Ängste schützen Betroffene bei einer Herzattacke
Angst ist eine natürliche Wahrnehmung, die uns vor Gefahr schützen soll, jedoch auch krankhafte Ausmaße in Form sogenannter Angststörungen annehmen kann. Auch diese krankhaft verstärkte Angst kann allerdings in bestimmten Situationen von Vorteil sein. So fand ein Forscherteam der Technischen Universität München (TUM) und des Helmholtz Zentrums München heraus, dass Patienten, die allgemein unter starken Ängsten leiden, eine erhöhte Überlebenschance bei einem Herzinfarkt haben.
Menschen mit verstärkten Ängsten nehmen die Symptome eines Herzinfarkts früher ernst und lassen sich schneller behandeln, was ihre Überlebenschance verbessert, so die Mitteilung der TUM. Das Forscherteam um Professor Karl-Heinz Ladwig von der Technischen Universität und dem Helmholtz Zentrum München konnte in seiner aktuellen Studie nachweisen, dass Menschen mit einer Angststörung bei einem Herzinfarkt schneller reagieren und eine Notaufnahme aufsuchen, wodurch das Risiko eines tödlichen Verlaufs deutlich reduziert wird. Die Ergebnisse ihrer Studie haben die Forscher in dem Fachmagazin „Clinical Research in Cardiology“ veröffentlicht.
Angst ist ein Schutzmechanismus
„Menschen mit Angststörungen leider unter starken Ängsten, die unabhängig von einer echten Gefahr auftreten“, erläutern die Wissenschaftler. Oft komme die Angst in Alltagssituationen auf, was ihr Leben sehr belasten und auch ein erhöhtes Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen mit sich bringen könne. In akuten Notsituationen bilde die Angst allerdings seit Urzeiten auch einen wirkungsvollen Schutzmechanismus, betonen Prof. Ladwig und Kollegen. So können Angststörungen bei einem Herzinfarkt tatsächlich auch helfen.
Überlebenschance bei einem Herzinfarkt untersucht
Anhand der Daten von 619 Infarktpatienten aus der MEDEA-Studie (Munich Examination of Delay in Patients Experiencing Acute Myocardial Infarction) analysierten die Wissenschaftler mögliche Zusammenhänge zwischen Angststörungen und den Überlebenschancen bei einem Herzinfarkt. Die Probanden wurden noch im Krankenhaus innerhalb von 24 Stunden nach Verlassen der Intensivstation befragt und weitere Daten wie die Ankunftszeit in der Klinik und der Krankheitsverlauf wurden erhoben, so die Mitteilung der TUM.
Frühe Behandlung senkt das Sterberisiko
Entscheidend für erfolgreiche Gegenmaßnahmen ist bei einem Herzinfarkt vor allem eine möglichst frühzeitig eingeleitete Behandlung. „Je früher nach einem Infarkt eine medikamentöse Therapie beginnt, umso geringer sind die Schäden am Herzen, die späteren gesundheitlichen Einschränkungen und die Wahrscheinlichkeit zu sterben“, erläutern die Experten. Bei der Datenauswertung habe sich gezeigt, dass Menschen mit einer Angststörung in der akuten Herzinfarkt-Situation schneller reagierten und früher in die Notaufnahmen kamen.
Zwei Stunden früher in der Notaufnahme
Rund 12 Prozent der Erkrankten in der Studie litten laut Angaben der Forscher unter einer Angststörung. Hier zeigte sich ein besonders deutlicher Unterschied beim Zeitpunkt der Krankenhauseinlieferung zwischen weiblichen Infarktpatienten ohne und mit Angststörungen, so die Mitteilung der TUM. Im Durchschnitt hätten Letztere 112 Minuten nach Infarktbeginn die Klinik erreicht, während die Vergleichsgruppe ohne Angststörung rund zwei Stunden länger brauchte. Aus wissenschaftliche Studien sei bekannt, dass bei einem akuten Herzinfarkt schon jede halbe Stunde für das Überleben entscheidend ist, betont Prof. Ladwig.
Erhöhte Überlebenschance bei einer Angststörung
Statistisch belastbar konnten die Forscher den schützenden Effekt der Angsterkrankungen zwar nur bei Frauen und nicht bei Männern nachweisen, allerdings war auch bei Letzteren ein positiver Trend zu erkennen. Den Angaben der TUM zufolge ließen Männer mit Angststörung sich im Durchschnitt 48 Minuten früher behandeln als Probanden ohne Angststörung. „Personen mit Angsterkrankungen haben zwar ein höheres Risiko für einen Infarkt, überleben diesen aber meist eher“, so Prof. Ladwig.
Betroffene ernst nehmen
Eine Angststörung kann den Ergebnissen der Forscher zufolge durchaus Vorteile mit sich bringen. „Angstgestörte Menschen können häufig sensibler auf ihre gesundheitlichen Bedürfnisse reagieren“, erläutert der Studienleiter. Dies sollte Ärztinnen und Ärzten bewusst sein und Betroffene sollten immer ernst genommen werden, mahnt Prof. Ladwig. Auch seien die Menschen mit Angststörung „entscheidungsstärker, wenn es um das Annehmen von Hilfe geht“ und am Ende könne die „eine Krankheit auch helfen, vor einer anderen schweren Erkrankung zu schützen.“
Jedoch zahlen die Menschen mit Angststörung laut Aussage der Wissenschaftler einen hohen seelischen Preis für ihren Überlebensvorteil. Denn Angstpatienten leiden deutlich vermehrt unter Stress, extremer Müdigkeit und eingeschränktem allgemeinen Wohlbefinden – auch dies geht aus der aktuellen Untersuchung hervor. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.