Frühe Therapie von Hodenhochstand senkt das Risiko für Sterilität und Hodenkrebs
03.06.2014
Wird bei neugeborenen Jungen ein Hodenhochstand diagnostiziert, sollte dieser bereits im Laufe des ersten Lebensjahres medizinisch behandelt werden. Diese Empfehlung geht aus einer neuen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) hervor. Demnach sei von einem längeren Abwarten dringend abzuraten, denn dadurch könne es zu einer Verminderung der Fruchtbarkeit oder sogar zu Zeugungsunfähigkeit kommen. Auch das Risiko für Hodenkrebs könne durch eine frühe Behandlung gesenkt werden, so der Bericht der DGKCH-Experten.
Häufigste angeborene Fehlbildung des Harn- und Geschlechtsapparats
Liegt ein sogenannter „Hodenhochstand“ (Maldescensus testis) vor, befinden sich bei einem Neugeborenen ein oder beide Hoden nach der Geburt nicht im Hodensack, sondern in den meisten Fällen im Leistenkanal oder in der Bauchhöhle. Beim Hodenhochstand handelt es sich um die häufigste angeborene Fehlbildung des Harn- und Geschlechtsapparats, die knapp ein bis drei Prozent der reifen und sogar bis zu 30% der frühgeborenen männlichen Babys betrifft. Die angeborene Lageabweichung bedarf fast immer einer Behandlung, da das Hodengewebe durch eine dauerhafte abnorme Lage über die Zeit geschädigt wird und schwerwiegende Folgen wie Unfruchtbarkeit oder Hodenkrebs drohen.
In nur 7 Prozent der Fälle wird keine Therapie benötigt
Dementsprechend sollte die Behandlung eines Hodenhochstands laut der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie möglichst früh beginnen, um langfristige Schädigungen zu vermeiden. In etwa sieben Prozent der Fälle nimmt der Hoden jedoch nach der Geburt auch ohne Therapie seine normale Lage im Hodensack ein. Da in dieser Zeit normalerweise keine Beschwerden entstehen, sollte laut den Experten der DGKCH das erste halbe Jahr zunächst abgewartet werden – geschieht in dieser Zeit nichts, werde eine Verbesserung der Situation hingegen immer unwahrscheinlicher: „Anders als früher, wo man eine Operation oft erst nach Jahren durchgeführt hat, ist man heute der Auffassung, dass der Hoden bis zum ersten Geburtstag in den Hodensack verlagert werden sollte“, erklärt Barbara Ludwikowski, Chefärztin der Klinik für Kinderchirurgie auf der Bult, Hannover. Der Hochstand werde dabei normalerweise „offen“ operiert, was in 74 bis 96 Prozent der Fälle zum Erfolg führen würde. Vor der OP könnten die kleinen Patienten zudem mit Hormonen therapiert werden, was allerdings von vielen Experten kritisch betrachtet werde: „Die Gabe von Hormonen ist jedoch umstritten, da die langfristigen Folgen einer Einwirkung auf den kindlichen Hormonhaushalt noch nicht abschließend geklärt sind“, so Dr. Ludwikowski weiter.
Große Scham und seelische Beeinträchtigungen durch Schädigungen am Genital
Die möglichen Schädigungen im Genitalbereich seien dabei nicht zu unterschätzen:„Ein unperfektes oder unvollständiges Genital kann große Scham und seelische Beeinträchtigungen auslösen“, so Barbara Ludwikowski weiter. Neben dem könne durch eine frühe Erkennung das Krebs-Risiko deutlich verringert werden. Ein wichtiger Aspekt – denn wie die Wissenschaftlerin erklärt, hätten Männer, die als Kind von einem „Maldeszenus testis“ betroffen waren, ein bis zu 10-fach erhöhtes Hodenkrebs-Risiko. „Diese Gefahr ist durch die Operation zwar nicht gebannt“, so die Barbara Ludwikowski, „sie ist jedoch umso niedriger, je früher der Hoden im Hodensack zu liegen kommt.“ Hodenkrebs ist dabei laut Information der DGKCH mit jährlich rund 4000 Neuerkrankungen hierzulande die häufigste Krebsart bei Männern zwischen 20 und 45 Jahren.
Mitarbeit der Eltern dringend erforderlich
Dementsprechend würde die neue Leitlinie laut DGKCH-Präsident Bernd Tillig das Ziel verfolgen, „[…] die Behandlung bis zur Vollendung des 12. Lebensmonats abzuschließen“, denn dann könnte mit den besten Ergebnissen gerechnet werden. Um rechtzeitig handeln zu können, sei jedoch die Aufmerksamkeit der Eltern unabdingbar, denn diese müssten ihr Kind genau beobachten und bei Verdacht auf Hodenhochstand umgehend einen Kinderarzt aufsuchen. (nr)
Bild: Sebastian Karkus / pixelio.de
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