Sachsen Anhalt plant HIV- und Hepatitis Zwangstest für sogenannte Risikogruppen
30.11.2012
Das Bundesland Sachsen-Anhalt plant offenbar einen Zwangstest für sogenannte „HIV- und Hepatitis Risikogruppen“. Damit seien Personengruppen wie Homosexuelle, Ausländer, Obdachlose und Drogenabhängige gemeint, wie das Robert-Koch-Institut anmerkte. Das geplante Ländergesetz stößt bei den zahlreichen Interessenverbänden und der Opposition auf heftige Kritik.
Ginge es nach dem Innenministerium in Sachsen-Anhalt, sollen sich offenbar Ausländer, Homosexuelle, Obdachlose oder Suchtkranke in dem Bundesland einen zwangsweisen HIV- und Hepatitis Test unterziehen. Die umstrittene Neuregelung soll in das neue „Gesetz zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung von Sachsen-Anhalt“ integriert werden. Der Innenminister begründet diese Maßnahme mit dem Argument, bestimmte Berufsgruppen wie Polizeibeamte oder Rettungssanitäter müssten vor den Infektionskrankheiten geschützt werden. Eben jene Berufsgruppen hätten häufiger Kontakt mit Menschen, die infiziert seien.
Bislang war es jedem Menschen freigestellt, einen solchen HIV-Test zu unternehmen. Auch bei Verdacht auf eine HIV-Infektion musste der Patient sein Einverständnis geben. Der Innenminister will aber nun, dass es bereits ausreiche, wenn nicht näher bestimmte Umstände zum Verdacht reichen, dass eine „erhöhte Infektionswahrscheinlichkeit“ bestehen könnte.
Robert-Koch-Institut meldet medizinische und ethische Bedenken
Nach Angaben eines Sprechers der Epidemiologischen Abteilung des Robert-Koch-Institut (RKI) werden sehr wahrscheinlich in diese Risikogruppe Homosexuelle, Drogenabhängige, Obdachlose und Ausländer zugeordnet werden. Aus diesem Grund habe man auch „schwere ethische und medizinische Bedenken“ angemeldet. Es bestehen erhebliche Zweifel an einem solchen zwangsweise durchgeführten Test, da nach den letzten Erhebungen „nur 0,05 Prozent der Gesamtbevölkerung in Sachsen-Anhalt sich mit dem HI-Virus infiziert haben“.
Empört reagierte auch die Deutsche Aids-Hilfe, der Schwulen- und Lebensverband und Opposition. Die Landesregierung lasse sich von „irrationalen Ängsten“ leiten und handelt mit dem Gesetzentwurf „völlig unangemessen“. Damit werden „in keinster Weise Polizisten oder andere helfende Berufsgruppen geschützt“, wie der Verband an den Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) in einem offenen Brief schrieb. Vielmehr werden „homosexuell orientierte Menschen stigmatisiert und diskriminiert“.
Innenministerium weist Vorwürfe zurück
Die Telefone im Innenministerium von Sachsen-Anhalt laufen derzeit heiß. Zahlreiche empörte Bürger und viele Journalisten rufen bei dem Ministerium an, wie ein Sprecher bestätigte. Dort versucht man derweil zu beschwichtigen: „Der Gesetzentwurf ziele nicht darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu diskriminieren oder unter einen Generalverdacht zu stellen“, so der Sprecher. Vielmehr solle der Infektionstest „nur unter ganz bestimmten Bedingungen angeordnet werden“. Dabei bedürfe es nach derzeitigen Planungen einem richterlicher Beschluss.
Ein solcher Fall könnte zum Beispiel sein, wenn sich ein Rettungssanitäter am Drogenbesteck eines Sucht-Kranken verletzt. Dann müsse geklärt werden, ob für den Helfer eine Gesundheitsgefahr bestehe, so das Ministerium. Ähnliches würde auch für Polizeibeamte gelten, die sich während eines Einsatzes verletzen würden. Die Begrifflichkeit „Risikogruppe“ würde überhaupt nicht verwendet. In keinem Falle solle der Test aufgrund der „Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung“ angeordnet werden. Nur wenn einige Fakten dafür sprächen und möglicherweise eine Infektion erfolgte, würde der Test auch unter Zwang angeordnet werden, wenn der Betreffende der Testung nicht zustimme, so der Ministeriumssprecher.
Schwammige Formulierungen im Gesetzestext
Doch in dem Gesetzentwurf liest sich das derweil völlig anders. Dort steht nämlich wörtlich: „Eine Person kann körperlich untersucht werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass von ihr eine Gefahr für Leib oder Leben einer anderen Person ausgegangen ist." Das sei laut Gesetzestext dann der Fall wenn es zu einer Übertragung "besonders gefährlicher Krankheitserreger, insbesondere Hepatitis-B-Virus, Hepatitis-C-Virus oder Humanes Immundefizienzvirus (HIV), gekommen sein kann." Zudem müsse das Testergebnis zur Gefahrenabwehr nutzbar sein. Der Betroffene dürfe hierdurch „keine gesundheitlichen Nachteil“ erleiden. Eine solche Formulierung lässt sehr Spielraum zu. Denn wie soll die Annahme in der Realität begründet sein? Reicht es schon aus, wenn Polizeibeamte „nach Gutdünken“ meinen, die Person sei infiziert?
Eben das kritisiert auch der Bundesverband der Schwulen und Lesben in Deutschland. Die „Voraussetzungen für einen solche Test sind schwammig formuliert, weshalb die Personen nur aufgrund ihrer Äußerlichkeiten zu einer Risikogruppe zugeordnet werden“. Das bedeute, beinahe jeder könne dazu gezwungen werden – ähnlich wie bei einem Alkoholtest – einen solchen Test per Zwang durchführen zu lassen. (sb)
Bild: Andrea Damm / pixelio.de
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