Herz-Medikamente erhöhen bei Hitze Herzinfarktrisiko
Millionen Menschen nehmen aufgrund von bestehenden gesundheitlichen Problemen wie Herzerkrankungen regelmäßig Medikamente ein. Doch bei Hitze kann die Einnahme bestimmter Präparate der Gesundheit schaden und gefährlich werden.
Ein Forschungsteam hat herausgefunden, dass Menschen, die bestimmte Medikamente einnehmen, bei hohen Temperaturen ein erhöhtes Herzinfarktrisiko haben. Die Studienergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Nature Cardiovascular Research“ veröffentlicht.
Betablocker und Thrombozytenaggregationshemmer
Wie es in einer aktuellen Mitteilung des Helmholtz Zentrums München heißt, können Betablocker für Menschen mit koronarer Herzkrankheit zwar die Lebensqualität verbessern und Thrombozytenaggregationshemmer das Risiko eines Herzinfarkts senken.
Aber die Ergebnisse der neuen Studie eines Teams um Dr. Alexandra Schneider, Forschungsgruppenleiterin „Environmental Risks“ vom Helmholtz Munich Institut of Epidemiology und Dr. Kai Chen vom Yale Institute for Global Health deuten darauf hin, dass diese Schutzmaßnahmen an besonders heißen Tagen auch eine gegenteilige Wirkung haben können.
Herzinfarkt durch Hitze
Es ist bekannt, dass Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung und niedrige Außentemperaturen Herzinfarkte auslösen können. Zudem zeigt sich immer deutlicher, dass ein akuter Herzinfarkt auch durch Hitze ausgelöst werden kann.
Bisher war allerdings unklar, ob Patientinnen und Patienten, die bestimmte Herz-Kreislauf-Medikamente einnehmen, ein höheres Risiko aufweisen, an heißen Tagen einen Herzinfarkt zu erleiden, als diejenigen ohne diese regelmäßige Medikamenteneinnahme.
Dieser Frage gingen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf den Grund und zogen für ihre Analysen Daten des Herzinfarktregisters Augsburg der Jahre 2001 bis 2014 heran. Insgesamt konnten von den Forschenden 2.494 Fälle während der Monate Mai bis September betrachtet werden.
Signifikant erhöhtes Risiko
Den Angaben zufolge zeigte sich an heißen Tagen im Vergleich zu kühleren Kontrolltagen ein signifikant erhöhtes Risiko für nicht-tödliche Herzinfarkte bei Patientinnen und Patienten, die Thrombozytenaggregationshemmer beziehungsweise Betablocker einnahmen im Vergleich zu denjenigen, die diese Medikamente nicht einnahmen.
Die Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern war demnach mit einem Anstieg des Risikos um 63 Prozent und die Einnahme von Betablockern mit einem Anstieg des Risikos um 65 Prozent verbunden. Patientinnen und Patienten, die beide Medikamente einnahmen, hatten ein um 75 Prozent höheres Risiko.
Bei denjenigen, die diese Arzneimittel nicht einnahmen, war die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts an heißen Tagen nicht erhöht.
Interessant ist laut den Fachleuten auch, dass der Effekt der Medikamenteneinnahme in der jüngeren Altersgruppe (25–59 Jahre) stärker als bei älteren Patientinnen und Patienten (60–74 Jahre) war, obwohl letztere häufiger bereits zugrunde liegende koronare Herzerkrankungen aufwiesen.
Empfindlicher gegenüber Hitzeexposition
Die Ergebnisse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beweisen nicht, dass diese Medikamente bei Hitze die Herzinfarkte verursacht haben. Die Forschenden spekulieren jedoch aufgrund der Daten, dass die Einnahme der Medikamente die Thermoregulation im Körper, also die Anpassung an hohe Temperaturen, erschwert.
Somit könnte die Arzneimitteleinnahme diese Patientinnen und Patienten tatsächlich empfindlicher gegenüber Hitzeexposition machen. Allerdings ist auch denkbar, dass die zugrunde liegende schwere Herzerkrankung, sowohl die Verschreibung der genannten Medikamente erklärt, als auch die höhere Empfindlichkeit dieser Patientinnen und Patienten gegenüber Hitze.
Gegen letztere Hypothese spricht, dass zum einen der beobachtete Risikoanstieg durch die Medikamenteneinnahme besonders stark in der an sich gesünderen und jüngeren Teilnehmendengruppe auftrat.
Darüber hinaus konnte bei keinem weiteren Medikament, das häufig von Herzpatientinnen und -patienten eingenommen wird, eine Risikoerhöhung bezüglich das Auftretens von Herzinfarkten bei Hitze beobachtet werden (mit Ausnahme bei der Einnahme von Statinen).
Besondere Vorsicht während Hitzewellen
„Die Ergebnisse legen nahe, dass Herzinfarkte mit fortschreitendem Klimawandel und damit verbundenen häufigeren heißen und sehr heißen Tagen zu einer größeren Gefahr für Patient:innen mit bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden können“, erläutert Dr. Alexandra Schneider.
Für Betroffene sei es daher besonders während Hitzewellen ratsam, vorsichtig zu sein und sich im Kühlen aufzuhalten.
„Welche Untergruppen der Bevölkerung am anfälligsten für diese Umweltextreme sind und damit am meisten von einem auf sie zugeschnittenen gesundheitlichen Hitzeschutz profitieren würden, ist aber noch unklar und bedarf weiterer Forschung“, sagt die Forscherin.
Vor allem die Wirkung der Medikamente auf die Thermoregulation, die veränderte Wirksamkeit der Medikamente bei Hitze sowie das Zusammenspiel von Arzneimitteln mit gesundheitlichen Hitzefolgen wie Dehydrierung, müsse noch besser erforscht werden.
Nur dann können Hausärztinnen und Hausärzte auf angekündigte heiße Tage und Hitzewellen reagieren und die Medikation ihrer Patientinnen und Patienten kurzfristig entsprechend anpassen, erklärt die Wissenschaftlerin. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH): Herzinfarkt bei Hitze – welche Rolle spielen Herz-Kreislauf-Medikamente?, (Abruf: 08.08.2022), Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
- Kai Chen et al.: Triggering of myocardial infarction by heat exposure is modified by medication intake; in: Nature Cardiovascular Research, (veröffentlicht: 01.08.2022), Nature Cardiovascular Research
Wichtiger Hinweis:
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