Bestimmte Form der Herzinsuffizienz jetzt behandelbar
Die chronische Herzschwäche (Herzinsuffizienz), an der allein in Deutschland rund vier Millionen Menschen leiden, ist bislang nur eingeschränkt behandelbar. Doch Forschende berichten nun, dass eine bestimmte Form der Erkrankung erstmals spezifisch behandelt werden kann – und zwar mit einem Diabetes-Medikament.
Manchmal pumpt das Herz trotz einer Herzschwäche noch kräftig, aber es füllt sich nicht mehr ausreichend mit Blut, schreibt das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) auf dem Portal „Patienten-Information.de“. Das wird als Herzschwäche mit erhaltener Pumpfunktion oder HfpEF bezeichnet. Als Folge gelangt zu wenig Blut in den Körper und es kommt zu Beschwerden wie Atemnot und Wassereinlagerungen. Etwa die Hälfte aller Menschen mit Herzinsuffizienz ist davon betroffen. Diese Form der Erkrankung ist nun spezifisch behandelbar.
Bisher keine gesicherte Behandlungsmöglichkeit
Laut einer aktuellen Mitteilung der Charité – Universitätsmedizin Berlin gab es bei einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfraktion – der häufigsten Form der Herzschwäche bei älteren Menschen – bisher keine durch Evidenz gesicherte Behandlungsmöglichkeit.
Nun hat eine groß angelegte klinische Studie unter Leitung von Prof. Dr. Stefan Anker von der Charité – Universitätsmedizin Berlin erstmals ein Medikament identifiziert, das sich klar positiv auf die Prognose der Patientinnen und Patienten auswirkt: der Wirkstoff Empagliflozin.
Dieses Mittel senkt für die Betroffenen die Wahrscheinlichkeit, in ein Krankenhaus eingewiesen zu werden oder an einer kardiovaskulären Ursache zu sterben, um 21 Prozent.
Die Ergebnisse der Untersuchung wurden in dem Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht.
Eingeschränkte Lebensqualität
Wenn das Herz es nicht mehr schafft, ausreichend Blut durch den Körper zu pumpen, wird von Herzschwäche, der sogenannten Herzinsuffizienz, gesprochen.
Organe wie Muskeln, Nieren oder Gehirn werden nicht mehr optimal mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt, was sich zunächst häufig als vorübergehende Erschöpfung bei körperlicher Belastung und Kurzatmigkeit bemerkbar macht.
Wenn die Krankheit weiter fortschreitet, kommen die Betroffenen schon bei leichter Bewegung oder sogar in Ruhe außer Atem. Auch Wassereinlagerungen etwa an den Knöcheln sind Zeichen eines schwachen Herzens.
Die Symptome schränken dabei nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen ein: Wird die Krankheit nicht behandelt, steigt die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten fünf Jahren daran zu sterben, auf bis zu 50 Prozent.
Von den geschätzt bis zu vier Millionen Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche in Deutschland sterben jedes Jahr mehr als 40.000 Menschen.
Statistisch signifikanter Effekt
Medizinerinnen und Mediziner unterscheiden zwischen zwei Formen der Herzschwäche: die Herzinsuffizienz mit reduzierter und die mit erhaltener Pumpfraktion (Heart Failure with reduced Ejection Fraction, HFrEF, beziehungsweise Heart Failure with preserved Ejection Fraction, HfpEF).
Während sich die HFrEF seit vielen Jahren medikamentös therapieren lässt, gab es für die bei älteren Personen häufigste Form der Herzschwäche, die Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfraktion, bisher keine spezifische Behandlungsoption.
„Die Leitlinien empfehlen bei HFpEF bisher nur das Management von Begleiterkrankungen – wie Hypertonie und Diabetes – und Symptomen“, erläutert Prof. Dr. Stefan Anker, Leiter der jetzt veröffentlichten Studie von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie am Charité Campus Virchow-Klinikum.
„Zwar gab es mehrere große klinische Studien in den vergangenen Jahren, die verschiedene Therapieansätze für HFpEF untersucht haben, aber keiner der Wirkstoffe hat eine klinisch eindeutige und statistisch signifikante Verbesserung der Prognose gezeigt. Wie unsere Arbeit jetzt belegt, ist das bei Empagliflozin anders: Sein Effekt ist erstmals eindeutig statistisch signifikant und vor allem auch klinisch relevant.“
Medikament für die Behandlung von Diabetes
Empagliflozin ist ein Medikament, das seit einigen Jahren für die Behandlung von Diabetes eingesetzt wird. Seine Wirkung bei Herzschwäche zeigte es jetzt in der international angelegten klinischen Phase-III-Studie „EMPEROR-Preserved“.
Diese Studie hatte bei knapp 6.000 Patientinnen und Patienten mit leichter bis mittelschwerer HFpEF (unabhängig vom Diabetes-Status) untersucht, ob das Arzneimittel das Risiko für die Betroffenen senkt, aufgrund ihrer Erkrankung in ein Krankenhaus eingewiesen zu werden oder an einer kardiovaskulären Ursache zu versterben.
Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer im Alter zwischen 22 und 100 Jahren (Durchschnitt: 72 Jahre) kamen aus 23 verschiedenen Ländern. Etwa die Hälfte von ihnen nahm über einen Zeitraum von im Mittel etwas über zwei Jahren täglich eine Tablette mit dem Wirkstoff ein, die andere Hälfte eine Tablette ohne Wirkstoff (Placebo).
Bis zum Ende der Untersuchung wurden in der Placebo-Gruppe insgesamt 17,1 Prozent der Patientinnen und Patienten in ein Krankenhaus aufgenommen oder verstarben. In der Empagliflozin-Gruppe waren es 13,8 Prozent.
Das Medikament verringerte damit das kombinierte Hospitalisierungs- und Sterberisiko für HFpEF-Betroffene um 21 Prozent. Darüber hinaus berichteten die Probandinnen und Probanden über weniger Symptome.
Verbesserung der Prognose und des Wohlergehens
Unter der Empagliflozin-Behandlung traten folgende Nebenwirkungen etwas öfter auf als in der Placebo-Gruppe: ein niedriger Blutdruck bei 10,4 statt 8,6 Prozent der Studienteilnehmenden, Harnwegsinfektionen bei 9,9 statt 8,1 Prozent und Infektionen im Genitalbereich bei 2,2 statt 0,7 Prozent.
„Diese Nebenwirkungen sind milder Art und lassen sich medizinisch gut behandeln“, erklärt Prof. Anker.
Der Wissenschaftler fasst zusammen: „In meinen Augen bedeutet dieses Ergebnis einen großen Fortschritt in der Kardiologie. Wir können Menschen, die an Herzschwäche mit erhaltener Pumpfraktion leiden, erstmals ein Medikament anbieten, das ihre Prognose und auch ihr Wohlergehen verbessert – und das bei einem sehr guten Sicherheitsprofil.“
Wie in der Mitteilung erklärt wird, ist Empagliflozin in Europa derzeit für die Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 und von Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (mit oder ohne Diabetes mellitus) zugelassen.
Menschen, die an Diabetes leiden und eine HFpEF entwickeln, könnten das Arzneimittel im Rahmen seiner Zulassung bereits erhalten. Den Angaben zufolge plant der Hersteller darüber hinaus, eine Zulassungserweiterung für die Behandlung von HFpEF zu beantragen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Charité – Universitätsmedizin Berlin: Bestimmte Form der Herzschwäche erstmals spezifisch behandelbar, (Abruf: 28.08.2021), Charité – Universitätsmedizin Berlin
- Anker SD et al.: Empagliflozin in Heart Failure with a Preserved Ejection Fraction; in: New England Journal of Medicine, (veröffentlicht: 27.08.2021), New England Journal of Medicine
- Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin: Herzschwäche – was tun bei erhaltener Pumpfunktion?, (Abruf: 28.08.2021), Patienten-Information.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.