Herzschwäche: Belastung auch für die Psyche
Bei Herzschwäche ist die Leistungsfähigkeit des Herzens eingeschränkt. Bei Betroffenen kommt es zu körperlichen Beschwerden wie Atemnot, Müdigkeit, Erschöpfung, verminderter Belastbarkeit und Wassereinlagerungen. Doch die Erkrankung stellt auch eine Belastung für die Psyche dar. Laut Fachleuten werden psychosoziale Risikofaktoren für die Entstehung und den Krankheitsverlauf noch immer unterschätzt.
Eine Arbeitsgruppe von zwölf europäischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit psychokardiologischer Expertise hat ein umfassendes Positionspapier zum wissenschaftlichen Stand und zur klinischen Bedeutung psychosozialer Fragen für das Krankheitsbild Herzinsuffizienz (auch Herzschwäche oder Herzmuskelschwäche genannt) erarbeitet. Die Erkenntnisse und Positionen wurden vor kurzem in der Fachzeitschrift „European Journal Preventive Cardiology“ (EJPC) veröffentlicht.
Bis zu drei Millionen Betroffene in Deutschland
Laut einer aktuellen Mitteilung der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) leiden in Deutschland zwei bis drei Millionen Menschen an einer Herzschwäche, jährlich kommen 300.000 neue Krankheitsfälle dazu. Die chronische Herzinsuffizienz ist keine eigenständige Krankheit, sondern eine Folgeerscheinung anderer Herzleiden.
Den Angaben zufolge gehen etwa 70 Prozent der Fälle aus der koronaren Herzkrankheit und Bluthochdruck, oft in Kombination mit Diabetes, hervor. Doch auch defekte Herzklappen, Herzmuskelentzündungen, Vorhofflimmern oder angeborene Herzfehler können Ursachen der Herzschwäche sein.
Die Entstehung vieler Herzkrankheiten wird durch psychische und soziale Belastungen sowie durch das Verhalten der Patientinnen und Patienten mitbestimmt. Zugleich kann eine Herzerkrankung Ängste, Stress und Depressionen auslösen, die sich wiederum in Herzbeschwerden äußern und zu Komplikationen führen können.
Mehr Aufmerksamkeit für seelische Komplikationen
In ihrem neuen Positionspapier formulieren die Fachleute sechs Kernaussagen zum aktuellen Stand der Forschung und zu zukünftigen Therapiemaßnahmen. „Die Bedeutung psychosozialer Risikofaktoren für die Entstehung und den Verlauf der Herzinsuffizienz wird in der Kardiologie unterschätzt“, sagt Prof. Dr. Christoph Herrmann-Lingen, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der UMG, der maßgeblich an dem Papier beteiligt war.
„Unser Papier trägt die wissenschaftlichen Erkenntnisse von großangelegten Bevölkerungsstudien zusammen. Dabei zeigt sich, dass insbesondere Depression, soziale Isolation und Einsamkeit im klinischen Alltag stärker berücksichtigt werden müssen.“
Der schwerwiegende Verlauf einer Herzinsuffizienz kann die Psyche der Betroffenen stark belasten und dadurch die Behandlung der Erkrankung beeinflussen. Wenn das Gefühl von Hoffnungslosigkeit über einen längeren Zeitraum bestehen bleibt, kann eine Depression entstehen. Diese wiederum führt durch verschiedene biologische Auswirkungen (beispielsweise neuro-endokrine oder entzündliche Prozesse) zur Verschlechterung der Herzschwäche.
„Daher sollte die Aufmerksamkeit für die seelischen Komplikationen der Erkrankungen“, laut Prof. Dr. Herrmann-Lingen „wichtiger Bestandteil der therapeutischen Begleitung“ der Herzinsuffizienz-Patientinnen und -Patienten sein.
Traumatisiert durch Fortschreiten der Krankheit
Angesichts der bislang wenig erfolgreichen Therapiemöglichkeiten einer die Herzinsuffizienz begleitenden Depression fordert die Arbeitsgruppe, dass Psychiaterinnen beziehungsweise Psychiater und Psychosomatikerinnen beziehungsweise Psychosoamtiker bei der Behandlung hinzugezogen werden.
Außerdem werden viele Patientinnen und Patienten durch das Fortschreiten der Krankheit traumatisiert und versuchen, die Krankheitsrealität zu verleugnen. Hierdurch wird die geforderte Mitarbeit und Selbstfürsorge der Erkrankten erschwert. In diesen Fällen werden neue psychologische Gesprächstechniken sowie ergänzende telemedizinische Behandlungskonzepte empfohlen.
Wenn die Herzschwäche weiter fortschreitet, sind einige Patientinnen und Patienten auf eine Implantation eines Defibrillators oder im End-Stadium der Erkrankung auf ein Linksherz-Unterstützungs-System (LVAD) angewiesen.
Dieser Eingriff und die Auswirkungen sind für viele Betroffene belastend. Die Arbeitsgruppe fordert daher auch in diesem Fall die psychologische Unterstützung und Begleitung als wesentlichen Bestandteil des Behandlungsplans. Zudem sprechen sich die Fachleute dafür aus, eine stationäre oder ambulante palliative Versorgung früh anzubieten.
Prof. Dr. Herrmann-Lingen zufolge sollten Patientinnen und Patienten, ihre betreuenden Angehörigen und das behandelnde medizinisch-pflegerische Personal „in die Entscheidungsprozesse, auch über Entscheidungen zum Lebensende, einbezogen werden. Für die Umsetzung werden wir Trainings-Curricula für die Beteiligten entwickeln.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsmedizin Göttingen: Die Psyche bei Herzschwäche: Positionspapier veröffentlicht, (Abruf: 08.02.2022), Universitätsmedizin Göttingen
- Karl-Heinz Ladwig, Thomas C. Baghai, Frank Doyle, Mark Hamer, Christoph Herrmann-Lingen, Evelyn Kunschitz, Cédric Lemogne, Margarita Beresnevaite, Angelo Compare, Roland von Känel, Hendrik B. Sager & Willem Johan Kop: Mental Health-Related Risk Factors and Interventions in Patients with Heart Failure. A Position Paper endorsed by the European Association of Preventive Cardiology (EAPC); in: European Journal Preventive Cardiology, (veröffentlicht: 01.02.2022), European Journal Preventive Cardiology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.