Herzschwäche: Rhythmusstörungen künftig womöglich gezielt behandelbar
Millionen Menschen leiden an einer Herzschwäche (medizinischer Fachbegriff: Herzinsuffizienz). Viele dieser Patientinnen und Patienten entwickeln zusätzlich noch eine Herzrhythmusstörung. Forschende haben jetzt einen Mechanismus für solche Rhythmusstörungen entdeckt. Die neuen Erkenntnisse könnten dazu führen, dass Betroffene in Zukunft gezielt behandelt werden können.
Laut einer aktuellen Mitteilung hat ein Forschungsteam am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) einen Mechanismus entdeckt, der für Herzrhythmusstörungen bei Herzschwäche verantwortlich ist. Im nächsten Schritt soll dieser direkt blockiert werden können, um die Überlebenschancen der betroffenen Patientinnen und Patienten deutlich zu verbessern. Die Studie wurde in dem Fachjournal „nature communications“ veröffentlicht.
Überlebenschancen entscheidend verbessern
Einem Forschungsteam rund um Professor Dr. Samuel Sossalla aus der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II des UKR ist es gelungen, einen Schlüsselmechanismus für Herzrhythmusstörungen bei Herzschwäche zu identifizieren. Wenn dieser ausgeschaltet wird, so enden auch die lebensgefährlichen Rhythmusstörungen.
„Diese Erkenntnis ist von großer Bedeutung, da wir damit endlich etwas in der Hand haben, um gezielt gegen die Ursache der gefährlichen Herzrhythmusstörungen bei Herzinsuffizienz vorzugehen. Sollten sich die Ergebnisse aus dem Labor auch in Studien am Menschen übersetzen, können das Leben und auch die Überlebenschancen vieler Patienten mit Herzinsuffizienz entscheidend verbessert werden“, erläutert der Mediziner.
Herzrhythmusstörungen reduzieren
Laut der Deutschen Herzstiftung leiden etwa vier Millionen Menschen in Deutschland an Herzschwäche. Rund die Hälfte dieser Patientinnen und Patienten stirbt an Herzrhythmusstörungen.
Professor Sossalla begab sich mit seinem Team, anfangs noch in der Universitätsmedizin Göttingen tätig, auf Ursachensuche dieser Arrhythmien. Als die wissenschaftliche Arbeit begann, war bereits bekannt, dass es einen Natriumfluss gibt, der beim insuffizienten Herzen an Herzrhythmusstörungen beteiligt ist: „Wurde der reguläre kardiale Natriumkanal gehemmt, so blieb immer noch ein relevanter Anteil des späten Natriumstroms messbar. Nun galt es zu identifizieren, woher dieser verbleibende und potentiell gefährliche späte Strom kommt.“
Die Kalzium-Kalmodulin-abhängige Proteinkinase II (CaMKII) ist ein wissenschaftlicher Schwerpunkt innerhalb der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II des UKR. Den Angaben zufolge ist dieses Enzym innerhalb der Herzmuskelzellen an der Regulation des Energiestoffwechsels, der Ionensteuerung und der Entstehung von Herzschwäche und Rhythmusstörungen beteiligt.
Die Forschenden isolierten Herzmuskelzellen von Betroffenen mit Herzinsuffizienz. Bei der Untersuchung dieser Zellen konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein direktes Zusammenspiel zwischen der CaMKII und dem Natriumkanal NaV1.8 identifizieren.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, ist dieser Natriumkanal eigentlich ein Kanal des Nervensystems. „Jeder Mensch verfügt über diesen Kanal. Wir haben jedoch entdeckt, dass dieser plötzlich vermehrt im menschlichen Herz vorkommt, sobald das Herz erkrankt. Der Natriumstrom dieses Kanals fließt dann gesteigert und gefährlich. NaV1.8 verursacht somit den von uns gesuchten Anteil des späten Stroms“, so Professor Sossalla.
Diese Erkenntnis wurde in zahlreichen aufwändigen Versuchsreihen nachgewiesen. So wurden Stammzellen entnommen, die zunächst zu Herzmuskelzellen transformiert wurden und in diesen Zellen wurde mit der sogenannten Genschere CRISPR-Cas9 der Natriumkanal NaV1.8 genetisch herausgeschnitten.
„Bei den so veränderten Zellen konnte der späte Natriumstrom tatsächlich gestoppt werden. Das lieferte uns den ultimativen Nachweis“, sagt Professor Sossalla. In zellulären sowie in-vivo-Versuchen mit den modifizierten Zellen bestätigte sich die Annahme, dass sich mit Hemmung des späten Natriumstroms auch die Herzrhythmusstörungen reduzieren.
Gängige Medikamente mit starken Nebenwirkungen
Bahnbrechend an dieser Erkenntnis ist laut den Forschenden, dass ein spezifischer neuer Ansatzpunkt bei Herzrhythmusstörungen in der Herzinsuffizienz gefunden wurde, welcher das Leben der Betroffenen verlängern könnte.
„Bei Herzschwäche unterscheidet man zwischen Pumpversagen und Rhythmusstörungen. Rhythmusstörungen ist medikamentös nur sehr schwer zu begegnen“, so Professor Dr. Lars Maier, Direktor der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II des UKR. „Denn die gängigen Rhythmusmedikamente auf dem Markt sind mit starken Nebenwirkungen verbunden.“
Prof. Sossalla blickt in die Zukunft: „Unsere Forschung liefert nun einen neuen medikamentösen Wirkansatz. Im nächsten Schritt sind die von uns getesteten Wirkstoffe weiterzuentwickeln, um gezielt den NaV1.8 im Menschen zu hemmen.“ Diese Entwicklung könnte sogar in nicht allzu ferner Zukunft liegen, weil derzeit schon ein NaV1.8 -Hemmer in einem fachfremden Forschungsbereich im Menschen als neuartiges Medikament getestet wird. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Regensburg: Rhythmusstörungen bei Herzschwäche könnten in Zukunft gezielt behandelt werden, (Abruf: 12.01.2022), Universitätsklinikum Regensburg
- Bengel, P., Dybkova, N., Tirilomis, P. et al.: Detrimental proarrhythmogenic interaction of Ca2+/calmodulin-dependent protein kinase II and NaV1.8 in heart failure; in: nature communications, (veröffentlicht: 15.11.2021), nature communications
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