Herzschwäche: Wirkstoff soll harte Herzen wieder weich machen
Herzinsuffizienz (Herzschwäche) zählt zu den am weitesten verbreiteten Herzkrankheiten. Mit fortschreitendem Verlauf lässt die Herzfunktion nach. Nicht alle Formen der Herzschwäche sind gut behandelbar. Ein deutsches Forschungsteam stellt nun einen neuen Ansatz für eine bislang nicht behandelbare Form der Herzinsuffizienz vor.
Forschende des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin entdeckten eine neue potenzielle Behandlungsmethode für bislang kaum behandelbare Herzschwächen. Der Arbeitsgruppe um Forschungsleiter Professor Michael Gotthardt gelang es erstmals, die Herzfunktion mit Hilfe einer synthetischen Nukleinsäure zu verbessern. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Science Translational Medicine“ vorgestellt.
Herzschwäche: Symptome und Ursachen
Personen, die unter einer Herzinsuffizienz leiden, erleben häufig Beschwerden wie Kurzatmigkeit, Erschöpfung, Wassereinlagerungen, Herzrasen und Schwindel. Die Krankheit schränkt die Lebensqualität der Betroffenen ein und erhöht das Risiko auf kardiovaskuläre Vorfälle. Herzschwäche entsteht oftmals als Folge von bestimmten Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Nierenerkrankungen, Infarkten und Infektionen. Mit zunehmendem Lebensalter summieren sich solche Auslöser, weshalb das Risiko für das Entstehen einer Herzinsuffizienz im Laufe des Lebens ansteigt.
Herzschwäche-Behandlung hängt von der Ursache ab
Die Ursachen für eine Herzschwäche unterscheiden sich zwar häufig von Person zu Person, die Symptome ähneln sich jedoch stark bei allen Betroffenen. Je nach Ursache lässt sich eine Herzinsuffizienz unterschiedlich effektiv behandeln. Bei einer Form der Erkrankung ist beispielsweise die Pumpfunktion des Herzens beeinträchtigt. Diese lässt sich mittels bestimmter Medikamente verbessern. Bei einer anderen Form der Herzinsuffizienz pumpt das Herz noch ausreichend stark, doch die Herzkammern füllen sich nicht mehr richtig, weil die Ventrikelwände versteift oder verdickt sind.
Bei verdicktem Herz stehen derzeit keine effektiven Therapien zur Verfügung. Das Team um Professor Gotthardt stellt nun den ersten potenziellen Wirkstoff vor, um Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion medikamentös zu behandeln.
Ein Protein hält das Herz elastisch
Für die Elastizität des Herzens ist dem Forschungsteam zufolge vor allem das Protein Titin verantwortlich. Es wird direkt von Herzmuskelzellen in unterschiedlichen Varianten gebildet. Jede dieser sogenannten Isoformen unterscheidet sich hinsichtlich ihrer Flexibilität. Bei Neugeborenen produziert das Herz beispielsweise überwiegend hochelastische Titin-Proteine, während mit zunehmenden Alter, wenn der Wachstumsprozess abgeschlossen ist, steifere Titin-Isoformen gebildet werden, um die Pumpleistung zu erhöhen.
Wenn das Herz steif wird
Liegt jedoch eine Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion vor, kommt es zu einer ungünstigen Kombination aus verdickten Herzwänden, Einlagerungen von Bindegewebe und zur Bildung von steifen Titin-Isoformen, die letztendlich dazu führt, dass die Füllung der Herzkammern beeinträchtigen wird, wodurch sich die Herzleistung vermindert.
Raffinierten Trick der Natur ausnutzen
Die Beeinflussung der Titine könnte nach Ansicht der Forschenden einen neuen Therapieansatz bei Herzschwäche eröffnen. „Die mechanischen Eigenschaften der Titine sind nur schwer zu beeinflussen. Aber wir können jetzt in den Prozess eingreifen, der der Proteinsynthese vorausgeht – das alternative Spleißen“, erklärt Professor Gotthardt. Alternatives Spleißen sei ein raffinierter Trick der Natur, um auf Basis eines einzelnen Gens eine Vielfalt ähnlicher Proteine zu bilden – so auch die verschiedenen Formen des Titins.
Kontrolliert werde dieser Prozess durch sogenannte Spleißfaktoren. „Einer davon, der Masterregulator RBM20, ist ein geeignetes Ziel, das wir therapeutisch angehen können“, berichtet Gotthardt. Die Forschenden suchten im Rahmen der aktuellen Studie nun nach einem Weg, RBM20 zu beeinflussen.
Nukleinsäure könnte bei Herzschwäche wirken
„Wir waren überrascht, wie einfach dies möglich ist“, bestätigt Forschungsleiter Gotthardt. Es gelang dem Team bei Mäusen mithilfe von kurzkettigen, einzelsträngigen Nukleinsäuren namens Antisense-Oligonukleotiden (ASOs). Diese Nukleinsäuren können synthetisch hergestellt werden. Sie binden sich spezifisch an den Bauplan des angepeilten Proteins und blockieren so dessen Synthese.
An Mäusen mit versteiften Herzwänden konnten die ASOs bereits erfolgreich getestet werden. Ebenso zeigten sich positive Ergebnisse an gezüchteten menschlichen Herzmuskelzellen. Die Arbeitsgruppe konnte nachweisen, dass die ASO-Moleküle tatsächlich in die Zellen eindringen und die gewünschte Reaktion auslösen. „Diese Tests am künstlichen Herzgewebe waren ein wichtiger Schritt, denn die Primärsequenzen für das Titin sind bei Maus und Mensch nicht identisch“, erörtert Studienerstautor Dr. Michael Radke.
Anhaltende Behandlungseffekte
In weiteren Versuchen konnten die Forschenden die empfindlichen Nukleinsäuren so stabilisieren, dass sie nicht bereits vollständig im Blut, in der Leber oder der Niere abgebaut werden. Ein Großteil des injizierten Wirkstoffs erreichte bei den Mäusen das Herz. „Wir haben unsere Mäuse auch über einen längeren Zeitraum therapiert und sehen anhaltende Behandlungseffekte“, resümiert Gotthardt.
Nun müsse der Wirkstoff noch an Menschen getestet werden. Zudem will das Team die Therapieform verbessern. Bislang kann der Wirkstoff nur über eine Spritze in den Organismus gelangen, die Betroffene einmal pro Woche bekommen müssten. „Schöner als eine wöchentliche Spritze, die viele Patientinnen und Patienten bereits von Insulin oder Heparin kennen, wäre eine orale Form“, erläutert der Professor. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin: Neuer Schwung für schwache Herzen (veröffentlicht: 01.12.2021), mdc-berlin.de
- Michael H. Radke et al.: „Therapeutic inhibition of RBM20 improves diastolic function in a murine heart failure model und human engineered heart tissue“; in: Science Translational Medicine, 2021., science.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.