Herzrhythmusstörungen bei Herzinsuffizienz: Neue Erkenntnisse
Rund ein Drittel der Patientinnen und Patienten mit einer Herzschwäche sind von Herzrhythmusstörungen betroffen. Forschende haben nun einen neuen Entstehungsmechanismus von Arrhythmien bei Herzinsuffizienz entdeckt. Ihre Erkenntnisse könnten dazu beitragen, dass Betroffene künftig gezielter behandelt werden können.
Einer aktuellen Presseinformation zufolge haben Forschende des Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) einen neuen Entstehungsmechanismus von Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) bei Herzschwäche (medizinischer Fachbegriff: Herzinsuffizienz) entdeckt. Ihre Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.
Dysbalancen zwischen den einzelnen Ionenströmen
Jeder Herzschlag ist eine Aufeinanderfolge von elektrophysiologischen sowie biochemischen Prozessen. Bei einem gesunden Herzen sind die verschiedenen Ionenströme ganz genau aufeinander abgestimmt.
Wenn es zu Dysbalancen zwischen den einzelnen Ionenströmen kommt, begünstigt dies das Auftreten von Herzrhythmusstörungen. Das ist bei verschiedenen Herzkrankheiten der Fall, insbesondere aber bei Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche.
Hier kommt es vor allem zu einem verspäteten Schließen von Natriumkanälen und dem Entstehen eines spät fließenden Natriumstroms, der zu den genannten Dysbalancen führt. Insbesondere Rhythmusstörungen aus den Herzkammern sind dabei potenziell lebensbedrohlich und führen zu einer erhöhten Sterblichkeit der Patientinnen und Patienten.
Dramatische Steigerung des späten Natriumstroms
„Von Herzrhythmusstörungen ist etwa jeder dritte Herzschwäche-Patient betroffen. Bislang gibt es nur wenige Medikamente für die Behandlung, die zugelassenen Präparate führen oft zu starken Nebenwirkungen“, erläutert Erstautor Prof. Dr. Samuel Sossalla von der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG.
Deswegen besteht laut dem Leiter der Arbeitsgruppe Kardiovaskuläre experimentelle Elektrophysiologie und Bildgebung der Bedarf, neue wirksame Substanzen zu entwickeln, die für diese Patientinnen und Patienten sicher und wirksam eingesetzt werden können. Um dies zu erreichen, ist zunächst aber ein verbessertes Verständnis für die Entstehung der Arrhythmien nötig.
Die Arbeitsgruppen um Prof. Dr. Katrin Streckfuß-Bömeke, Leiterin der Arbeitsgruppe Translationale Stammzellforschung, und Prof. Dr. Sossalla untersuchen seit längerer Zeit die Entstehung des späten Natriumstroms.
Durch eine Vielzahl aufwändiger Versuchsreihen konnten sie jetzt nachweisen: Ein eigentlich dem Nervensystem zugeordneter Natriumkanal (NaV1.8) kommt bei einer Herzinsuffizienz vermehrt in den Herzmuskelzellen vor.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, interagiert dieser mit der Kalzium-Calmodulin-abhängigen-Proteinkinase II (CaMKII), einem zentralen Protein in der Entstehung der Herzschwäche. Durch diese Interaktion kommt es demnach zu einer dramatischen Steigerung des späten Natriumstroms.
Hoffnung auf wirksamen Therapieansatz
Für ihre Untersuchungen verwendeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Herzmuskelgewebe von Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz sowie humane induzierte pluripotente Stammzellen.
Diese Zellen werden aus Haut- oder Blutbiopsien von Patientinnen und Patienten gewonnen und unter definierten Bedingungen zu schlagenden Herzmuskelzellen umgewandelt.
„In diesen Zellen wurde mit der Genschere CRISPR-Cas9 der Natriumkanal Nav1.8 herausgeschnitten. Bei den so veränderten Zellen konnte der späte Natriumstrom tatsächlich gestoppt werden. Dies brachte den endgültigen Nachweis, dass Nav1.8 am späten Natriumstrom beteiligt ist“, erklärt Prof. Streckfuß-Bömeke.
In weiteren Versuchen mit den veränderten Zellen bestätigte sich die Annahme, dass sich mit Hemmung des späten Natriumstroms auch die Arrhythmien vermindern.
Laut Dr. Philipp Bengel, Assistenzarzt der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG und einer der Erstautoren der Publikation, zeigten sich im Mausmodell ebenfalls weniger Herzrhythmusstörungen, nachdem Nav1.8 ausgeschaltet wurde.
Dadurch verbesserte sich auch das Überleben der Tiere. Dem Experten zufolge macht das Hoffnung, dass es sich hierbei tatsächlich um einen wirksamen Therapieansatz für Rhythmusstörungen handelt.
Weitere Forschung geplant
In einem nächsten Schritt möchten die Forscherinnen und Forscher Hemmer des Kanals im Hinblick auf die Wirksamkeit bei Herzrhythmusstörungen untersuchen, die bereits im Bereich der Schmerzforschung in klinischen Studien eingesetzt wurden.
Wie Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Vorsitzender des Herzzentrums der UMG und Mitautor der Studie, meint, ist die Studie eine wichtige Grundlage und könnte ein Durchbruch für die bis dato nicht ausreichende Behandlung der Herzrhythmusstörung bei Herzinsuffizienz-Patientinnen und -Patienten darstellen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsmedizin Göttingen - Georg-August-Universität: Neue Erkenntnisse zur Entstehung von Herzrhythmusstörungen bei Herzschwäche-Patient*innen, (Abruf: 05.04.2022), Universitätsmedizin Göttingen - Georg-August-Universität
- Bengel, P., Dybkova, N., Tirilomis, P. et al.: Detrimental proarrhythmogenic interaction of Ca2+/calmodulin-dependent protein kinase II and NaV1.8 in heart failure; in: Nature Communications, (veröffentlicht: 15.11.2021), Nature Communications
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.