AIDS ist bis heute nicht heilbar. Nun gibt jedoch eine neuer Therapie-Ansatz gegen das verursachende HI-Virus Hoffnung. Wissenschaftler vom Hamburger Heinrich-Pette-Institut und der Technischen Universität Dresden entdeckten eine Genschere, mithilfe derer das Erbgut der Viren aus Zellen herausgeschnitten werden kann. Dies berichten die Forscher aktuell im Fachmagazin „Nature Biotechnology“.
Schrittwiese Zerstörung des Immunsystems
Bei dem so genannten „Acquired Immune Deficiency Syndrome“ (kurz AIDS) handelt es sich um eine Infektionskrankheit, die durch das HI-Virus (Human Immunodeficiency Virus, kurz: HIV) ausgelöst wird. Die Krankheit bewirkt eine schrittweise Zerstörung des Immunsystems, wodurch die Betroffenen häufig an schwerwiegenden Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder wiederholten Lungenentzündungen leiden. Hinzu kommt ein erhöhtes Risiko für bösartige Erkrankungen wie z.B. Non-Hodgkin-Lymphome oder Gebärmutterhalskrebs. AIDS bzw. eine Infektion mit dem HI-Virus sind heute dank der medizinischen Entwicklung normalerweise gut behandelbar – doch heilbar ist die Erkrankung bislang nicht. Der Grund hierfür ist, dass inaktive Viren die Therapie in sogenannten „Reservoirs“ über Jahre hinweg überdauern und sich nach dem Absetzen der Medikamente wieder vermehren können. Diese Reservoire stellen dementsprechend das wichtigste Problem auf dem Weg zu einer Heilung der Krankheit dar.
Genschere schneidet HI-Virus aus dem Erbgut heraus
Nun gibt es jedoch eine neue Hoffnung im Kampf gegen AIDS. Denn einem Forscher-Team um Joachim Hauber vom Hamburger Heinrich-Pette-Institut und Frank Buchholz von der Technischen Universität Dresden ist offenbar eine medizinische Sensation gelungen. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Biotechnology“ berichten, konnten sie einen neuen Therapie-Ansatz entwickeln, welcher unter Umständen schon in wenigen Jahren die derzeitigen Behandlungsmethoden ergänzen könnte. Das Team entwickelte das Enzym Brec1-Rekombinase, welches das HIV-Erbgut in menschlichen Zellen identifizieren und aus diesen “herausschneiden“ kann. Dieser Ansatz könne grundsätzlich für mehr als 28 Millionen Patienten in Betracht kommen, schreiben die Forscher.
„Nur eine komplette Entfernung des HIV-Provirus aus dem Genom der Patienten kann zu einer vollständigen Heilung der Infektion führen. Unsere Entwicklung der Brec1-Rekombinase ist dazu in der Lage, fast alle bisher bekannten klinisch relevanten HI-Viren ohne erkennbare Nebeneffekte wieder aus infizierten menschlichen Zellen zu entfernen“, so Prof. Joachim Hauber laut einer Mitteilung des Heinrich-Pette-Instituts.
Neuer Therapie-Ansatz erfordert viel Geduld
„Diese Forschung ist schon verheißungsvoll“, sagte Armin Schafberger, Medizinreferent der Deutschen Aids-Hilfe, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „dpa“. Da das Enzym bald auch am Menschen getestet werden solle, stelle sich jedoch die Frage „Wen nimmt man da? Man braucht Menschen, die auch gewillt sind, für die Forschung Risiken einzugehen“, ergänzt Schafberger. Denn Eingriffe ins Erbgut bergen immer auch das Risiko, dass mittel- oder langfristig eine Krebserkrankung entstehen könne. Hinzu komme, dass die Therapie viel Geduld erfordere: „Wenn es gelingt, heißt das noch nicht, dass die Patienten kein HIV mehr haben. Man braucht einen langen Atem“, so der Experte weiter.
Mäuseversuch bietet nur begrenzte Forschungsmöglichkeiten
Die Wissenschaftler setzten die Genschere an sogenannten „CD4-Zellen“ des Immunsystem ein und konnten bei Versuchen mit menschlichen Zellen und Mäusen, denen zuvor menschliche Zellen eingepflanzt wurden („humanisierte Mäusen“), keine Zellschädigungen feststellen. „Man kann nachweisen, dass in den Mäusen das HI-Virus aus dem Erbgut wieder entfernt wird“, sagte Mitautor Hauber gegenüber der „dpa“. In der Folge sei der Erreger zwar im Blut der Tiere nicht mehr nachweisbar, im Gewebe aber weiterhin in geringem Maße vorhanden – ein Effekt, der in ähnlicher Wiese auch durch die derzeit gängigen Therapien erreicht wird. Um das neu entwickelte Enzym präziser zu prüfen und so eine vollständige Heilung nachzuweisen zu können, sei der Mäuseversuch jedoch nur begrenzt geeignet, so Hauber.
Daher sei nun eine erste klinische Studie in Hamburg geplant, bei welcher die Sicherheit des neuen Ansatzes an wenigen HIV-Patienten überprüft werden soll. Diese sei zwar noch nicht genehmigt, die Eckpunkte wären jedoch mit dem zuständigen Paul-Ehrlicher-Institut in Langen bereits abgestimmt worden, erläutert Hauber. Parallel zur Finanzierung stehe nun die Produktion von „Transportmitteln“ für die Übertragung von Genen („Gen-Fähre“) an, welche mehrere Millionen Euro koste und bis zu anderthalb Jahre dauern könne. Laufe alles wie geplant, könnten die ersten Behandlungen mit der neuen Methode demzufolge in etwa zwei Jahren durchgeführt werden, so der Experte vom Hamburger Heinrich-Pette-Institut. „Da darf aber nichts schiefgehen.“
Wissenschaftler warnen vor übertriebener Hoffnung
„Das ist zwar noch Grundlagenforschung, aber es wurde präklinisch an den besten verfügbaren Modellen getestet“, so der Kommentar des Kollegen Prof. Boris Fehse vom Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg. Denn bei den verwendeten CD4-Zellen des Immunsystems handele es sich zwar nicht um das einzige, „aber um das Hauptziel des Aids-Erregers“, so der Experte, der an der Studie selbst nicht beteiligt war. Klinische Studien an Betroffenen könnten demnach fünf bis zehn Jahre dauern – sofern nichts dazwischen komme. Die neue Methode könnte eine neue „Waffe“ im Kampf gegen AIDS sein, dennoch sollten laut Hauber und seinem Team die Hoffnungen nicht zu hoch gesetzt werden. „Selbst fortgeschrittene Behandlungskombinationen können möglicherweise nicht jedes infizierte Zellreservoir erreichen“, so die Forscher. (nr)
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