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen jedes Jahr zu zahlreichen Klinikeinweisungen und Sterbefällen. Allein wegen der koronaren Herzkrankheit (KHK), der Grunderkrankung des Herzinfarkts, werden hierzulande jährlich fast 660.000 Menschen stationär aufgenommen. Mehr als 122.000 Menschen sterben daran. Forschende haben nun einen bisher unbekannten Mechanismus zur Regulation der Blutgefäßfunktion entdeckt. Die Erkenntnisse bieten einen neuartigen Behandlungsansatz für solche Krankheiten.
Faktor für die Funktion der Blutgefäßinnenhaut
Laut einer aktuellen Mitteilung hat die Arbeitsgruppe um Univ.-Prof. Dr. Philip Wenzel, Stellvertretender Direktor der Kardiologie I im Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz, herausgefunden, dass das Protein TBCE (Tubulin-folding cofactor E) einen wesentlichen Faktor für die Funktion der Blutgefäßinnenhaut (Endothel) darstellt.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse bieten einen neuartigen Ansatz für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie der koronaren Herzerkrankung (KHK).
Die Studie der Mainzer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurde vor kurzem in der Fachzeitschrift „European Heart Journal“ veröffentlicht.
„Die aktuell publizierte Arbeit zeigt das Potential, am Biotechnologie-Standort Mainz mit strategischem Einsatz von Forschungsmitteln wichtige Erkenntnisse zu gewinnen, die einen unmittelbaren Vorteil für die Gesundheitsfürsorge der Menschen haben können“, sagt Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor der Kardiologie I im Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz.
Weltweit die häufigste Todesursache
Wie es in der Mitteilung heißt, stellen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems weltweit die häufigste Todesursache dar. Kennzeichnend für diese sogenannten kardiovaskulären Krankheiten ist eine Funktionsstörung der Blutgefäßinnenhaut (Endotheldysfunktion).
Die Forschenden des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz haben entdeckt, dass das Protein Tubulin-folding cofactor E (TBCE) eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Endotheldysfunktion spielt.
Den Angaben zufolge gehört TBCE zu den Proteinen, die wichtig sind, um den Zellen Struktur und Form zu geben und damit die normale Funktionsweise ermöglichen.
Verbesserung der Endothelfunktion
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz konnten zeigen, dass ein Mangel oder eine Mutation des Proteins TBCE zu einer Stressreaktion in der Gefäßwand führt. Betroffen ist dabei das endoplasmatische Retikulum, das innere Netzwerk der Zellen.
Laut den Fachleuten geht der vaskuläre Stress unter anderem mit einer Entzündungsreaktion und einer vermehrten Gefäßsteifigkeit einher. Aus Vorstudien war bereits bekannt, dass TUDCA (Tauroursodeoxycholic acid; Tauroursodeoxycholsäure) Stressreaktionen im endoplasmatischen Retikulum unterbinden kann.
Im Rahmen der Mainzer Studie verbesserte sich die Endothelfunktion im Tiermodell durch eine gezielte pharmakologische Behandlung mit TUDCA, auch wenn das Protein TBCE defekt war.
Neu entdeckter Mechanismus
Wie in der Mitteilung erklärt wird, ist das Endothel die Innenhaut der Blutgefäße und bespannt wie eine feine Membran aus spezialisierten Zellen das Gefäßbett im ganzen Körper von innen. Es sorgt für die Weit- und Engstellung der Gefäße und damit auch für einen geregelten Blutfluss im Körper.
Störungen des Endothels sind damit der Nährboden für Erkrankungen wie Atherosklerose, Koronare Herzerkrankung, Herzinfarkt und Schlaganfall sowie für Thrombosen und Lungenembolien. Zusätzliche Faktoren wie Rauchen und Hypertonie (Bluthochdruck) können die endotheliale Dysfunktion verstärken.
Die ersten Hinweise auf den nun neu entdeckten Mechanismus zur Regulation der Blutgefäßfunktion ergab die Auswertung von genetischen Daten aus der Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS).
In dieser Studie der Universitätsmedizin Mainz werden seit rund 14 Jahren Daten zu Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Bevölkerung der Rhein-Main-Region gesammelt und zusammen mit molekularbiologischen Messungen erfasst.
„Es ist faszinierend zu sehen, dass die GHS in der Lage ist, diese Informationen zu liefern“, so Univ.-Prof. Dr. Philip Wenzel.
Gefäßfunktion verbessern
„Durch unser experimentelles Know-how war es darüber hinaus möglich, aus den komplexen Daten eine bisher unbekannte Funktionsweise herauszuarbeiten“, sagt Professor Wenzel.
„Unsere Forschungsergebnisse zu TBCE liefern vielversprechende Hinweise, dass dieser Mechanismus medikamentös beeinflusst werden kann, um die Gefäßfunktion bei den betroffenen Patienten zu verbessern. Dies ist insbesondere deshalb von großer Bedeutung, weil die bisherige Therapie der Endotheldysfunktion mit Vitaminen oder Spurenelementen nur unzureichende Erfolge zeigt“, erläutert der Experte. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsmedizin Mainz: Neuer Therapieansatz für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, (Abruf: 02.08.2021), Universitätsmedizin Mainz
- Efentakis P, Molitor M, Kossmann S, Bochenek ML, Wild J, Lagrange J, Finger S, Jung R, Karbach S, Schäfer K, Schulz A, Wild P, Münzel T, Wenzel P.: Tubulin-folding cofactor E deficiency promotes vascular dysfunction by increased endoplasmic reticulum stress; in: European Heart Journal, (veröffentlicht: 16.06.2021), European Heart Journal
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.