Mit Ausdauersport lassen sich verloren geglaubte Herzmuskelzellen erneuern
Lange Zeit gingen Medizinerinnen und Mediziner davon aus, dass sich an einem ausgewachsenen Herzen so gut wie keine neuen Muskelzellen mehr bilden. Schäden am Herz, die beispielsweise durch einen Herzinfarkt entstehen, werden somit als irreversibel eingestuft. Ein deutsches Forschungsteam zeigte nun, dass diese Aussage nicht ganz stimmt. Sie konnten beweisen, dass sich mithilfe des richtigen Trainings die Zahl der neu gebildeten Herzmuskelzellen steigern lässt.
Das wissenschaftliche Team um die Heidelberger Kardiologin Dr. med. Carolin Lerchenmüller zeigte kürzlich in einer Studie, dass Schäden am Herzen nicht ganz so endgültig sind, wie bislang vermutet. In Versuchsreihen mit Mäusen dokumentierten die Forschenden, wie sich mit dem richtigen Ausdauertraining verloren geglaubte Herzmuskelzellen wieder regenerierten. Die Ergebnisse wurden in dem renommierten Fachjournal „Nature Communications“ präsentiert.
Totgeglaubte leben länger
Ein Herzinfarkt zieht oft das Herz in Mitleidenschaft. Nicht selten entsteht nach dem Infarkt eine Herzschwäche, die als irreversibel gilt und für eine hohe Zahl von Todesfällen verantwortlich ist. Den Forschenden aus Heidelberg zufolge haben Herzen von Säugetieren (inklusive den Menschen) die Schwäche, kaum noch regenerieren zu können, nachdem sie einmal ausgewachsen sind. Nun zeigte das Team um Kardiologin Lerchenmüller jedoch, dass es Methoden gibt, die Regenerationskraft des Herzens zu steigern.
Ausdauersport lässt das Herz regenerieren
Bei Untersuchungen an Mäusen zeigten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Heidelberg, dass sich die Anzahl der neu gebildeten Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) durch Ausdauersport deutlich steigern lässt. Die Forschenden teilten Mäuse in zwei unterschiedliche Gruppen ein. Die eine Gruppe erhielt Laufräder, die andere nicht. Alle Mäuse bekamen eine Infusion, mit der sich mittels Massenspektrometrie neu gebildete Zellen von bereits bestehenden unterscheiden ließen. Nach acht Wochen zeigte sich, dass die Gruppe mit den Laufrädern viermal so viele Herzmuskelzellen neu gebildet hatte wie die Tiere ohne Laufrad. Durchschnittlich liefen die Mäuse mit Laufrad 5,5 Kilometer pro Tag.
Warum Ausdauersport das Herz stärkt
Darüber hinaus fand das Forschungsteam einen Zusammenhang zwischen der sportlichen Aktivität und der Regeneration des Herzmuskels. Sie identifizierten eine Mikro-RNA namens miR-222, die bei Ausdauersport vermehrt gebildet wird. Mikro-RNAs bestehen aus Bausteinen der Ribonukleinsäure (RNA) und sind maßgeblich an der Regulation von Genen beteiligt, indem sie bestimmte Gene ausschalten. Mikro-RNAs wurden erst im Jahr 1993 entdeckt und sind seitdem von hohem Interesse in der Biomedizinforschung. Viele Forschende sehen in den Bausteinen einen Schlüssel zur Entwicklung neuer Therapien gegen zahlreiche Krankheiten.
Ohne miR-222 erfolgte keine Neubildung
In weiteren Versuchen blockierte die Forschungsgruppe die Mikro-RNA miR-222 bei den Mäusen. In Folge ging der positive Effekt der sportlichen Aktivität verloren. Trotz Laufrad-Training bildeten die Mäuse keine neuen Herzmuskelzellen mehr aus. Ob sich aus dieser Erkenntnis nun ein neuer Ansatz zur medikamentösen Unterstützung des Regenerationsprozesses ergibt, muss in weiteren Studien überprüft werden.
Ausgezeichnete Forschung
Die Heidelberger Forschungsgruppe erhielt für die Studie einen mit 10.000 Euro dotierten Preis von der Deutschen Stiftung Innere Medizin (DSIM). „Die Arbeit zeigt, dass die Neubildung von Kardiomyozyten in einem Rahmen gesteigert werden kann, der durchaus gesundheitsrelevant sein kann“, sagte Professor Dr. med. Jürgen Schölmerich, der Vorsitzender der DSIM, in einer Pressemeldungen zu der Preisverleihung. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
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- Exercise induces new cardiomyocyte generation in the adult mammalian heart
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.